Wirtschaft

Wirtschaftsaussichten 2025: Zwischen Bangen und Zuversicht

Wirtschaftsaussichten 2025: Zwischen Bangen und Zuversicht
Markus Bänziger, Hansjörg Brunner, Nicolas Härtsch, Thomas Koller, Ueli Manser, Jérôme Müggler, Christian Schmid
Lesezeit: 5 Minuten

Während die Exportwirtschaft unter der schwachen Nachfrage und geopolitischen Unsicherheiten leidet, bietet der Binnenmarkt Stabilität. Sieben vom LEADER befragte Experten betonen je-doch, dass technologische Fortschritte, Nachhaltigkeit und politische Weichenstellungen neue Chancen für die Ostschweizer Wirtschaft schaffen können – vorausgesetzt, Fachkräftemangel und Investitionszurückhaltung werden überwunden.

Die wirtschaftlichen Aussichten der Ostschweiz für 2025 zeichnen sich durch Unsicherheiten und Herausforderungen aus, bieten jedoch auch Chancen, wie Markus Bänziger, Hansjörg Brunner, Nicolas Härtsch, Thomas Koller, Ueli Manser, Jérôme Müggler und Christian Schmid in der grossen LEADER-Umfrage aufzeigen.

Exportorientierte Branchen unter Druck

Markus Bänziger, Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell, weist auf die Schwierigkeiten hin, mit denen exportorientierte Unternehmen konfrontiert sind: «Die Exportschwäche dürfte anhalten. Aufgrund der abkühlenden US-Wirtschaft sowie der schwachen Entwicklung in der Eurozone fehlen die Impulse für eine kräftige Erholung.» Auch Nicolas Härtsch, Präsident der Industrie AR, sieht Herausforderungen: «Exportorientierte Unternehmen kämpfen weiter mit dem starken Franken und der Schwäche des deutschen und chinesischen Marktes.» Diese Belastungen betreffen insbesondere die MEM-Branche, wie Hansjörg Brunner, Präsident des WirtschaftsPortalOst, betont: «Die Zulieferer aus der Ostschweiz spüren die Verunsicherung, besonders in der Automobilbranche.»

Die Auswirkungen dieser Herausforderungen spiegeln sich auch in den Zahlen wider: Mehr als die Hälfte der Industrieunternehmen in der Ostschweiz bezeichnen ihre Auftragsbestände als niedrig. «Die Unsicherheiten in unseren wichtigsten Absatzmärkten machen eine Planung schwierig», so Härtsch. Diese Situation wird durch geopolitische Spannungen und protektionistische Tendenzen in den USA weiter verschärft. Auch der Ukraine-Krieg und die instabile Lage in Europa belasten das Geschäftsklima in der Region. Firmen mit engen Verbindungen zu Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner, haben besonders zu kämpfen.

«Die Zahl der eingegebenen Baubewilligungen steigt wieder.»

Binnenwirtschaft und Baugewerbe als Stützen

Im Gegensatz dazu bleibt der Binnenmarkt eine stabile Säule. «Die Zahl der eingegebenen Baubewilligungen steigt nach mehreren Jahren wieder, auch dank sinkender Zinsen», so Bänziger. Der Immobilienmarkt profitiert ebenfalls von diesen Entwicklungen. Ueli Manser, CEO der Appenzeller Kantonalbank, hebt hervor: «Die niedrigen Hypothekarzinsen fördern energetische Sanierungen und Renovationen, was den Immobilienmarkt weiter ankurbelt.» Auch Christian Schmid, CEO der St.Galler Kantonalbank, erwartet eine stabile Nachfrage nach Wohneigentum: «Wir gehen dennoch von weiterhin steigenden Preisen für Wohneigentum aus, trotz der bereits hohen Preise.»

Thomas Koller, CEO der Thurgauer Kantonalbank, sieht ebenfalls Potenzial im Immobiliensektor. «Die Hypothekarzinsen sind wieder gesunken, was Bauherren zu Investitionen motiviert. Das schafft Aufschwung im Bau- und Immobilienbereich.» Gleichzeitig hebt er hervor, dass der private Konsum eine wichtige Stütze der Konjunktur bleibt.

Neben dem Immobiliensektor zeigt sich der Dienstleistungssektor ebenfalls stabil. «Die Dienstleistungen schneiden beim Purchasing Manager Index weiterhin positiv ab», so Jérôme Müggler, Direktor der IHK Thurgau. Diese Indikatoren deuten darauf hin, dass der private Konsum auch im Jahr 2025 eine wichtige Stütze der Konjunktur bleibt. Der reale Lohnzuwachs und die hohe Arbeitsplatzsicherheit tragen wesentlich zu dieser Stabilität bei. «Auch der Detailhandel sieht optimistisch in die Zukunft, da Konsumenten aufgrund der robusten Wirtschaftslage in der Schweiz weiterhin investieren.»

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Fachkräftemangel bleibt eine zentrale Herausforderung

Alle Experten sind sich einig, dass der Fachkräftemangel eine der grössten Herausforderungen bleibt. Laut einer Umfrage der IHK St.Gallen-Appenzell halten 58 Prozent dies für schwierig. «Besonders im Bau- und Dienstleistungssektor fehlt es an qualifiziertem Personal», so Markus Bänziger. Dieser Mangel betrifft jedoch nicht nur bestimmte Sektoren, sondern zieht sich durch nahezu alle Branchen. Nicolas Härtsch beschreibt den Fachkräftemangel als «eine chronische Krankheit, die unsere Wettbewerbsfähigkeit erheblich beeinträchtigt».

Ueli Manser sieht in der Nachwuchsförderung eine wichtige Lösung: «Attraktive Arbeitsplätze und Ausbildungsangebote sind entscheidend, um die demografischen Herausforderungen zu meistern.» Auch die Digitalisierung könnte zur Lösung beitragen. «Durch den Einsatz moderner Technologien lassen sich Prozesse effizienter gestalten und Fachkräfte entlasten», betont Christian Schmid. Zudem müssen Unternehmen innovative Ansätze für die langfristige Bindung von Mitarbeitern entwickeln, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Auch staatliche Initiativen wie erleichterte Arbeitsbewilligungen für Fachkräfte aus dem Ausland könnten zu einer Entspannung beitragen.

Thomas Koller stösst ins gleiche Horn: «Unsere Um-fragen zeigen, dass Unternehmen im Thurgau bereit sind, vermehrt in die Förderung von Nachwuchs und Weiterbildung zu investieren, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben.»

«Unternehmen profitieren von der Frankenstärke beim Import von Materialien.»

Chancen durch technologische Fortschritte

Trotz der Herausforderungen sehen unsere Experten auch zahlreiche Chancen. «Unternehmen profitieren von der Frankenstärke beim Import von Materialien», erklärt Härtsch. Zudem bieten technologische Fortschritte, Digitalisierung und Nachhaltigkeit neue Möglichkeiten für Wachstum. «Besonders der Dienstleistungssektor zeigt sich investitionsfreudig», betont Bänziger. Rund ein Viertel der Industriebetriebe plant laut Umfragen ebenfalls, ihre Investitionen zu erhöhen. Diese Tendenz deutet darauf hin, dass Unternehmen gut auf eine Erholung vorbereitet sein wollen.

Auch im Bereich Nachhaltigkeit sieht Schmid Potenzial: «Nachhaltigkeitsanforderungen treiben zwar die Kosten, schaffen aber auch Anreize für innovative Lösungen.» Die Verbindung von ökologischen und ökonomischen Zielen könnte zu einem Wettbewerbsvorteil führen, insbesondere in internationalen Märkten. Die Weiterentwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz und Automation bietet zusätzliche Optionen, speziell für Produktionsprozesse. Fortschritte in der Datenanalyse und maschinellem Lernen könnten zudem Unternehmen dabei helfen, besser auf Marktveränderungen zu reagieren.

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«Besonders der Dienstleistungssektor zeigt sich investitionsfreudig.»

Wirtschaftspolitische Weichenstellungen

Die politischen Rahmenbedingungen spielen eine entscheidende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung der Ostschweiz. Brunner unterstreicht: «Die Realisierung von Wil West könnte in der Ostschweiz eine Aufbruchstimmung erzeugen und wichtige Impulse für die Region setzen.» Die Zusammenarbeit zwischen Kantonen und Gemeinden sei dabei entscheidend, um solche Projekte erfolgreich umzusetzen.

Auch die Zinspolitik der Schweizer Nationalbank bleibt ein zentraler Faktor. «Die Senkung des Leitzinses macht Geld wieder günstiger und fördert Investitionen sowie die Bautätigkeit», so Müggler. Dennoch bleibt die Zurückhaltung der öffentlichen Hand bei Investitionen eine Herausforderung, die gelöst werden müsse, um langfristiges Wachstum zu sichern. Zugleich ist es notwendig, die Rahmenbedingungen für Investitionen in Forschung und Entwicklung weiter zu verbessern, um die Innovationskraft zu stärken. Infrastrukturprojekte wie neue Verkehrslösungen oder die Modernisierung des Energiesektors könnten zusätzliche Wachstumsimpulse schaffen.

Zwiespältige Aussichten

Insgesamt ist die wirtschaftliche Lage in der Ostschweiz für 2025 von einer Zweiteilung geprägt: Während exportorientierte Branchen weiterhin unter Druck stehen, profitiert der Binnenmarkt von stabilen Rahmenbedingungen. Der Fachkräftemangel und politische Unsicherheiten stellen Herausforderungen dar, während technologische Fortschritte und nachhaltige Entwicklungen neue Möglichkeiten schaffen. «Die Welt und damit auch die Wirtschaft sind deutlich fragiler geworden», bringt es Härtsch auf den Punkt. Dennoch zeigt sich die Ostschweiz gut aufgestellt, um auf die Herausforderungen des kommenden Jahres zu reagieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Die langfristige Perspektive wird davon abhängen, wie effektiv Unternehmen und Politik zusammenarbeiten, um Wachstum und Stabilität zu fördern. Der Fokus auf Innovation, nachhaltige Entwicklung und eine stärkere Integration regionaler Märkte wird entscheidend sein, um die Chancen des kommenden Jahres voll auszuschöpfen.

Thomas Koller macht abschliessend Mut: «Unsere Geschäftskunden sehen den kommenden Herausforderungen zwar realistisch entgegen, zeigen sich jedoch weiterhin investitionsbereit und optimistisch.»

Text: Stephan Ziegler

Text: istock, zVg

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