Bodenseefischer kämpfen ums Überleben
Einer, der das Problem aus erster Hand kennt, ist Reto Leuch aus Landschlacht, Präsident des Schweizerischen Berufsfischerverbands. Die Probleme sind zahlreich, eine nachhaltige Lösung nicht in Sicht. Die Lage der Fischer wird immer schlimmer; bereits jetzt kann keiner mehr allein von der Fischerei leben.
Leuch ist da keine Ausnahme: «Ich habe ein zweites Standbein als Obstbauer. Damit verdiene ich hauptsächlich mein Geld. Die Fischerei nimmt nur noch 30 Prozent meiner Zeit ein.» Einen 8,5-Stunden-Tag kennt er nicht. Und damit ist er kein Einzelfall. Doch woran liegt es, dass der Berufsstand der Fischer dermassen brotlos geworden ist?
Fische bekommen zu wenig Futter
«Die Ursache ist ganz klar», sagt der Fischer. «Wir haben keinen Nachwuchs mehr. Die Jugend interessiert sich nicht mehr für unser Handwerk und will nicht mehr beim ersten Licht des Tages knietief im Wasser stehen.» Das allein habe schon einen grossen Einfluss, doch es sei letztlich nur die Spitze des Eisbergs. «Seit 15 Jahren machen wir auf die Missstände und Probleme aufmerksam. Menschengemachte Probleme!»
Konkret: «Die Rheinverbauung hat einen grossen Einfluss auf die Nährstoffzufuhr für die Fische – sie bekommen zu wenig Futter. Der Klimawandel hat ausserdem zur Folge, dass der See nicht mehr genügend umgewälzt wird.» Vor wenigen Jahren machte ausserdem die Quagga-Muschel Schlagzeilen. «Diese durch den Menschen eingeschleppte Muschel nimmt den Fischen die Nahrung weg.» Der Schädling verbreitet sich munter weiter, die Bodensee-Anrainerstaaten schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.
Dazu kommt die Überpopulation der Kormorane, gegen die ebenso wenig unternommen wird. Kormorane sind Vögel, die sich von Fischen ernähren «und jährlich rund 600 Tonnen an Felchen aus dem Bodensee fischen». Felchen sind der beliebteste Speisefisch der Ostschweizer und waren lange Zeit die Haupteinnahmequelle der Bodenseefischer.
«Geschickte Dezimierung»
Diese Probleme ziehen seit Jahren immer weiter an. Die Fangerträge sind immer stärker rückläufig; laufend werden Negativ-Rekorde aufgestellt. «Schon seit Jahren haben wir keine Felchen mehr gefangen.» Jetzt würden zudem auch die Beifänge fehlen. «Derzeit sind wir an einem historischen Tiefpunkt angelangt. Zwar wird der Beruf nicht aussterben, aber bereits jetzt kann niemand mehr von der Fischerei leben. Wir alle brauchen ein Nebeneinkommen.» Im Herbst ist es gar noch schlimmer: «Die Politik schreibt uns vor, dass wir jeweils erst bei Sonnenaufgang arbeiten dürfen. Dadurch werde ich aber in der späteren Jahreshälfte stark in meinem Geschäft eingeschränkt», sagt Reto Leuch.
Die Politik wiederum schreitet zwar ein, doch die Fischer sind damit nicht zufrieden, weil zu zögerlich. «Die Politik könnte einen schnellen Entscheid fällen – wie sie es auch beim Wolf tut. Mit einem raschen Dekret könnten wir sofort handeln und in die Brut der Kormorane eingreifen. Denn es gibt schlicht und einfach eine Überpopulation.» Durch eine gezielte Dezimierung würden die Vögel weniger Fische wegnehmen und den Bestand nicht zusätzlich verkleinern. Auch wäre es gemäss Leuch begrüssenswert, wenn die Politik in der Thematik «fehlende Nährstoffe im See» handeln würde. «Doch das ist ein Tabuthema.» Warum, fragt man sich da, geniesst das Thema «Bodenseefischerei» bei den Ostschweizer Politikern ein Schattendasein?
Ein Kampf gegen Windmühlen
Als Reaktion auf den Import-Markt hat Reto Leuch gemeinsam mit anderen Branchenvertretern mit «Wildfang Bodensee» ein eigenes Label lanciert. «Dadurch können wir unsere regionalen Fische vermarkten und darauf hinweisen, dass sie tatsächlich aus dem Bodensee kommen. Das hat zwar seinen Preis, doch wem Regionalität wirklich am Herzen liegt, der kauft keinen Tiefkühlfisch aus dem Supermarkt, sondern zahlt den Aufpreis und bekommt einen waschechten Bodensee-Fisch.»
Was kann man also abschliessend sagen? Der Bodenseefischerei geht es nicht gut; derzeit ist weit und breit keine Besserung in Sicht. Dennoch zeigt man sich kampfwillig und möchte diesen wichtigen Wirtschaftszweig nicht einfach aufgeben. «Wir führen so etwas wie einen Kampf gegen Windmühlen. Wir werden immer weniger, aber aufgeben werden wir sicher nicht. Schliesslich ist der Fisch aus dem Bodensee nicht nur ein Wirtschaftszweig, sondern auch Kulturgut», lässt sich Leuch nicht unterkriegen.
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Kundschaft muss sich umgewöhnen
Die derzeitigen Probleme am Bodensee ziehen einen Rattenschwanz nach sich: Nicht nur haben sie Auswirkungen auf den Berufsstand, sondern auch auf das lokale Gewerbe. Unter anderem Restaurants am See, Supermärkte und Grossverteiler. Sie alle waren zwar auch schon zuvor auf Importe aus dem Ausland angewiesen, doch das Problem verschärft sich zunehmend. «Natürlich möchte jeder regionale Lebensmittel. Fische aus dem Bodensee sind nach wie vor das Aushängeschild eines jeden Restaurants. Nur will eben nicht jeder auch den entsprechenden Aufpreis bezahlen», weiss Leuch.
Eine günstige(re) Alternative gibt es: «Wir holen nach wie vor Fische aus dem Bodensee. Nur sind es eben nicht die bei den Leuten beliebten Felchen, sondern Welse, Schleien, Alete oder Karpfen. Die Kunden müssten sich an dieses neue Angebot gewöhnen.» Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Gleichzeitig wird der Druck durch importierte Waren immer grösser. Denn die Grossverteiler und Restaurants arbeiten bereits jetzt mit ausländischen Fischen. «Wildfang gibt es fast nicht mehr. Die meisten Fische kommen aus einer Zucht.» Da wäre der Bodenseefisch eine löbliche Ausnahme, auch im Hinblick auf das Tierwohl, das bei aufwachsenden Fischen natürlich viel grösser ist als bei solchen aus teils wenig oder gar unkontrollierten ausländischen Zuchten.
Text: Fabian Alexander Meyer
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer