Wirtschaft

Von Bombay nach Ebnat-Kappel

Von Bombay nach Ebnat-Kappel
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Mitten im Toggenburg produziert das Familienunternehmen Morga AG über 1200 verschiedene Produkte. Anfang dieses Jahres ging die Reformhaus-Kette Müller, ein wichtiger Absatzkanal, Konkurs. Wie geht der Traditionsbetrieb mit 100 Mitarbeitern damit um? Verwaltungsratspräsident Ruedi Lieberherr und Geschäftsführerin Karin Anderegg steuern Morga durch die Wogen eines unruhigen Lebensmittelmarkts.

Ruedi Lieberherr, Morga produziert seit über 90 Jahren in Ebnat-Kappel. Die Spuren ihres Grossvaters führen aber nach Indien.
Ja, die Gründung der Morga AG erfolgte 1930 nach der Rückkehr meines Grossvaters aus Indien. Ernst Lieberherr war zuvor 20 Jahre für eine Schweizer Handelsfirma in Mumbai, damals noch «Bombay», tätig. In dieser so verschiedenartigen Kultur kam er auf den Geschmack vegetarischer Ernährung und lernte bis dahin in der Schweiz unbekannte, spannende Produkte kennen. So war er fasziniert von Tee, Gewürzen und Soja als eiweisshaltigem Rohstoff. Als Ernst Senior zurück in die Schweiz reiste, war sein Gepäck voll mit Sojabohnen und Erkenntnissen zu vegetarischen Ernährungsformen, die er teilen wollte. Er war seiner Zeit weit voraus, gewinnt doch die vegane und vegetarische Welle erst seit einiger Zeit an Schwung. Morga hat ein Sortiment von über 1200 verschiedenen Produkten und ist Importeur diverser Marken aus dem Ausland.

Was braucht es, um so lange erfolgreich wirtschaften zu können?
Die Morga hat es in den vergangenen neun Jahrzehnten geschafft, sich stetig den wechselnden Marktbedürfnissen anzupassen, zwischen kurzfristigen Ernährungstrends und wertvollen neuen Ernährungsformen zu unterscheiden und somit eine grosse Sortimentsvielfalt aufzubauen. Neben Produkten für verschiedene Ernährungsformen stellen wir auch solche für Allergiker und Personen mit speziellen Ernährungsbedürfnissen her. Dies schaffen wir dank eines breiten Maschinenparks, einem ausgeklügelten Qualitätsmanagement, viel Erfahrung in Einkauf und Entwicklung und gut geschulten, interessierten Mitarbeitern. 

Sie produzieren aber nicht nur für das eigene Label, oder?
Nein, unsere USPs werden auch von grösseren Anbietern genutzt. Wir produzieren neben den eigenen also auch Fremdmarken. Dies hilft, den Maschinenpark stetig den neusten technischen Standards anzupassen und entsprechend auszulasten.

 

Dorfhaus Gupf AG  Rhema 2025  

«Die Zusammenarbeit mit Müller geht auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück.»

Sind Sie der Unternehmensführung Ihres Grossvaters und Vaters treu geblieben?
Mein Grossvater war Tüftler, Initiant und «Chaot» mit wilden Ideen. Mein Vater, Ernst Lieberherr Junior, hat daraus eine gesunde Basis geschaffen. Ich habe dank der Zusammenarbeit mit einem guten Team diese Basis ausbauen und das Unternehmen so aufbauen können, wie es heute im Toggenburg dasteht.

Welche Rolle spielt der Wirtschaftsstandort Toggenburg?
Das Toggenburg ist und bleibt in vielerlei Hinsicht – auch politisch – eher eine Randregion, obwohl in Ebnat-Kappel auch renommierte internationale Industrie ansässig ist und es im Verhältnis zur Einwohnerzahl viele Arbeitsplätze bietet. Sicher gestaltet sich die Suche nach Führungskräften nicht ganz einfach. Ein Vorteil ist jedoch, dass unsere Angestellten oft langjährig bei uns tätig und in der Region verankert sind. Dadurch haben sie auch ein grosses Interesse am Unternehmen, es ist wie eine zweite Familie. Auch unsere Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden ist sehr partnerschaftlich.

Gab es nie Überlegungen, die Produktion ins Ausland zu verlagern?
Nein. Durch unsere breite Palette produzieren wir nur in wenigen Produktgruppen grosse Mengen. Eine Verlagerung ins Ausland ist nur dann erfolgreich, wenn grosse Mengen eines einzelnen Artikels hergestellt werden müssen. Wir sind im Gegenteil für Kunden im Ausland attraktiv, da wir kleine Serien in guter Qualität zuverlässig herstellen können. Die Morga ist zudem im Familienbesitz; in der Eignerstrategie sind der Standort Toggenburg und die damit verbundenen Arbeitsplätze ein wichtiges Element.

 

«Wir sind für Kunden im Ausland attraktiv, da wir kleine Serien herstellen können.»

Karin Anderegg, Sie leiten die Geschicke des Unternehmens als Geschäftsführerin. In der Lebensmittelindustrie hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Es wird mehr auf Nachhaltigkeit geachtet, Veganismus und Bio-Artikel sind im Trend. Wie beeinflussen diese Entwicklungen die Morga AG?
Dies ist zum einen ein spannender Trend, der unsere Produkte für eine breitere Zielgruppe attraktiv macht. Andererseits sind Nischen nur solange interessant, wie sich nicht die ganz Grossen darin tummeln. Wir profitieren daher nicht zwangsläufig von diesen Trends: Innovationen gewinnen, andere Artikel verlieren vielleicht zugunsten grösserer Hersteller.

Auch Covid hat den Markt durcheinandergewirbelt. Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf Ihr Unternehmen?
Einen grossen. Während andere Unternehmen schliessen mussten, durften wir durchgängig arbeiten. Vor allem zu Beginn der Pandemie konnten wir kaum mehr planen. Aufträge kamen von heute auf morgen mit doppeltem Volumen, während Rohstoffe nicht mehr geliefert werden konnten … Wir haben aber rechtzeitig unsere Lager aufgestockt. Unsere Mitarbeiter haben grossen Einsatz geleistet und viele dieser Mehraufwände hervorragend kompensiert. Jedoch muss man sehen: Der Aufbau eines Lagers zu unterschiedlichen Preisen und ohne genau zu wissen, wie lange der hohe Absatz anhält, ist immer ein Risiko. Die definitive wirtschaftliche Beurteilung erfolgt vermutlich in etwa fünf Jahren. Uns war jedoch wichtig, dass unsere Produkte durchgängig verfügbar sind, um Situationen wie beim WC-Papier zu vermeiden.

Spiegelt sich das auch im Umsatz wider?
2021 konnten wir umsatztechnisch profitieren, die Gewinnmarge war jedoch kleiner, da Lager- und Beschaffungskosten in die Höhe geschnellt sind. Ob wir beim Einkauf immer die richtigen Entscheidungen getroffen haben, wird sich noch weisen. Nach der Öffnung zeigte dann der Umsatz in die andere Richtung: Im Frühjahr 2022 sank er wieder massiv.

 

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«Mein Grossvater war ein Tüftler, Initiant und Chaot mit wilden Ideen.»

Und wie sieht es heute, ein Jahr später, aus?
Wir kämpfen weiterhin mit hohen Preisen auf dem Beschaffungsmarkt. Die Energiepreise und wetterbedingte Ernteausfälle weltweit, aber auch der Krieg in der Ukraine beeinflussen die Preise massiv. Wir versuchen, möglichst viele dieser Turbulenzen selbst abzudecken, kommen aber um gewisse Preissteigerungen nicht herum. Umsatztechnisch merken wir die aktuelle Konsumentenstimmung am Markt: Bio verliert gemäss neusten Studien. Konsumenten sparen bei Lebensmitteln, da hohe Krankenkassenprämien und Energiepreise das Haushaltsbudget beeinflussen.

Im Januar 2023 kam es zum Konkurs von Reformhaus Müller. Morga hat die Kette beliefert.
Unsere ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Müller-Gruppe geht auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Müller war für uns und unsere Konsumenten wichtig, da wir dort eine optimale Sortimentsbreite zeigen konnten. Somit ist Müller ein grosser Verlust für die Schweiz – und für uns als Lieferant. Wir konnten aber dank eines gut organisierten Fachhandels rasch Läden in der Nähe der Müller-Standorte finden, die eingesprungen sind, um vor allem Lebensmittel für spezielle Ernährungsbedürfnisse anbieten zu können. Oft handelt es sich hierbei um Fachhändler, die bereits lange bei uns Kunde waren und nun das Sortiment entsprechend erweitert haben, aber auch neue sind dazu gekommen. Wie sich die Schliessung letztlich auswirkt, ist noch nicht ganz abzuschätzen.

Nicht mehr lange und Morga feiert Ihr 100-jähriges  Bestehen. Wie blicken Sie in die Zukunft?
Aktuell gestaltet sich der Markt herausfordernd: Die Preise für Rohstoffe zeigen nach oben, die Märkte sind unruhig. Wir sind jedoch überzeugt, diese Turbulenzen dank langjähriger Erfahrung, gutem Service, hoher Qualität und ebensolcher Konstanz gut standhalten zu können. Ausserdem konnten wir spannende Projekte im Lohn gewinnen, die in den kommenden Monaten die gedämpften Erwartungen im Heimmarkt Schweiz ausgleichen sollen – vor allem aus dem grenznahen Ausland, da es dort zu Lieferausfällen oder Serviceminderungen bei anderen Produzenten kommt. Wir schauen also in eine sicher herausfordernde Zukunft, sind aber – wie in der Vergangenheit mehrfach bewiesen – anpassungsfähig: Aufgrund der Breite des Sortiments und des Maschinenparks können wir in vielen Bereichen einspringen.

Zum Schluss: Ruedi Lieberherr, verraten Sie uns das Rezept der beliebten Morga-Bouillon?
Gsunds Gmües und Chrüttli mit guete Rohstoff mische, mit viel Liebi is Dösli, Gläsli oder Büteli packe und für alli mögliche Rezept nutze!

Text: Miryam Koc

Bild: Thomas Hary

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