Trügerischer Heimvorteil
Text: Alessandro Sgro, Chief Investment Officer Cronberg AG
Der amerikanische Ökonom Harry Markowitz prägte den Satz: «Diversification is the only free lunch» (Beim Investieren gibt es nichts umsonst, ausser Diversifikation). Gemeint ist damit die Tatsache, dass an den Finanzmärkten durch Diversifikation das Risiko minimiert werden kann, ohne dabei auf eine erwartete Rendite verzichten zu müssen. Diversifikation hat dabei eine Vielzahl an Facetten. So kann man das Risiko seines Vermögens auf verschiedene Anlageklassen, verschiedene Branchen, aber auch auf verschiedene Regionen streuen.
Doch wie steht es um die Diversifikation in den Portfolios von Schweizer Anlegerinnen und Anleger? Gemäss einer Erhebung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sind rund 43.7% des Vermögens der Schweizer Haushalte in Immobilien investiert. Das restliche Vermögen verteilt sich auf Bargeld und Einlagen (18.0%), Ansprüche gegenüber Pensionskassen und Versicherungen (23.1%) und lediglich zu 7.0% auf Aktien. Auffällig dabei ist, dass ein Grossteil in Schweizer Anlagen investiert ist. Beispielsweise beträgt der Anteil an Schweizer Aktien in den Anlagen der Pensionskassen knapp 30 Prozent.
Nimmt man den MSCI All Country World Index – einen breiten globalen Weltaktienindex – als Referenz, sollten Schweizer Aktien lediglich mit knapp 3% gewichtet sein. In der Verhaltensökonomie spricht man vom «Home Bias». Dieser beschreibt das Phänomen, einen überproportional grossen Anteil des Portfolios in inländische Anlagen zu investieren, anstatt das Portfolio global zu diversifizieren. Gibt es Gründe für dieses Verhalten?
Deutliche Performance-Einbussen
Deutliche Performance-Einbussen Oftmals wird im Zusammenhang mit dem «Home bias» der Informationsvorteil genannt. Ein Schweizer Investor fühlt sich oft sicherer und über den heimischen Markt besser informiert. Ein weiteres Argument ist das Währungsrisiko. Der Schweizer Franken gilt als stabile Währung und hat sich in den letzten Jahren gegenüber den wichtigen Währungen wie dem US-Dollar oder dem Euro kontinuierlich aufgewertet.
Diese Betrachtungsweise ist jedoch insofern einseitig, als dass Währungsrisiken eliminiert und mögliche Informationsnachteile durch eine optimale Zusammenstellung des Portfolios reduziert werden können. Hinzu kommt, dass eine starke Konzentration auf bestimmte Regionen mit einer mangelnden Diversifikation der Branchen einhergeht. In einer globalisierten und sehr arbeitsteiligen Welt sind nicht mehr nur Unternehmen, sondern ganze Volkswirtschaften hoch spezialisiert. So bedeutet eine Anlage in den Swiss Market Index (SMI) eine Investition von rund 80% in lediglich drei Sektoren, namentlich Gesundheit, Nahrungsmittel und Finanzdienstleistungen.
Dadurch setzt man sich als Anlegerin und Anleger nicht nur einem Klumpenrisiko aus, sondern verpasst auch attraktive Chancen in Märkten, die schneller wachsen als dies in der Schweiz der Fall ist. Trotz einer über die Jahre anhaltenden Abwertung des US-Dollars gegenüber dem Schweizer Franken performte der breite amerikanische Aktienindex S&P 500 in Schweizer Franken gerechnet seit 2005 bedeutend besser als der SMI. Dies ist nicht zuletzt auch auf das starke Wachstum mehrerer Sektoren wie Technologie oder Kommunikation zurückzuführen, die auf dem Schweizer Aktienmarkt stark unterrepräsentiert sind.
Zur Veranschaulichung: Allein der Sektor «Communication Services» des S&P 500 legte seit 2005 um rund 160% zu, bei «Information Technology» liegt dieser Wert bei eindrücklichen 1’350%. Diese beiden Sektoren machen in der Schweiz weniger als 5% des Aktienmarktes aus, mit der Folge erheblicher Performanceeinbussen durch den «Home Bias».
Die Grenzen des Heimvorteils
Ein «Home Bias» kann für Schweizer Anlegerinnen und Anleger sowohl psychologisch als auch praktisch sinnvoll erscheinen. Trotz Vorteilen wie der Vermeidung von Währungsrisiken und vermeintlichen Informationsvorsprung, führt diese Strategie zu erheblichen Opportunitätskosten und einer suboptimalen Risikostreuung. Eine stärkere globale Diversifikation kann das Risiko minimieren und die Rendite erhöhen.
Das folgende Beispiel verdeutlicht dies: Ein Portfolio, das nur aus dem SMI besteht, hätte von 2005 bis heute eine durchschnittliche annualisierte Rendite von 3.9% realisiert, bei einer Volatilität von 17.8%. Hingegen wäre ein Portfolio, das je zur Hälfte den SMI und den S&P 500 hält, im gleichen Zeitraum im Durchschnitt jährlich um 5.8% gewachsen, bei einer fast identischen Volatilität von 18.1%.
Der Unterschied mag für ein Jahr gering erscheinen, doch über einen Anlagehorizont von 21 Jahren erreicht man mit dem gemischten Portfolio ein doppelt so hohes Anlageergebnis.
Rendite-/Risikoverhältnis aktiv steuern
Eine zu hohe Gewichtung von Schweizer Aktien verhindert die Teilnahme an den Wachstumschancen dynamischerer Sektoren und Regionen, während das Risiko aufgrund mangelnder Diversifikation steigt. Um das volle Potenzial bei einer aktiven Risikosteuerung optimal auszuschöpfen, sollten Anlegerinnen und Anleger ihre Portfolios breit aufstellen und die Vorteile internationaler Märkte nutzen.
Ein breit und bestmöglich diversifiziertes Portfolio verbessert nicht nur das Rendite-Risikoprofil, sondern ist auch widerstandsfähiger gegenüber Marktschwankungen. Das stärkt die Stabilität und erhöht langfristig den Anlageerfolg und damit letztlich die Wahrscheinlichkeit, das gewünschte finanzielle Ziel mit dem Wertschriftenportfolio zu erreichen.