Ostschweiz

Taxpunktwertanpassung: Schritt in die richtige Richtung

Taxpunktwertanpassung: Schritt in die richtige Richtung
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Nach einem fünfjährigen, vertragslosen Zustand setzen die Ostschweizer Kantonsregierungen den Taxpunktwert für freipraktizierende Ärzte rückwirkend auf den 1.1.2021 von 83 auf neu 86 Rappen fest. Diese Erhöhung bewerten die kantonalen Ärztegesellschaften (AI/AR, GL, GR, SH, SG, TG) als Schritt in die richtige Richtung. Zumal in zahlreichen anderen Kantonen sowie in hiesigen Spitälern für gleiche medizinische Tätigkeiten bedeutend höhere Abgeltungen entrichtet werden. 

Text: pd

Seit dem 1. Januar 2019 arbeiten die selbständig tätigen Praxisärzte in den Ostschweizer Kantonen Appenzell Inner- und Ausserrhoden, Glarus, Graubünden, Schaffhausen, St.Gallen und Thurgau in einem quasi vertragslosen Zustand. Dies, weil sie 2018 die regionalen Vertragsanhänge zum Ärztetarif Tarmed wegen zu tiefer kantonaler Taxpunktwerte sowie wegen einer dauerhaften Schlechterstellung gegenüber ihren Kollegen in zahlreichen anderen Kantonen gekündigt hatten.

Vertragsloser Zustand

Die damalige Kündigung der Vertragsanhänge, die im Auftrag ihrer Mitglieder erfolgt war, enthielt den Wunsch, mit den Versicherern in den nächsten Monaten faire und realistische Taxpunktwerte auszuhandeln. Ein Teil der Versicherer reagierte darauf mit einer Kündigung aller Verträge, weshalb seit 2019 eigentlich keine vertragliche Grundlage zwischen der praxisambulanten Ärzteschaft und den Versicherern respektive den Krankenkassen mehr bestand.

Die praxisambulante medizinische Versorgung beruhte auf einer provisorischen Weiterführung der ehemaligen Verträge mit demselben Taxpunktwert, der von den Regierungen verfügt worden war.

Anpassung des Taxpunktwertes

Seit der Einführung des Ärztetarifs Tarmed im Jahre 2004 erhielten die Ostschweizer Ärzte für gleiche medizinische Leistungen Jahr für Jahr bedeutend tiefere Abgeltungen als anderswo. Die zu verrechnenden 83 Rappen, die in den sieben Ostschweizer Kantonen seit 2014 gelten (vorher galten 82 Rappen), sind am unteren Ende aller kantonalen Taxpunktwerte sowie, je nach Vergleichskanton (bspw. dem Kanton Jura), um bis zu 15 % tiefer.

Dieser für die Rechnungsstellung relevante Multiplikator zum Tarmed-Tarif hätte ursprünglich schweizweit mit einem Franken festgesetzt werden sollen. Eine massgebliche Erhöhung dieses kantonalen Wertes fand, trotz allgemeiner Teuerung und beträchtlicher Kostensteigerungen bei Personal und Infrastruktur, bis heute nicht statt.

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Moderate Taxpunktwerterhöhung

Heute verkündeten die Ostschweizer Kantonsregierungen nun, dass sie nach einem mehrjährigen Festsetzungsverfahren, unter Berücksichtigung aller Eingaben der Ärzteschaft und der Versicherer, einen neuen Taxpunktwert für die ambulante Praxistätigkeit der Ärzte in ihren Kantonen in der Höhe von 86 Rappen rückwirkend ab 1.1.2021 vorsehen würden.

Schritt in die richtige Richtung

Die Ostschweizer Ärztegesellschaften werten diese Entscheidung als Schritt in die richtige Richtung. Allerdings deckt die vorgesehene Anpassung nicht einmal die allgemeine Kostensteigerung der letzten Jahre und erfüllt bei Weitem nicht die Forderung nach einer schweizweit gleichen «Entlöhnung für gleiche Arbeit».

Die angestrebte Parität zu spitalambulanten Taxpunktwerten in der Region für gleiche medizinische Tätigkeiten wird ebenfalls nicht erreicht. Haben doch beispielsweise die Bünder Spitäler jüngst einen ambulanten Tarif von 90 Rappen zugesprochen bekommen. Die Ostschweizer Regierungen scheinen nun aber die einhellige Erkenntnis gewonnen zu haben, dass der zu tiefe, praxisambulante Taxpunktwert rückwirkend ab 1.1.2021 zumindest von 83 auf 86 Rappen anzupassen sei.

Anfechtung seitens der Versicherer?

Die kantonalen Ärztegesellschaften werden die heute verlautbarte Taxpunktwert-Festsetzung und ihre Begründung in den nächsten Tagen vertieft prüfen und beraten. Gleiches gilt wohl auch für die Versicherer. Sollten diese, wie im Kanton Zürich, diese Taxpunktwert-Korrektur anfechten, dürfte das mittlerweile fünf Jahre dauernde Verfahren nochmals um Jahre verlängert werden und letztlich wohl von den Gerichten entschieden werden.

Prekäre Versorgungslange

Ein solches Vorgehen wäre für angehende Ärzte ein klares Signal, sich – trotz der Möglichkeit eines Medical Masters an der Universität St.Gallen – nicht in den sieben Ostschweizer Kantonen niederzulassen und dort zu praktizieren. Die heute schon prekäre Versorgungslage im ambulanten Bereich, insbesondere bei den Hausärzten, würde sich in allen Ostschweizer Kantonen weiter verschärfen.

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Vernunft walten lassen

Die Präsidenten der kantonalen Ärztegesellschaften hoffen deshalb, dass die Versicherungen Vernunft walten lassen und diese moderate, kaum prämienrelevante Anpassung nach Jahrzehnten des Stillstands nicht weiterbekämpfen. Sie würden ihren Versicherten einen verantwortungslosen «Bärendienst» erweisen und die im Krankenversicherungsgesetz (KVG) vorgesehene Tarifpartnerschaft massiv strapazieren.

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