Standort, Strategie, Stabsübergabe – das Motto des Rheintaler Wirtschaftsforums
Text: Gerhard Huber
Tagungsleiter Reinhard Frei hatte für das voraussichtlich letzte unter seiner Ägide stattgefundene Rheintaler Wirtschaftsforum wieder ein gutes Händchen bei der Auswahl der Referenten bewiesen.
Erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer berichteten aus der Praxis. Und mit Bundesrat Guy Parmelin sprach ein Polit-Kapazunder. Die Referenten sprachen zum heurigen Thema des Wirtschaftsforums «Standort, Strategie und Stabsübergabe» und gaben dabei wertvolle Inputs für die Zukunftssicherung von Unternehmen.
Austausch, Impulse und gemeinsame Visionen
Ohne Sponsoren und Unterstützer wäre ein derartiger Grossanlass wie das Rheintaler Wirtschaftsforum nicht durchführbar, wie auch Roland Günther von Abacus Research AG als Vertreter der Hauptsponsoren bekannte. Drei Jahrzehnte Wifo stehe für Austausch, Impulse und gemeinsame Visionen.
Abacus selbst habe in der Verwurzelung in der Ostschweiz immer Chancen gesehen. «Hier gibt es hochqualifizierte Fachkräfte und junge Talente, die hier ausgebildet, werden hier leben und hierbleiben.» Der Standort präge auch die Kultur eines Unternehmens, was unbezahlbar sei.
«Genauso wichtig ist die Strategie, denn eine Firma ohne Strategie ist wie ein Wanderer ohne Wanderkarte.» Und natürlich ist eine gut geplante und rechtzeitig durchgeführte Stabsübergabe wichtig. «Wir bei Abacus haben uns früh damit befasst.»
Die Grüsse der Kantonsregierung überbrachte in diesem Jahr die aktuelle Regierungspräsidentin Susanne Hartmann. «Heute befinden wir uns im Umbruch. Wirtschaftlich und geopolitisch. Aber die gute Nachricht: 79 Prozent beurteilen die Zukunft in der Schweiz als positiv.» Wobei dies allerdings die tiefsten Zahlen seit Messbeginn seien. «Was wir tun müssen: in den Wirtschaftsstandort investieren.» Wie zum Beispiel in die Errichtung eines Reinraums in Buchs.
Wichtige Voraussetzung dafür, dass Hersteller von Präzisionsinstrumenten hierbleiben. «Deshalb wurde für diesen Reinraum vom Kanton St.Gallen ein Sonderkredit von rund 22 Mio. Franken gewährt. Wir stärken damit das Rheintal als Standort.» Susanne Hartmann sprach auch über die Gewinnung von regenerativer Energie aus Windkraft. «Ich zähle darauf, dass die Bevölkerung sieht, dass die Vor- die Nachteile überwiegen.» Und sie endete mit einem Bonmot, das Abraham Lincoln zugesprochen wird: «Die beste Art die Zukunft vorherszusagen, ist, sie selber zu gestalten».
Preis der Rheintaler Wirtschaft
Alljährlich wird auf dem Wirtschaftsforum auch bekanntgegeben, welches Rheintaler Unternehmen mit dem «Preis der Rheintaler Wirtschaft» ausgezeichnet wird. Dieses Jahr durfte AGV- und Jury-Präsident Klaus Brammertz diesen Ehrentitel an die Leica Geosystems, vertreten durch CEO Thomas Harring in Heerbrugg verleihen. Einen ausführlichen Bericht finden Sie hier.
In seinem Vortrag zum Thema «Standort Schweiz - wie halten wir unseren Wirtschaftsstandort attraktiv?» gab Bundesrat Guy Parmelin, der dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung vorsteht, Einblicke in die in Bern unter diesem Aspekt diskutierten Massnahmen. «Die Halle ist ausverkauft. Sicher nicht nur wegen mir. Aber ein bisschen vielleicht schon und das freut mich sehr.» Seine zehn Jahre im Bundesrat seien nur eine Aufwärmphase gewesen, relativierte Parmelin die aufgekommenen Rücktrittsgerüchte. Im Rheintal fühle er sich als Winzer, «wie im Kreise meiner Familie.»
Weltweite Dynamik
«Aber zurück zum Thema. Wie können wir Wirtschaftsstandort Schweiz attraktiv machen und halten? Wir haben in den letzten Jahren viele Krisen durchgestanden: Gesundheits- und Energiekrise und Ukraine-Krieg.» Es habe sich eine weltweite Dynamik mit erheblichen Auswirkungen auf die Wirtschaft entfaltet.
Mit Tendenz zur Blockbildung, was es kleineren Staaten wie der Schweiz schwermache. «Die internationale Ordnung ist schwer erschüttert. Deutschland und Frankreich zeigen instabile Seiten. Österreich und Belgien haben noch keine Koalition bilden können. Auch in Übersee in Kanada und USA bekommen wir einen Vorgeschmack auf das, was kommen mag. Heikle Entscheidungen für die Schweiz stehen bevor.»
Umso wichtiger und wertvoller sei daher die Wissenschaft und die universitäre Ausbildung in der Schweiz. Damit werde Innovation aufrecht erhalten. Entsprechende Zusammenarbeits- und Absichtserklärungen mit zahlreichen Staaten wurden in letzter Zeit unterzeichnet. Gemeinsame Forschungsprojekt seien die Folge und auch die Stärkung der eigenen wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit. Man müsse unbedingt Eigenverantwortung und Unternehmertum stärken.
Wichtig für die Schweiz sei ihre Neutralität. Denn je mehr Krisen es gebe, umso mehr Mediatoren würden benötigt. Und dann kam Parmelin auf seine ihm unterstellten angeblichen Rücktrittsabsichten zurück: «Bis 2029 ist mein diplomatischer Pass gültig. Ich werde mich noch einige Jahre in die Politik einbringen. Und merken Sie sich: Erfolg ist probieren im Quadrat geteilt durch Scheitern.»
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Wandel am Bau vorantreiben
Jahangir Doongaji, CEO der erfolgreichen Hilti Gruppe, erörterte verschiedene Aspekte der Zukunftssicherung am Beispiel seines Unternehmens. Sein Unternehmen ist in 120 Ländern tätig und beschäftigt über 30´000 Arbeitnehmer. Das Portfolio reiche om bekannten Bohrhammer über Verbrauchsmaterial zu Heimwerkerprodukten. «Wir wollen den Wandel im Bau vorantreiben. Unsere Unternehmensstrategie Lead 2030 hat das Ziel, langfristig die Firma zu stärken.»
15 Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes würden im Bau erarbeitet. Dieser stehe vor grossen Herausforderungen. Der Fachkräftemangel sei sehr stark, der Bau verfüge über eine niedrige Produktivität, es gebe auf Baustellen Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit. Noch dazu ist der Bausektor der grösste Produzent von CO2-Emissionen.
«Aber der Bau wandelt sich. Die Abläufe werden laufend effizienter und der Bau produktiver. Arbeitssicherheit und Nachhaltigkeit nehmen einen immer grösseren Stellenwert ein. Wir bei Hilti treiben diesen Wandel voran durch Innovation, direkten Kundenkontakt und eine vertrauenswürdige Marke. Wir wollen bester Partner für Produktivität, Sicherheit und Nachhaltigkeit sein. Wir betreiben Zukunftssicherung durch kontinuierliche Anpassung unserer Produkte und Prozesse. Nächster logischer Schritt dabei ist die von uns entwickelte Bausoftware. Und sieben Prozent des Umsatzes werden jährlich in die Hardwareentwicklung gesteckt. Wichtig für jedes Unternehmen: eine klare Strategie, starke Kultur und Team sowie eine stabile Eigentümerschaft.»
Resilienter und robuster
Franziska Tschudi Sauber (Verwaltungsratspräsidentin Weidmann Holding AG), Jahangir Doongaji und Alfred Felder (CEO Zumtobel Group AG) diskutierten in ihrer Talkrunde mit Moderatorin Sonja Hasler über das Thema «Unternehmensstrategie - wie wir unsere Zukunft sichern.»
Alfred Felder: «Die Märkte in Deutschland, Frankreich und Österreich machen uns schon Sorgen. Es zählt sich immer aus, in Innovation zu investieren.» Über die Frage von Moderatorin Sonja Hasler, wie man stratgeisch ein Unternehmen resilienter und robuster mache, verwies Jahangir Doongaji auf ein Erlebnis mit seinem Sohn: «Das ist wie bei einem Videospiel, man muss ganz einfach ungeheuer schnell auf Veränderungen reagieren. So kann man Optionen schaffen. Und die Flexibilität, um schnell zu reagieren.
Franziska Tschudi warnte davor, dass Flexibilität auch Geld koste. «Zelte sollte man haben, aber nicht Paläste. Man muss daher im Vorhinein ein Kriegskässeli füllen. So hat uns der russische Angriffskrieg in der Ukraine gezwungen, blitzartig neue Werke, etwa in der Türkei aufzubauen.»
Unternehmen suchen Nachfolger
Pro Jahr suchen 12000 Unternehmen einen Nachfolger für die abtretende Generation. Über die «Stabsübergabe - den Wechsel von einer Generation zur nächsten» diskutierten nach der Tagungspause Antje von Dewitz (Inhaberin und CEO Vaude Sport GmbH&Co KG) und Diana Gutjahr (Verwaltungsratspräsidentin und Mitinhaberin der Ernst Fischer AG), die beide das Geschäft ihrer Eltern übernommen haben, mit Sonja Hasler über die Vorteile und Probleme der Unternehmensübernahe durch Familienmitglieder.
Von Dewitz erzählte, dass sie systemkritisch aufgewachsen sei und sich mehr bei Greenpeace gefühlt habe, als im Unternehmertum. Sie absolvierte dann mehrere Praktikumsstellen, zuletzt im elterlichen Unternehmen. Und da habe sie ihre Berufung gefunden. Diana Gutjahr wollte schon als kleines Kind mit ihrem Vater Baustellen besuchen.
«Stahl und Metall sind nicht so eine Frauendomäne». So sei es für ihren Vater zunächst nie ein Thema gewesen, dass das in dieser Branche tätige Unternehmen in der Familie verbleibt. «Er hat dabei zunächst nicht an mich gedacht. Als ihm klar wurden, dass ich eintreten will, hat Vater dann aber Verkaufsgespräche gestoppt.»
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Stärke und Schwäche
Beide Unternehmerinnen mussten in ihre Rollen hineinwachsen. Gutjahr, inzwischen Nationalrätin, führt ihr Unternehmen zusammen mit ihrem Mann. Antje von Dewitz erläuterte, dass es zugleich Stärke und Schwäche von Familienunternehmen sei, dass sie emotional geführt werden. Mit ihrem Einstieg hätten Vater und Tochter viele verschiedene Rollen gehabt, es dauerte, bis die Aufgaben getrennt waren. Sie habe dann eine Riesentransformation eingeleitet. Mit nachhaltign Materialien und nachvollziehbaren Lieferketten.
Das widersprach dem Credo des Vaters: «alles muss schnell gehen». Er habe sich aber zurückgehalten. Keine Übergabe könne letztlich konfliktfrei verlaufen. «Da kann man sich auch professionell begleiten lassen.»
Diana Gutjahr: Wichtig sei jedenfalls, dass man sich bereits frühzeitig Gedanken über die Nachfolge macht. «Politik ist schön, aber nicht mein Leben» antwortet Gutjahr auf die Frage, ob sie sich eines Tages im Bundesrat sehe. Aber die Frauen in Führungspositionen müssten sich sichtbarer machen und besser untereinander netzwerken. Dann würden vielleicht auch mehr Frauen in Führungspositionen aufsteigen. Das Schlusswort gehörte Antje von Dewitz: «Ich liebe es, Unternehmerin zu sein.
Widnau ist das Davos des Rheintals
Zum Abschluss des umfangreichen Tagungsprogramms gab es noch eine humoristisch-satirische Komponente. Der als Kabarettist und TV-Star landesweit bekannte Dominic Deville - laut, wild und makaber. Und er bot Sonja Hasler ob ihrer perfekten Moderation des Nachmittags sofort eine Late-Night-Show an. «Widnau ist das Davos des Rheintals. Weniger Schnee, aber mehr Charme. Das Wifo mit seinen dreissig Jahren ist dynamisch, energetischer und tougher als das WEF in Davos. Keine goldener Saal, sondern eine Dreifach-Turnhalle.»
Zu guter Letzt hielt Tagungsleiter Reinhard Frei die Rede zur Verabschiedung der Besucher. Wohl ein letztes Mal. Weshalb Karl Stadler, langjähriger Arbeitgeberpräsident im Rheintal und bereits beim ersten Wifo vor dreissig Jahren dabei, anschliesslich eine liebenswerte Laudatio auf Reini Frei hielt, in der er an das Zustandekommen des ersten Wifo erinnerte. «Das Wirtschaftsforum Rheintal wurde eine starke Marke, die weit über das Rheintal hinaus seine Strahlkraft entwickelte.»