Leben retten durch Evakuierung: Forschungsergebnisse aus der Ukraine
Text: HSG
Jedes Jahr sterben viel zu viele Menschen in bewaffneten Konflikten. Um Todesfälle zu vermeiden, müssen Zivilisten rechtzeitig aus den Risikogebieten in sichere Zonen gehen oder gebracht werden. Viele Menschen weigern sich lange, während eines bewaffneten Konflikts Gefahrengebiete zu verlassen. Wie können Zivilisten ermutigt werden, ihr Leben durch rechtzeitige Evakuierung zu retten?
Es gibt zwar zahlreiche Untersuchungen über Evakuierungen bei Naturkatastrophen, aber keine nennenswerten Studien, die sich mit Kriegsgebieten befassen. Forscher der Universität St.Gallen (HSG) und von Partneruniversitäten erhoben im Juli 2022 Survey-Daten aus ukrainischen Gebieten, die von der russischen Invasion betroffen waren und werteten diese aus.
Mit diesen neuen Quellen konnte das Forschungsteam erstmals die Effektivität von Evakuierungskurznachrichten während eines anhaltenden bewaffneten Konflikts evaluieren. Die Daten geben den politischen Entscheidungsträgern Einblick in die Wirksamkeit der Nachrichtenübermittlung.
«Eine wirksamere Kommunikation kann Leben retten. Sie kann überall zum Einsatz kommen und sofort angewendet werden: in der Ukraine und in den mehr als 50 bewaffneten Konflikten, die weltweit stattfinden», fasst HSG-Forscher Matthias Weber die Quintessenz der Analyse zusammen.
Präzise Evakuierungsbotschaften senden
Erster Befund: Die Daten zeigen, dass die Bereitstellung eines detaillierten Plans über die Einzelheiten der Evakuierung, zum Beispiel Zeit und Ort der Abfahrt der Busse und Informationen zur Reservierung eines Sitzplatzes im Bus, die grösste Wirkung auf die Mobilisierung der Bürger zum Verlassen eines bedrohten Gebiets zu haben scheint. Regierungsorganisationen oder NGOs sollten sich auf diesen Aspekt der Evakuierungsbotschaft konzentrieren, um Zivilist:innen wirksam zu erreichen.
Zweiter Befund: Die Übermittlung von Informationen über den Evakuierungsplan wirkt sich auf die Bürger insgesamt positiv aus, hat jedoch auf Frauen eine grössere Wirkung als auf Männer. Dritter Befund: Die Formulierung der Botschaft selbst, zum Beispiel die Konzentration auf die voraussichtlichen Gefahren für Leben und Gesundheit im Falle des Verbleibs oder auf die Verbesserung der Situation für die verteidigenden Soldaten im Falle einer Evakuierung, hat nur geringe Auswirkungen.
Fazit: Menschen in Notsituationen brauchen verlässliche Informationen darüber, wie sie evakuiert werden können. Kommunikationsstrategien zur Evakuierung sollten sich daher auf die Vermittlung dieser Informationen konzentrieren.
Die Studie ist hier zu finden (auf Englisch).