«Klimaerwärmung hat deutlich zugenommen»
Text: Michael Breu
Immer mehr Firmen stellen ihre Leistungen im Bereich Nachhaltigkeit ins Zentrum der Unternehmenskommunikation. Clemens Mader, Sie sind Dozent für Wirkungsanalyse, Technikfolgenabschätzung und Nachhaltigkeit am Kompetenzzentrum für Wissenstransfer (WTT) der OST. Wie geht man vor, damit aus einer Wirkungsanalyse ein echtes Engagement wird und nicht Greenwashing?
Idealerweise wird eine Wirkungsanalyse nicht nur als Bericht im Rückblick erstellt um damit positive Unternehmenskommunikation als Ziel zu betreiben. Vielmehr wäre es zielführend in einem beteiligenden Prozess aktuelle Wirkungsfelder zu untersuchen, gewünschte Wirkungsziele des Unternehmens zu beschreiben und darauf aufbauend Massnahmen zur Umsetzung der Ziele entlang qualitativer und quantitativer Messgrössen zu definieren. Auf diesen Weg wird für das Unternehmen Klarheit geschaffen, welche Wirkungsziele wie erreicht werden und welche nicht. Es wird leichter, systemisches Engagement des Unternehmens zu befördern, das auch nachhaltig wirkt, und man vermeidet sich selbst und die Öffentlichkeit durch Schönfärberei zu täuschen.
Was muss ein kleines oder mittelgrosses Unternehmen beachten, wenn es eine Wirkungsanalyse in Angriff nimmt
Erstens: Es gibt keine Mindest- oder Maximalgrösse, ab der eine Wirkungsanalyse möglich oder sinnvoll ist. Mit der Grösse des Unternehmens steigt eher die Komplexität der systemischen Betrachtung der Wirkungsweise. Zweitens: Der Prozess der Analyse kann extern unterstützt werden. Der Bericht, der daraus entsteht, ist aber nur ein kleiner Teil jener Prozesse, die in der Reflexion und Beteiligung innerhalb des Unternehmens entstehen. Das Unternehmen sollte somit sicherstellen, dass die benötigten Ressourcen für die Analyse frei gemacht werden können. Und drittens: Der aktive Einbezug von Schlüsselakteuren und deren Expertise ist wesentlich, um die Wirksamkeit des Unternehmens zu erkennen und Engagement für die Massnahmen zu Erreichung zukünftiger Ziele zu befördern.
Mit dem Geschäftsjahr 2023 kommen neue «Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten» zur Anwendung; sie haben ihren Ursprung im indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative. Was kommt hier auf die Ostschweizer Unternehmen zu, mit was müssen sie rechnen?
Die neuen Regelungen über die Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten traten bereits im vergangenen Jahr in Kraft. 2023 ist nun jenes Jahr über das Unternehmen berichten müssen. Dies betrifft nichtfinanzielle Belange in den Bereichen Umwelt, Soziales und Arbeitnehmer, Achtung der Menschenrechte sowie Korruptionsbekämpfung. Ausnahmen gelten jedoch in der Verpflichtung für KMUs. Deshalb mag es für sie vielleicht irrelevant erscheinen. Doch geht es aus meiner Sicht nicht nur um die rechtliche Lage, sondern besonders das gesellschaftliche Bedürfnis, das hinter dieser Regelung steht, nämlich dass Unternehmen ihre nicht finanziellen Wirkungsweisen selbst reflektieren, darüber berichten und möglichst aktiv nachhaltig gestalten.
Europa geht in diesem Bereich weiter, Ende Februar 2022 hat die EU wie erwartet einen Vorschlag für ein EU-weites Konzernverantwortungsgesetz präsentiert. Welche Auswirkungen hat dieses Gesetz für die Unternehmen hier in der DACH-Region?
Die Schweiz richtet sich als Exportland in diesen Belangen stark nach den Regelungen der EU. Schliesslich gelten diese Regelungen auch für jene Unternehmen, die in der EU ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten möchten. Mit der EU-Taxonomie hat die EU ein System eingeführt, das über die nächsten Jahre stufenweise die Anforderungen der Berichterstattung erhöht. Die Unternehmen müssen darlegen, dass sie aktiv zum Erreichen von sechs globalen Zielen beitragen. Aktuell werden bereits Kennzahlen zu Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel eingefordert. In weitere Folge kommen u. a. Ziele zum Erreichen der Kreislaufwirtschaft, Erhalt der Biodiversität, sowie Schutz von Gewässern und Meeresressourcen hinzu.
Clemens Mader, die Klimaerwärmung hat seit der Industrialisierung um 1,2 Grad zugenommen, in den letzten Jahren nochmals um mindestens 0,3 Grad. Sie beschäftigen sich seit über 20 Jahren mit Prozessen der Analyse und Bewertung von Nachhaltigkeit sowie der Abschätzung von technologischen Chancen und Risiken. Kommen wir da nicht etwas spät mit Wirkungsanalyse – müssten wir nicht schon längst handeln?
Ja, klar ist es bereits spät. Wie Sie selbst sagen, die Klimaerwärmung hat bereits deutlich zugenommen und ist für uns heute deutlich spürbar. Ein weiter wie bisher gibt es nicht, aber ich denke, das ist für eine fortschrittsorientierte Unternehmenslandschaft ohnehin keine Option. Die Chance liegt daher darin, die aktive Gestaltung für eine nachhaltige Unternehmenswirkung als Zukunftspfad zu sehen.
Ihre Prognose für die Zukunft?
Keine Prognose, aber ich sehe bei den Studenten unglaublich viel Enthusiasmus und Gestaltungswillen. Bei den Studenten und den Unternehmen der Region liegt auch die Zukunft. An der OST haben Unternehmen die Möglichkeit, im Rahmen von Praxisprojekten, gemeinsam mit Studenten, aber auch mit Unterstützung von Dozenten, Nachhaltigkeit im Kontext von Managementkonzepten, Wirkungs- und Marktanalysen zu gestalten.