Gast-Kommentar

Generationen

Generationen
Louis Grosjean
Lesezeit: 3 Minuten

Familienunternehmen prägen unsere Wirtschaft. Sie haben etwas Schützendes, Langfristiges für sich. Die Gefahr dabei: Über Generationen hinweg droht die Dekadenz. Gegenmassnahmen lohnen sich, damit das Lebenswerk nicht daran zugrunde geht, ist Louis Grosjean in unserer Serie «LEADER-Philosophie» überzeugt.

Text: Louis Grosjean, Partner altrimo

Das Leben von Familienunternehmen gleicht einer sinusoïdalen Kurve: Es geht rauf und runter. In welchem Rhythmus die Tendenz umschlägt, hängt von der Familie ab. Eine nicht wissenschaftliche, aber oft zitierte Beschreibung dieses Phänomens ist die «Drei-Generationen-Regel».

Drei Generationen für einen Zyklus

Sie geht so: Die erste Generation hat es schwierig. Sie gründet, muss verzichten, arbeitet viel und baut das Unternehmen auf. Mit grossem Glück und Zufriedenheit über das Erreichte gibt sie ihr Lebenswerk an die zweite Generation. Diese hat die Eltern gesehen, wie sie hart gearbeitet haben. Ferien gab es nicht viele. Zeit für die Kinder auch nicht. Das hinterlässt eine Frustration.

Die zweite Generation will daher weniger arbeiten und ein ausgeglichenes Leben. Arbeitsam ist sie aber schon: Denn die Werte, die ihr von den Eltern weitergegeben wurden, enthalten diese Tugend noch. Die zweite Generation führt das Lebenswerk der ersten weiter – im Status quo und im Wohlstand.

Die dritte Generation wächst in diesem Rahmen auf. Schöne Ferien, gutes Leben, viel Zuwendung – alles wunderbar. Warum die Eltern sich die Arbeit im Unternehmen antun, versteht die dritte Generation nicht mehr: Die schwierige Zeit der ersten Generation hat sie nicht erlebt. Und auf jeden Fall will sie ihren eigenen Weg gehen.

Die Familie ist auf der obersten Ebene der Maslow-Pyramide angekommen: Selbstverwirklichung ist das oberste Bedürfnis. Ein Kind studiert Kunstgeschichte, das zweite macht eine branchenfremde Lehre und das dritte bummelt in der Welt herum. Am Betrieb hat keiner Interesse. Er wird verkauft.

Oder, wenn er in den Händen der Familie bleibt: Die dritte Generation macht verlängerte Wochenenden, viel Ferien und zeigt wenig Engagement, wenn es im Betrieb brenzlig wird. Die Qualität lässt nach, die Kosten schiessen in die Höhe, und das Unternehmen ist nicht mehr konkurrenzfähig.

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Der Untergang der Buddenbrooks

Das Phänomen ist nicht neu. Thomas Mann hat dies eindrücklich in den «Buddenbrooks» (Untertitel: Verfall einer Familie) beschrieben. In einer norddeutschen Familie blüht eine Getreidefirma auf, bis Spekulation, Selbstbemitleidung, frivole Lebensentwürfe und weitere Erscheinungen das unternehmerische Erbe nach und nach in Luft auflösen.

Neben diesem literarischen Beispiel hat vermutlich jeder Leser ein paar Exemplare der «goldigen Jugend» im Kopf, die das elterliche Erbe genüsslich verprassen – keine sehr sympathische Erscheinung. Wenn in diesem Erbe Aktien einer Firma sind, zu deren Untergang unqualifizierte Nachkommen tunlichst beitragen, hat dies zudem noch soziale Schäden zur Folge. Unter ihrer ungenügenden Führung steuert die Firma in den Abgrund. Das ist kaum erstrebenswert.

Die Frage ist, was man dagegen tun kann. Es gibt mindestens drei Ansätze

Alternieren von Strategien:
Jeder Generation ihr Ziel. Nicht einfach unendliches, lineares, quantitatives Wachstum anstreben: Dies führt zu Ermüdungserscheinungen sowie zum langfristig schädlichen, übermässigen Wohlstand. Eher erstrebenswert ist ein Alternieren von quantitativem und qualitativem Wachstum – mit allfälliger Zellteilung zur Wiedererlangung einer überschaubaren Grösse, oder gar einer Phase der Schrumpfung. In der Alternierung liegt der (sehr) langfristige Erfolg.

Werte:
Diese haben das Römische Reich und seine Tugenden immerhin einige Jahrhunderte aufrechterhalten. Werte sind wie ein Gerüst, das schwache Persönlichkeiten unterstützt und auf starke Persönlichkeiten fokussiert. Es lohnt sich allemal, Werte aktiv zu pflegen.

Erfahrungen:
Ausserhalb des Familienschutzschirmes wird eine Persönlichkeit in jungen Jahren geformt. Mit 20 in das Familienunternehmen als «der Sohn von» mit Aussicht auf sichere Verantwortungsübernahme einzusteigen, ist etwas vom Dümmsten, was man tun kann (Übrigens: Mir ist kein negatives Beispiel mit «Tochter von» bekannt). Die im Wohlstand aufgewachsene Generation muss erst Erfahrungen in tieferen Ebenen der Maslow-Pyramide sammeln. Die Faustregel lautet: Der nächsten Generation kalkulierte Schwierigkeiten bereiten, damit sie daran wächst.

Familienunternehmen sind etwas Schönes. Damit sie nicht zu goldigen Käfigen oder Dekadenzoasen werden, lohnt es sich, über den kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg hinaus nachzudenken.

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