Corona-Umfrage: «Nicht bis Ende März warten»
«Viele Branchen als auch die Bevölkerung leiden massiv», sagte Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes kürlich vor den Medien. Grund seien die Homeoffice-Pflicht, die Quarantäne und Isolationsbestimmungen als auch das 2G- bzw. 2G+-Regime, die der Bundesrat verlängert hat. Insbesondere sei die Zertifikatspflicht in der aktuellen Situation unverhältnismässig und verfassungswidrig, betonten die Verbände und bürgerlichen Parteivertreter geschlossen vor den Medien. Die Massnahmen sollen ihrer Ansicht nach per sofort aufgehoben werden.
Die Reaktionen auf diese Forderung fallen bei Ostschweizer Bundespolitikern, der IHK St.Gallen-Appenzell und dem Kantonalen Gewerbeverband St.Gallen unterschiedlich aus.
Felix Keller, Geschäftsführer Kantonaler Gewerbeverband St.Gallen
Felix Keller, sollen die Corona-Massnahmen sofort aufgehoben werden – wie beurteilen Sie das?
Der Kantonale Gewerbeverband St.Gallen (KGV) unterstützt die Forderung des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv. Die Gewerbler brauchen jetzt Perspektiven, wie die gesamte Bevölkerung auch. Es soll ein klarer Ausstiegsplan kommuniziert werden. Aus unserer Sicht wäre eine Lockerung raschmöglichst am geeignetsten. Sicherlich sind die bestehenden Massnahmen nicht bis Ende Februar – wie es der Bundesrat möchte – angezeigt.
Was spricht für Sie dafür?
Die Omikron-Welle wird – laut BAG – die Intensivstationen wohl nicht überlasten. Die Schweiz scheint die Kurve zu kriegen. Dieser Eindruck hat sich in den letzten Wochen verstärkt. Die Omikron-Variante des Virus ist zwar wie befürchtet enorm ansteckend. Aber die grosse Wucht der Omikron-Welle ist bis jetzt in den Spitälern nicht wirklich spürbar und führt aktuell zu keinen Engpässen.
Welche Massnahmen sollen am schnellsten aufgehoben werden – und wann spätestens?
Die Homeoffice-Pflicht soll sofort aufgehoben werden. Sie stellt viele Gewerbler vor eine unlösbare Hürde. Zahlreiche Berufe können nicht im Homeoffice ausgeführt werden. Die restlichen Massnahmen sind im Februar aufzuheben.
Markus Bänziger, Direktor IHK St.Gallen - Appenzell
Markus Bänziger, sollen die Corona-Massnahmen sofort aufgehoben werden, wie beurteilen Sie das?
Die Massnahmen sind sukzessive und parallel zur Entspannung der Situation in den Spitälern zurückzunehmen. Ein sofortiges Aufheben sämtlicher – auch leistbarer und wirtschaftlich vertretbarer – Schutzmassnahmen, beurteilt die IHK St.Gallen-Appenzell als zu forsch. Die verschiedenen Massnahmen sind aber zügig, und sehr überlegt zurückzufahren.
Was spricht für die IHK St.Gallen - Appenzell gegen eine sofortige Aufhebung aller Massnahmen?
- Die hohen Infektionsraten
- Das Virus ist für einzelne Personen nach wie vor nicht ungefährlich – die Spitalbelegungen sind noch hoch, auch wenn sich die Lage auf den Intensivstationen entspannt.
- Zudem könnte ein zu frühes Lockern kostspieliger werden, als die Massnahmen noch etwas länger aufrechtzuerhalten. Es ist auch im Interesse der Wirtschaft einen erneuten «Jo-Jo-Effekt» zu verhindern und die Pandemiebewältigung endlich ins Trockene zu bringen.
Wie lange sollen die bestehenden Massnahmen Ihrer Ansicht nach weitergeführt werden?
Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Massnahmen muss stets überprüft werden. Im Grundsatz gilt: Die Massnahmen sollen nur solange gelten, wie sie notwendig sind. Die vom Bundesrat beschlossene Verlängerung sämtlicher Massnahmen bis Ende März muss spätestens Mitte Februar neu beurteilt werden. Per Anfang Februar drängt sich die Aufhebung der Homeoffice-Pflicht auf. Die Maskenpflicht in Kombination mit der verschärften Zertifikatspflicht könnte per Ende Februar gelockert werden.
Verena Herzog, Nationalrätin SVP, TG
Verena Herzog, sollen die Corona-Massnahmen sofort aufgehoben werden – wie beurteilen Sie das?
Leute, die dies fordern, benehmen sich wie Kleinkinder, die den Fokus auf die Gefahr verloren haben. Sie rennen auf den letzten Metern vor dem Ziel auf die Strasse, unbesehen davon, ob ein Fahrzeug naht oder nicht, nur weil sie sofort auf die andere Strassenseite wollen. Der richtige Zeitpunkt zur Überquerung wird vergessen, weil die Gefahren und Konsequenzen ausgeblendet werden.
Was spricht Ihrer Ansicht nach dagegen?
Ein langfristiger Fokus auf beständige Normalität ist gefragt. Es macht keinen Sinn, problemorientierte, kurzsichtige Eigeninteressen über die Fachbeurteilung zu stellen und erneute Wellen zu riskieren.
Welche Massnahmen sollen am schnellsten aufgehoben werden – und wann spätestens?
Die Homeoffice-Pflicht kann ab sofort abgeschafft werden. Die Quarantäneregelungen wurden richtigerweise vereinfacht. Wann welche Massnahmen aufgehoben werden können, bestimmt die epidemiologische Lage und nicht ein fixes Datum. Die Maskenpflicht im ÖV darf erst als letzte Massnahme fallen. Denn diese Massnahme ist einfach, kostengünstig und äusserst wirksam. Schauen wir auf die langfristige finanzielle Belastung durch das Gesundheitssystem ist die Auslastung der Spital- und Intensivbetten nur eines von mehreren sinnvollen Beurteilungskriterien für die Aufhebung der Massnahmen. Jährlich wiederkehrende zusätzliche Arbeitsausfalltage durch Covid-Infektionen und künftige Epidemien, die enormen volkswirtschaftlichen Schaden verursachen, sollten genauso vermieden werden.
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Andrea Caroni, Ständerat FDP, AR
Andrea Caroni, sollen die Corona-Massnahmen sofort aufgehoben werden – wie beurteilen Sie das?
Einzige Rechtfertigung von Corona-Massnahmen kann sein, die Überlastung der Spitäler und namentlich der IPS zu verhindern. Daher sind die Massnahmen aufzuheben, sobald und soweit genügend klar ist, dass diese Gefahr gebannt ist. Das könnte in wenigen Wochen der Fall sein wenn wir sehen, dass wir auch die grösste Omikronwelle gut überstehen. Mein Fazit: Man sollte zwar nicht sofort aufheben, aber auch nicht einfach bis Ende März zuwarten wie der Bundesrat.
Claudia Friedl, Nationalrätin SP, SG
Claudia Friedl, sollen die Corona-Massnahmen sofort aufgehoben werden – wie beurteilen Sie das?
Jetzt ist es noch zu früh. Es ist gut möglich, dass bei einem zu frühen Abbruch der Schutzmassnahmen, die bis jetzt ergriffenen Massnahmen umsonst gewesen wären. Das muss unbedingt vermieden werden. Das Virus ist noch unberechenbar. Die Impfung ist immer noch das beste Mittel um aus der Pandemie zu kommen.
Was spricht Ihrer Ansicht nach dagegen?
Die 5. Welle ist noch in vollem Gange. Jetzt die Massnahmen abzubrechen, wäre unverantwortlich und würde die Krise schlimmstenfalls noch verlängern. Trotz Ansteckungszahlen von rund 40'000 Personen pro Tag bleiben die Spitaleinweisungen relativ stabil. Das Personal in der Pflege ist weiterhin enorm gefordert. Die Auswirkungen von Long-Covid sind zudem noch weitgehend unbekannt und dürfen nicht unterschätzt werden.
Wie lange sollen die bestehenden Massnahmen Ihrer Ansicht nach weitergeführt werden?
Die Massnahmen müssen situationsangepasst sein. Ein konkretes Datum gibt es nicht. Die nächsten Wochen werden entscheidend sein. Die Meinung der Experten muss mitberücksichtigt werden. Immer noch haben wir Neuansteckungen von über 40'000 Personen pro Tag. Der Druck auf die Spitäler ist trotz der relativ stabilen Hospitalisierungen immer noch hoch und das Personal dementsprechend unter Druck. Ein wichtiger Aspekt aus der Krise ist das Impfen. Darauf muss man immer wieder hinweisen.
Welche Massnahmen sollen am schnellsten aufgehoben werden – und wann spätestens?
Sobald die Ansteckungszahlen sinken und die epidemiologische Lage es erlauben, können Lockerungen vorgenommen werden. Auf jeden Fall soll aber vermieden werden, der Bevölkerung Lockerungsperspektiven zu geben, die dann wieder zurückgenommen werden müssen. Als erstes sehe ich persönlich die Aufhebung der Homeoffice-Pflicht. Für viele Familien ist sie eine grosse Belastung.
Thomas Rechsteiner, Nationalrat, Die Mitte, AI
Thomas Rechsteiner, sollen die Corona-Massnahmen sofort aufgehoben werden – wie beurteilen Sie das?
Der Massstab für die bisherigen Einschränkungen wurde auf die Kapazitäten der Intensivstationen gelegt. Diese sind trotz enorm hohen Infektionszahlen nicht überbelegt und der Anteil der Covid Patienten abnehmend. Konsequenterweise müssen deshalb die Corona-Massnahmen aufgehoben werden. Dies muss die Aufhebung der besonderen Lage als auch den Wegfall sämtlicher Vorschriften i. Z. mit Corona im Inland beinhalten.
Was spricht für Sie dafür?
Die kritischen Infrastrukturen sind nicht überbelegt, die Krankheitsverläufe sind weniger stark und die Vorsicht (Hygiene, Abstand) ist bekannt und wird gelebt. Die Notwendigkeit für Zertifikate im internationalen Kontext kann freiwillig aufrecht erhalten bleiben.
Wie lange sollen die bestehenden Massnahmen Ihrer Ansicht nach weitergeführt werden?
Bis zur nächste Sitzung des Bundesrates. Dort sollte entschieden werden, die besondere Lage zu beenden und die Corona Massnahmen einzustellen.