Wirtschaft

Der Lottosechser

Der Lottosechser
Matthias Elmer, Roman Aepli
Lesezeit: 6 Minuten

Roman Aepli entwickelte die Aepli Metallbau AG (gegründet 1913) in dritter Generation während der letzten 30 Jahre zu einem der führenden Unternehmen der Fassaden- und Metallbaubranche der Schweiz. Der Unternehmer hat die operative Führung Anfang 2021 in jüngere Hände geben und konzentriert sich seither aufs Verwaltungsratspräsidium – und bis April 2023 auf die Realisierung des neuen Firmensitzes in der Sommerau. Im Interview skizzieren Aepli und CEO Matthias Elmer, wohin sich der Metall- und Fassadenbauer mit dem neuen Firmensitz entwickeln will.

Roman Aepli, die Unternehmensstruktur der Aepli Metallbau AG ist über die Jahre gewachsen; die Produktion war lange über drei Standorte verteilt. Seit drei Monaten sind diese im neuen Standort Sommerau konzentriert. Wie lange haben Sie die Idee eines Neubaus mit sich herumgetragen?
RA: Die Idee entstand 2015. Uns war schon damals bewusst, dass die Situation mit den Standorten Gossau, Winkeln und Oberbüren nicht über lange Zeit erfolgreich sein kann. Die Logistik mit vielen Materialumlagerungen und die aufwendige Kommunikation verschlangen viel zu viele Ressourcen.

Und wie lange dauerte es, bis die Idee zur Realität wurde?
RA: Ich hatte Anfang 2016 zum ersten Mal mit der Migros Kontakt, der Besitzerin des Sommerau-Grundstücks – und reservierte eine Parzelle über 40´000 m². Anschliessend begannen wir intern mit der Planung. Im Herbst 2018 kam mir dann die Idee, die ganzen 100´000 m² Industrieland in der Sommerau der Migros abzukaufen. Im Mai 2019 erfolgte schliesslich die Übertragung ins Grundbuch. Wir waren total happy, vergleichbar mit einem Lottosechser (lacht). Und wir haben das auch entsprechend gefeiert … 

Ein anderer Standort in der Schweiz oder gar eine Produktion im Ausland war nie ein Thema?
RA: Nein. Wir wollten unbedingt in Gossau oder Umgebung bleiben, wegen den vielen treuen Mitarbeitern aus der Region. Zumal der Standort direkt bei der Autobahn-Ein- und Ausfahrt perfekt ist. Eine Auslandsproduktion ist im High-End-Fassadenbereich schwierig, weil das Qualitätsniveau entscheidend ist. Da ist die Schweiz international top.

«Die Zickzack-Bürofassade hat unseren Technikern und Produktionsmitarbeiten alles abverlangt.»

Matthias Elmer, welche Prozessoptimierungen lässt der Neubau zu?
ME: Ein Neubau dieser Art und vor allem die Zentralisierung von diversen Standorten hat Einfluss auf sämtliche Kernprozesse einer Unternehmung. Die grössten Änderungen sind im Warenfluss und in der optimalen Aneinanderreihung sämtlicher Produktionsschritte spürbar. Dabei sind die zwei neuen Hochregallager für Profile und Bleche, die Automatisierungen in der CNC-Bearbeitung und der Blechfertigung, sowie die Zellenfertigung im Komponentenbau und die Flussfertigung im Elementbau entscheidend. 

Ich kann mir vorstellen, dass die neuen Produktionshallen auch einen Quantensprung bezüglich Automatisierung und Digitalisierung darstellen?
ME: Die Automatisierung und Digitalisierung einzelner Produktionsschritte beschäftigen uns bereits seit längerer Zeit. Selbstverständlich besteht bei einem Neubau die Möglichkeit, diesen kontinuierlichen Prozess in grossen Schritten voranzutreiben. Dabei haben wir Lösungen für einzelne Prozessschritte entwickelt, die optimal auf unsere Bedürfnisse abgestimmt sind. Diese Lösungen sind nicht ab Stange erhältlich. Mit internem Know-how sowie externer Unterstützung konnten wir für uns herausragende Konzepte entwickeln und diese in die neuen Prozesse implementieren.

Brauchen Sie überhaupt noch Handwerker, oder sind inzwischen auch bei Aepli eher IT-Fachleute gefragt?
ME: In unseren Kernprozessen im Fassadenbau ist das Handwerk weiterhin sehr gefragt. Wir produzieren für unsere Kunden technisch anspruchsvolle und architektonisch herausragende Konstruktionen. Es gibt dabei in den meisten Fällen keine 100 oder gar 1000 gleichbleibende Teile. Zudem führen wir innerhalb der Aepli Metallbau AG sämtliche Schritte der Wertschöpfungskette aus, welche die Entwicklung und Planung der Konstruktionen, die Produktion und die Montage auf der Baustelle umfasst. Hierfür benötigen wir in jedem Bereich gut ausgebildete Angestellte, die ihr Handwerk verstehen. Eine funktionierende IT unterstützt unsere Mitarbeiter dabei in den Prozessschritten und macht diese in der Abwicklung effizienter.

Und finden Sie jeweils genügend Fachpersonal?
ME: Die Situation am Arbeitsmarkt gestaltet sich je nach Position unterschiedlich. Wir haben uns zum Glück bereits vor langer Zeit gut im Arbeitsmarkt positioniert und uns dafür entschieden, langfristig in die Ausbildung von Fachpersonal zu investieren. Wir bilden dabei viele Metallbauer EFZ und EBA sowie Metallbaukonstrukteure EFZ aus. Doch dies allein reicht noch lange nicht aus: Eine gute Positionierung als Arbeitgeber, eine Stärkung des Handwerkes in Zusammenarbeit mit den Verbänden und der Politik, eine intensive Zusammenarbeit mit den Schulen und Ausbildungsstätten sowie eine proaktive Förderung der eigenen Leute sind dabei entscheidend.

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«Die grössten Änderungen sind im Warenfluss und in der optimalen Aneinanderreihung sämtlicher Produktionsschritte spürbar.»

Roman Aepli, der Neubau Sommerau teilt sich auf zwei Produktionshallen und ein Bürogebäude auf. Weshalb dieses Layout?
RA: Das ganze Kader hat in vielen Workshops das ideale Layout kreiert. Bei einer Planung von Produktionsabläufen sind die Prozesse entscheidend – und viel wichtiger als etwa die Fassaden. Wir haben das also zuerst in Angriff genommen, und als es definitiv war, haben wir die Gebäude wie eine «Schuhschachtel» darüber gestülpt. Unser Bürobau ist ein normaler Bürobau – vielleicht mit einer etwas spezielleren, schöneren Fassade als anderswo. 

Jetzt ist der Neubau nicht zuletzt auch eine Visitenkarte für das Aepli-Können. Wie schwierig – oder einfach – war es, Ihre Fassaden- und Metallbaukompetenz beim Neubau einzubringen?
RA: High-End-Fassadenbau ist bekanntlich unsere Kernkompetenz, was viele unserer Referenzbauten zeigen (z. B. der Square@HSG oder das Würth Haus Rorschach). Wir wollten natürlich ein Zeichen setzen – und ich denke, dies ist uns hervorragend gelungen. Jedenfalls bekomme ich viele Komplimente. Vor einigen Wochen habe ich beispielsweise von einer bekannten Gossauer Dame eine Lob-Karte privat nach Hause geschickt bekommen, was mich total gefreut hat. Und das in der heutigen Zeit, in der man praktisch nur noch Negatives liest, einfach fantastisch! Die Produktionsfassaden wollten wir sehr transparent und hell gestalten, wie eine gläserne Fabrik. Diese Fassade war nicht so kompliziert, trotz der 9 m hohen Fensterelemente und der grossen Oblichter. Die Zickzack-Bürofassade hat unseren Technikern und Produktionsmitarbeiten jedoch alles abverlangt. Wir haben alles 3D aufgezeichnet und entsprechend produziert und montiert. Unsere Leute haben das perfekt gelöst.

Es galt, Ästhetik, Funktionalität und Technik unter einen Hut zu bringen. Was hatte Vorrang?
RA: Die Reihenfolge ist klar: Funktionalität, Technik und dann Ästhetik. Wir haben alles optimal unter einen Hut gebracht. Besonders stolz bin ich auf die Bürofassade, da stimmt einfach alles: Sommer- und Winterwärmeschutz, Schallschutz, Licht usw. Bei dieser Fassade haben wir unser Top-Produkt «Aepli Air Control»-Fassadensystem eingesetzt. Im Sommer bleibt es im Inneren angenehm kühl, im Winter warm – und der Autobahnlärm bleibt immer draussen.

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Matthias Elmer, wie nachhaltig ist der neue Komplex, wie erzeugen Sie Strom, Wärme und Kälte?
ME: Beim Bau des neuen Gebäudes wurden hochwertige Materialien verwendet und dabei sämtliche normativen Anforderungen erfüllt oder gar übertroffen. Das Bürogebäude erfüllt den Minergie-P-Eco-Standard. Für die Stromerzeugung wurde auf der Halle A eine 6000-m2-Solaranlagen mit insgesamt 1200 kWp installiert. Im Oktober 2023 werden weitere 2000 m² mit 430 kWp auf der Halle B in Betrieb genommen. Ein Grossteil des produzierten Stromes wird selbst verwendet, der Rest ins Netz eingespeist. Ebenfalls kann mit dem Solarstrom direkt Stickstoff für die Laseranlage erzeugt werden. Zusätzlich sind 38 Erdsonden à 350 m installiert, die unser Wärmepumpensystem für Heizung und Kühlung speisen und eine Rückspeisung von Energie ermöglichen. Wir sind stolz auf dieses intelligente System!

Apropos nachhaltig: Wie nachhaltig sind Stahl, Eisen, Aluminium – die Materialien, mit denen Aepli hauptsächlich arbeitet?
ME: Sämtliche verwendeten Materialien für die Herstellung von Gütern benötigen graue Energie. In der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus schneiden Metalle dank ihrer Beständigkeit, ihrer langen Lebensdauer, der Recyclingfähigkeit sowie ihrer Wiederverwendbarkeit grundsätzlich gut ab. Unsere Produkte können nach dem Lebenszyklus zurückgebaut, sortiert und wieder in den Zyklus zurückgeführt werden. Derzeit bauen wir beispielsweise in Zürich eine Gebäudehülle mit Fensterelementen aus recycelten Aluminiumprofilen sowie einer Verkleidung aus Gussaluminiumplatten, die vom Bestandsgebäude demontiert, gereinigt, geschnitten und wieder neu montiert wurden. Ein sehr spannender Ansatz! Weiterentwicklungen dieser Art beschäftigen die Architektur und die gesamte Industrie bereits seit ein paar Jahren intensiv. 

Zum Schluss, um beim Thema zu bleiben: Immer wichtiger werden im Zuge der Energiewende auch Solarfassaden. Wie ist Aepli hier aufgestellt?
ME: Als Spezialist für Gebäudehüllen sind Solarfassaden Teil unseres täglichen Schaffens. Immer mehr werden opake Bauteile in der Fassade aktiviert und zur Stromerzeugung genutzt. Mit dem Coop-Hochhaus TH12 in Basel wurde bereits eine der grössten Solarfassaden in der Schweiz realisiert. Momentan sind weitere Projekte in der Bearbeitung, etwa das Projekt Eichhof West in Kriens. Aufgrund der Positionierung und Ausrichtung einer vertikalen Fassade erzeugt diese primär im Winterhalbjahr gute Erträge und steuert so einen wichtigen Teil für die Energiewende bei. Wir sind bereit, mit unseren Konstruktionen einen Teil dazu beizutragen.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Thomas Hary

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