Kampf dem Fachkräftemangel

Effiziente und datengesteuerte Rekrutierung

Effiziente und datengesteuerte Rekrutierung
Adrian Fischer
Lesezeit: 4 Minuten

Beim Recruiting 4.0 werden zeitgemässe Technologien genutzt, um effizienter und effektiver neue Mitarbeiter zu gewinnen. Dabei dürfe aber die persönliche Interaktion zwischen Stellensuchenden und Arbeitgebern nicht vernachlässigt werden, sagt Adrian Fischer, Mitgründer und Geschäftsführer der St.Galler Together AG.

Text: Philipp Landmark

Beim aktuell ausgetrockneten Fachkräftemarkt ist es für viele Unternehmen schwierig, offene Stellen genügend schnell zu besetzen oder zusätzliche Mitarbeiter zu finden. Der Konkurrenzdruck unter den Firmen und Personalabteilungen steigt, der Kampf um qualifizierten Nachwuchs wird grösser.

Für die HR-Verantwortlichen bedeutet dies: Sie müssen ihre Personalsuche anpassen. Dabei spielt Recruiting 4.0 eine grosse Rolle und ist mit dem, was Personalverantwortliche lange Zeit praktizierten, nicht vergleichbar.

Effizient, datengesteuert und skalierbar

Die Bezeichnung 4.0 kommt vom Begriff Industrie 4.0, der für die vierte industrielle Revolution steht. Nach der Mechanisierung (Industrie 1.0), der Massenproduktion (Industrie 2.0) und der Automatisierung (Industrie 3.0) hält nun die Digitalisierung und die Nutzung der digitalen Technologien Einzug. Folglich steht Recruiting 4.0 zunächst einmal für eine digitale oder digital gestützte Personalsuche, ist aber im Grunde noch viel mehr.

«Recruiting 4.0 bietet den Vorteil einer effizienteren, datengesteuerten und skalierbaren Personalbeschaffung», sagt Adrian Fischer, Mitgründer und Geschäftsführer der Together AG. Das Unternehmen mit Sitz in St.Gallen ist eine Tochterfirma der Bernexpo und unterstützt Unternehmen, sich erfolgreich bei Studenten als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Die Together AG ist Mitbetreiberin des Job- und Karriereportals talendo.ch und organisiert jährlich mehr als 20 Karriereveranstaltungen für Studenten, Graduates und Young Professionals in der Deutsch- und der Westschweiz.

«Die Arbeitgebermarke muss klar und authentisch sein.»

Multiposting, Automation, ChatGPT

«Beim modernen Recruiting werden Stellenanzeigen beispielsweise im Multiposting-Verfahren auf hunderten Stellenportalen und sozialen Medien gleichzeitig geschaltet. Das erhöht die Reichweite enorm», sagt Fischer. Zudem würden die Ausschreibungen an mobile Endgeräte angepasst, was die Stellensuche erleichtere, Stichwort: One-Click-Bewerbung. «Sie ist bestens geeignet für die wachsende Schar an mobilen Bewerbern, da praktisch alle Vorgänge über das Smartphone abgewickelt werden können.»

Recruiting 4.0 steht aber auch für eine automatisierte Kommunikation mit dem Bewerber, und zwar von Anfang an – von der ersten Reaktion des Unternehmens direkt nach Erhalt der Bewerbung über Updates während des Rekrutierungsprozesses bis hin zur Terminvereinbarung für Interviews. «Das sorgt für einen kürzeren, effektiveren Rekrutierungsprozess», sagt der Geschäftsführer der Together AG.

Ein wichtiger Teil des digitalen Recruitings ist die Künstliche Intelligenz (KI). Sie unterstützt die Personalsuchenden beim Erstellen von Stellenbeschreibungen, der Identifizierung von geeigneten Kandidaten, der Vorauswahl von Lebensläufen und der Vorhersage von Einstellungserfolgen. Auch Adrian Fischer hat schon das eine oder andere Stelleninserat von ChatGPT erfassen lassen. «Ich musste die Anzeige noch etwas auf unser Unternehmen anpassen, aber sonst hat es sehr gut funktioniert», sagt er und fügt mit einem Augenzwinkern an: «Und mir vor allem viel Zeit gespart.»

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«Das sorgt für einen kürzeren, effektiveren Rekrutierungsprozess.»

«Es gibt kein Erfolgsrezept für alle»

Beim Recruiting 4.0 gibt es für Adrian Fischer allerdings einiges, das Unternehmen beachten sollten. «Die Arbeitgebermarke muss klar und authentisch sein und deren strategische Bedeutung auf allen Ebenen im Unternehmen verstanden und gelebt werden.» Weiter werde der Faktor Zeit viel zu oft unterschätzt. «Eine Stelle auszuschreiben und vier Wochen zu warten, bis die Stelle nicht mehr online ist, gehört definitiv der Vergangenheit an», sagt er.

Die Bewerbungen müssten schnell gesichtet und die entsprechenden Personen kontaktiert und informiert werden, um keine Kandidaten zu verlieren. Fischer legt bei den internen Rekrutierungsprozessen, die er selbst führt, Wert darauf, dass zwischen der Ausschreibung einer Stelle und dem ersten Gespräch mit einem potenziellen neuen Mitarbeiter nicht mehr als zehn Tage vergehen. Sein Ziel ist es, den gesamten Rekrutierungsprozess nach etwa einem Monat abschliessen zu können.

Weiter sollten Unternehmen auch eine mit grossem Aufwand erarbeitete Recruiting-Strategie kontinuierlich anpassen. «Es gibt kein Erfolgsrezept, das für alle passt. Daher lieber schnell mit der Umsetzung der Strategie beginnen, Erfahrungen sammeln und – wenn nötig – den eingeschlagenen Weg sofort anpassen.» Zudem empfiehlt der Experte, das konstruktive Feedback nicht zu vergessen. «Bewerbungen sind immer sehr wichtige Berührungspunkte zu potenziellen Arbeitnehmern. Bei einer Absage schafft ein persönliches Feedback Verständnis und stärkt zeitgleich die Arbeitgebermarke.»

Wie aber können sich Unternehmen in der Flut von Daten besser präsentieren als die Konkurrenz? «Ganz einfach», sagt Adrian Fischer. «Man muss sich überlegen, wo man sich gegenüber der Konkurrenz abhebt – nicht im Wunschdenken, sondern in der Realität.» Eine solche Unique Selling Proposition, kurz USP, könne etwa die Sinnhaftigkeit sein. «Ikea hat einmal eine grossangelegte Flyer-Verteil-Aktion mit eigenen Mitarbeitern im Pyjama an Schweizer Bahnhöfen durchgeführt. Auf dem Flyer stand ‹Why did you get up this morning?› Dies bringt das Thema perfekt auf den Punkt.»

Weitere Mehrwerte sind attraktive Arbeitsbedingungen und Vergütungspakete, Weiterbildung und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten sowie ein gutes Arbeitsklima. «Dieser letzte Aspekt kommt in Umfragen mit der Generation Z immer wieder vor. Den meisten Menschen ist das Zugehörigkeitsgefühl zum Arbeitgeber sehr wichtig, insbesondere in dieser Post-Covid-Zeit.»

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Menschliche Interaktion

Trotz der neuen Möglichkeiten und der vielen Vorteile, die das digitale Recruiting mit sich bringe, dürfe aber eins nicht vernachlässigt werden: die menschliche Interaktion. «Ich habe vor Kurzem einen CEO eines grösseren Unternehmens kennengelernt, der kein eigenes Büro mehr hat. Er meinte, dass er entweder bei seinen Grosskunden, seinem Team oder an Anlässen, wo er mit potenziellen Mitarbeitern in Kontakt kommt, anzutreffen sei. Er ist präsent. Das schafft Nähe und Vertrauen und ist enorm wichtig für die Reputation eines Unternehmens.»

Weiter sollten auch beim Recruiting 4.0 die Datenschutzbestimmungen eingehalten und jegliche Form von Diskriminierung vermieden werden. «Wird dies nicht gemacht, kann es nicht nur den Ruf eines Unternehmens schädigen, sondern auch rechtliche Konsequenzen haben. Daher ist es wichtig, ethische und transparente Praktiken im Recruiting zu fördern.»

Text: Marion Loher

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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