Es geht aufwärts – wenn auch gemächlich
Fredy Hasenmaile, Reto Inauen: Wie sehen Sie die allgemeinen wirtschaftlichen Aussichten für die Schweiz im Jahr 2025?
FH: Die Wirtschaftsrisiken haben sich deutlich verringert. Die Schweiz hat eine Rezession vermeiden können, die Inflation ist besiegt und die Zinsen sind auf dem Rückzug. Die Wirtschaft wächst zwar nur moderat, aber stabil mit gut einem Prozent. Das ist deutlich besser, als was noch vor zwei Jahren zu erwarten war. Bis die Schweiz jedoch wieder vollständig zum Potenzialwachstum von rund 1,7 Prozent aufschliessen kann, dauert es noch eine Weile. Die globale Wachstumsschwäche ist noch nicht überwunden. Europa und China, beides wichtige Zielländer für die Schweizer Exportwirtschaft, kommen nicht aus dem Stottern heraus. Wir rechnen erst ab 2026 mit einer Rückkehr zum Potenzialwachstum. Für 2025 rechnen wir mit tiefen Zinsen und als Konsequenz einer Rückkehr des Anlagenotstandes – zumindest teilweise.
Und welche spezifischen Herausforderungen und Chancen erwarten Sie für die Ostschweizer Wirtschaft?
RI: In der Ostschweiz spielt die Industrie eine wichtigere Rolle als im Landesdurchschnitt. Die Erholung der Auftragseingänge wäre daher ein wichtiges Signal für den Ostschweizer Werkplatz. Aktuell zeigt sich ein Silberstreifen am Horizont, denn die Einkaufsmanager melden zum dritten Mal in Folge eine Verbesserung der Auftragsbestände in der Industrie. Solange jedoch die globale Industrie nicht zuerst wieder Tritt fasst, dürfte die Erholung noch nicht nachhaltig sein.
In welchen Branchen sehen Sie für 2025 in der Ostschweiz das grösste Wachstumspotenzial, und welche Sektoren könnten eher stagnieren?
RI: Aufgrund der gesellschaftlichen und demografischen Entwicklung profitiert das Gesundheits- und Sozialwesen von einem starken strukturellen Rückenwind. Dieser dürfte noch eine Weile anhalten. Dagegen bläst der bis ins Jahr 2023 erfolgreichen Metall- und Maschinenbauindustrie wie auch Autozulieferern eine steife Brise entgegen, die ihren Ursprung im wirtschaftlichen Kriechgang in Deutschland und vor allem auch in den strukturellen Problemen der Automobilindustrie hat.
Die grössten Risiken für die Schweizer Wirtschaft 2025 dürften in der zunehmenden geopolitischen Blockbildung liegen, oder?
FH: Ja, Diktaturen wie in China, Russland, Nordkorea und Iran fordern den Westen offen heraus. Hinzu kommt, dass die Technologie neue Möglichkeiten zur Beeinflussung der demokratischen Gesellschaften eröffnet, deren Potenzial nicht zu unterschätzen ist. Wirtschaftlich gesehen ist das Soft-Landing der globalen Wirtschaftslokomotive USA noch nicht gesichert, solange die US-Zinsen im restriktiven Bereich liegen. Ein Hard-Landing hätte einen klar negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Erholung in Europa und der Schweiz. Derzeit deuten jedoch nur wenige Signale auf ein solches Szenario hin. Aus ökonomischer Perspektive sind daher die signifikanten Zolltariferhöhungen beziehungsweise Handelskriege, welche Donald Trump androht, die grösste Gefahr. Die Exportwirtschaft der Schweiz wäre dabei mit Blick auf die gewichtige Pharma- und Chemieindustrie, deren wichtigster Abnehmer die USA sind, stark gefährdet. Für Deutschland wurde für ein derartiges Szenario ein Exportrückgang von 15 Prozent errechnet. Für die Schweiz würde der Rückgang in einer ähnlichen Grössenordnung liegen. Ein weiterer Risikofaktor ist aus meiner Sicht hausgemacht: Die Schweiz droht aufgrund einer wachsenden Regulierungsflut ihren besten Standortfaktor, die hochgelobte politische und wirtschaftliche Stabilität, zu unterminieren.
Wie sollten sich KMU in der Ostschweiz auf diese Risiken vorbereiten?
RI: Es gilt, konsequent die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und mittels Investitionen in die Ausbildung der Angestellten den Zugang zu Innovationen und neuen Technologien zu sichern. Die erwarteten Effizienzgewinne durch den Einsatz der Künstlichen Intelligenz sind eindrucksvoll. Das dadurch erzielte Produktivitätswachstum kann sich kaum ein Unternehmen entgehen lassen. Dadurch sinken auch die Eintrittsschwellen in andere Märkte. Die hohe Kadenz neuer Technologien eröffnet neue Geschäftsmodelle, man denke etwa an den 3D-Druck, den diverse Schweizer Firmen bereits anwenden. Dem Einfluss des starken Frankens begegnet man am besten mit einem Mix aus Automatisierung, natürlichem Hedging und Diversifikation der Absatzmärkte.
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Welche Rolle spielen die Zinsen und die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank in Ihren Prognosen für 2025, und wie wird dies die KMU und den Immobilienmarkt in der Ostschweiz beeinflussen?
FH: Mit der Rückkehr der Inflation ins Zielband und der Beruhigung an der Zinsfront dürfte der zuletzt grosse Einfluss der SNB auf das Wirtschaftsgeschehen abnehmen. Dank dem erfolgreichen Agieren der Nationalbank können die Schweizer Unternehmen wieder von einer günstigen Refinanzierung und stabilen Preisverhältnissen profitieren. Speziell für den Immobilienmarkt hellt sich das Bild auf, da sich wieder sehr vorteilhafte Rahmenbedingungen installieren.
RI: Die Preisentwicklung am Immobilienmarkt zeigt schweizweit und daher auch in der Ostschweiz weiterhin nach oben. Diese Entwicklung ist sicher in den wieder attraktiveren Zinsen für Hypotheken zu suchen. Aber nicht nur: Hauptsächlich werden die Preisanstiege durch eine weiterhin grosse Nachfrage und einem zu tiefen Angebot an Wohneigentum verursacht.
Wer wird Ihrer Meinung nach im Jahr 2025 von den wirtschaftlichen Entwicklungen am meisten profitieren – und wer könnte besonders gefährdet sein?
FH: Der Strukturwandel in der Schweiz schreitet kontinuierlich voran. Die grössten Schwierigkeiten verzeichnen gegenwärtig die Kunststoff-, die Textil- und die Papierindustrie. Zu den Gewinnern zählen wir nächstes Jahr das Gastgewerbe. Aufgrund der bereits in diesem Jahr erfolgten Rückkehr der Reallöhne in den positiven Bereich dürfte sich die Ausgabeneigung der Konsumenten nächstes Jahr deutlich verbessern.
Und wie stark wird sich der Fachkräftemangel in der Schweiz und der Ostschweiz auf die KMU im Jahr 2025 auswirken?
RI: Der Fachkräftemangel bleibt eine der drei grössten Herausforderungen der KMU. Indem Unternehmen flexible Arbeitszeiten und hybride Arbeitsmodelle anbieten, können sie ihre Attraktivität für Fachkräfte steigern und mit kontinuierlichen internen wie auch externen Schulungen interne Ressourcen maximal ausschöpfen.
Zum Schluss: Was wäre Ihr wichtigster Rat an KMU in der Ostschweiz, um sich auf die wirtschaftlichen Unsicherheiten des Jahres 2025 vorzubereiten?
RI: Fokussiert bleiben, die Angestellten – als wichtigste Ressource – fördern und fordern und alle unternehmerischen Handlungen aus der Kundenperspektive herleiten.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer