Die Grundlage für Geothermie schaffen
Während der Verein Geothermie Thurgau das Konzept der Erdwärme-Nutzung in die Köpfe der Thurgauer bringen möchte, muss die Geothermie Thurgau AG belegen, dass diese Idee Hand und Fuss hat. Dafür wird das Unternehmen systematisch Informationen über den Thurgauer Untergrund zusammentragen. Diese Daten zeigen dann auf, wo sich die Nutzung von Geothermie lohnen dürfte, sie geben aber auch Hinweise für weitere Nutzungsmöglichkeiten des Untergrunds.
Als Delegierter des Verwaltungsrats leitet Bernd Frieg die Geothermie Thurgau AG in den nächsten Jahren. Der Geologe und Bohr-Spezialist hatte zuvor u. a. über 30 Jahre in Diensten der Nagra gestanden. Darum weiss er, dass die erste Phase der Untersuchungen des Thurgauer Untergrunds noch ziemlich unspektakulär ablaufen wird: «Wir werden alle bestehenden Unterlagen zusammentragen und auswerten, um die Gebiete festzulegen, wo wir geophysikalische Untersuchungen insbesondere eine sogenannte 3D-Seismik machen wollen.»
Diese Informationen sind dann auch ein wichtiger Bestandteil des ersten Förderantrags an den Bund, der 60 Prozent der Projektkosten bzw. der jeweiligen Tranchen übernimmt. «Einfach so gibt der Bund nicht 30 Millionen», sagt Bernd Frieg. Der detaillierte Förderantrag wird zwischen 50 und 100 Seiten umfassen. Damit die Fördergelder des Bundes fliessen, muss das entsprechende geforderte Eigenkapital bereitgestellt werden, in diesem Fall die entsprechende Tranche aus dem TKB-Topf, den die Thurgauer Regierung freigeben muss. Insgesamt stehen 20 Millionen Franken aus dem Topf zur Verfügung, sodass mit den Fördergeldern des Bundes ca. 50 Millionen Franken dem Projekt zur Verfügung stehen.
Standorte für 3D-Seismik definieren
Die erste und zweite Phase der Untersuchung, die Prospektion, wird ca. fünf Jahre dauern. Wesentlicher Bestandteil dieser Prospektion ist die 3D-Seismik, doch da diese sehr aufwendig und teuer ist, wird sie nur an ausgewählten Standorten durchgeführt. Das wird frühestens in zwei Jahren der Fall sein. «Im nächsten Jahr werden wir zuerst eine vorbereitende, kostengünstige Passiv-Seismik-Kampagne durchführen», sagt Bernd Frieg. Während bei der 3D-Seismik mit grossen Vibratoren der Untergrund angeregt wird und die reflektierten Wellen flächendeckend mit Geophonen aufgezeichnet werden, wird bei der passiven Seismik ohne externe Stimulierung gearbeitet, sondern vorhandene seismische Signale registriert. Zu diesem «Noise» gehören Mikrobeben oder auch Gezeiteneffekte. Diese passive Seismik-Kampagne dürfte zwei, drei Monate dauern, sie dient auch dazu, die Gebiete für die teurere 3D-Seismik clever auszuwählen. Pro Quadratkilometer kostet eine 3D-Seismik inklusive Auswertung zwischen 100´000 und 350´000 Franken, abhängig einerseits von schwankenden Marktpreisen und andererseits vom Umfang und der Komplexität der Auswertungen. «Der Thurgau misst knapp 1000 Quadratkilometer», sagt Bernd Frieg, «wenn wir flächendeckend 3D-Seismik machen wollen, müssten wir ein Vielfaches des vorhandenen Budgets aufwenden.»
Standort nahe an Wärme-Nutzern
Um potenziell geeignete Standorte für Geothermie-Anlagen zu finden, müssen die Forscher auch über der Erde die Voraussetzungen klären. «Die obertägigen Bedürfnisse müssen mit den untertägigen Gegebenheiten in Einklang gebracht werden», erklärt Bernd Frieg. Dafür sammelt die Geothermie Thurgau AG auch Daten, wo im Kanton grosser Wärmebedarf besteht, denn um Geothermie wirtschaftlich betreiben zu können, braucht es nahegelegene Verbraucher wie Gewächshäuser, Industrieanlagen oder Fernwärmenetze: «Ein Geothermie-Kraftwerk erzeugt etwa so viel Strom wie eine sehr grosse Wind-Anlage, rund fünf Megawatt. Das ist nicht so viel, dass sich eine reine Strom-Produktion wirtschaftlich lohnen würde. Unter den heutigen Rahmenbedingungen ist es erforderlich, dass auch die anfallende Abwärme genutzt und ökonomisch verwertet wird.»
Dort, wo unter der Erde und über der Erde gleichermassen vielversprechende Gegebenheiten anzutreffen sind, soll eine eingehendere Untersuchung mit 3D-Seismik durchgeführt werden, um herauszufinden, ob an diesem Standort eine Bohrung lohnend sein könnte. Diese Explorationsphase ist dann die dritte und letzte Phase, bis die Geothermie Thurgau AG in rund zehn Jahren ihre Tätigkeit abschliessen wird.
Bohrung zum Abschluss
«Wir versuchen, im Minimum eine Explorationsbohrung zu machen», sagt Bernd Frieg, «mein persönliches Ziel wäre es schon, zwei Bohrungen an zwei Orten mit unterschiedlichen Zielsetzungen durchführen zu können.»
Ob es eine oder zwei Bohrungen sein werden, hängt hauptsächlich vom verbleibenden Budget ab. Bernd Frieg wird deshalb versuchen, in der ersten und zweiten Phase die Kosten zu optimieren – indem er sich nicht drängen lässt. «Bei Geophysik kann es entscheidend sein, wie gerade die Marktpreise sind. Wenn wir beispielsweise mit der Ausführung ein halbes Jahr warten, zahlen wir vielleicht 30 Prozent weniger, weil das Spezialunternehmen gerade keine Kontrakte hat.» Die Geothermie Thurgau AG stehe nicht unter kommerziellem Zeitdruck, «wir wollen möglichst viele Ergebnisse für unser Geld bekommen.»
Aus den gesammelten Daten wird die Geothermie Thurgau AG ein geologisch-tektonisches Modell des Kantons machen und alle geologischen Schichten und die Störungen darstellen. «Am Ende des Tages stellen wir die Ergebnisse der Allgemeinheit zur Verfügung», betont Bernd Frieg, «wir verstehen uns als eine Non-Profit-Organisation.» Wenn die Untersuchungskampagne erfolgreich verläuft und tatsächlich aufgezeigt werden kann, wo sich eine Bohrung lohnen könnte, «dann springen Leute auf den Zug auf.»
Die Prospektionsphase und die Explorationsphase sind für potenzielle Investoren das grösste Risiko, das fällt durch die Arbeit der Geothermie Thurgau AG nun weg: «Wenn wir die Grundlagen aufgezeigt haben, kann ein Investor mit vergleichsweise geringerem Aufwand Bohrungen und eine Geothermie-Anlage planen und erstellen. Damit erhöhen wir die Standortattraktivität des Kantons Thurgau.»
Text: Philipp Landmark
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer