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Wie Tänikon die Schweizer Landwirtschaft stärkt

Wie Tänikon die Schweizer Landwirtschaft stärkt
Nadja El Benni
Lesezeit: 5 Minuten

Im thurgauischen Tänikon forscht Nadja El Benni gemeinsam mit ihrem Team für Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung. Im Interview skizziert die Agrarökonomin, wie man die Digitalisierung in der hiesigen Landwirtschaft und damit deren Wettbewerbsfähigkeit vorantreibt.

Text: Miryam Koc

Nadja El Benni, Sie leiten seit 2017 den Agroscope-Forschungsbereich «Nachhaltigkeitsbewertung und Agrarmanagement» in Tänikon. Was genau umfasst dieser Bereich?
Der Forschungsbereich arbeitet interdisziplinär und systemorientiert. Wir untersuchen die Entwicklungen und Wirkungen veränderter Rahmenbedingungen, etwa Änderungen in Ernährungsweise oder Agrarpolitik, und analysieren betriebliche Entscheidungen, um daraus Empfehlungen für die Praxis und die Verwaltung ableiten zu können. Auf der Grundlage der umfassenden Bewertung verfahrenstechnischer, betrieblicher oder sektoraler Entwicklungen ist es unser Anliegen, den Schweizer Agrarsektor in allen drei Säulen der Nachhaltigkeit – ökonomisch, ökologisch und sozial – weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Wie hat sich Ihre Arbeit bei Agroscope seit Ihrem Amtsantritt entwickelt?
Seit meinem Amtsantritt 2017 erlebe ich Agroscope als eine dynamische Institution. Es hat sich viel verändert in den vergangenen Jahren – aus meiner Perspektive in vielen Punkten in eine sehr gute Richtung. Mit der neuen Standortstrategie und den damit entstandenen acht Versuchsstationen ist die Forschung noch direkter auf die Bedürfnisse der Praxis ausgerichtet. Ein Beispiel ist die ebenfalls in Tänikon ansässige Versuchsstation Smarte Technologien, auf der Agroscope in Zusammenarbeit mit Landwirten, den Kantonen Thurgau und Schaffhausen und der Agridea die ortsspezifische Stickstoffdüngung von der Forschung in die Praxistauglichkeit überführt.

Tänikon bringt verschiedene Akteure aus Beratung, Praxis, Industrie und Forschung zusammen.
Genau. Ziel all dieser Akteure ist die Unterstützung der Schweizer Landwirtschaft auf ihrem Weg hin zu einer wettbewerbsfähigeren und ressourcenschonenderen Produktion. Ausserdem ist Tänikon der Standort der Swiss Future Farm, einem Projekt der Partner AGCO International GmbH, Arenenberg und GVS Agrar AG mit dem Ziel, den digitalen Wandel und dessen Nutzen für die Landwirtschaft der Zukunft aufzuzeigen. Die Swiss Future Farm bietet eine perfekte Ausgangslage für die 2021 gegründete Versuchsstation Smarte Technologien, auf der neue Technologien unter praktischen Bedingungen angewandt und optimiert werden, um die Produktion effizienter und nachhaltiger zu gestalten und die Betriebsführung zu vereinfachen.

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«Neu wird es neben Agroscope mit der OST noch einen weiteren Forschungspartner am Standort Tänikon geben.»

Neu wird es neben Agroscope mit der OST noch einen weiteren Forschungspartner am Standort Tänikon geben.
Ja, die Kompetenzen der OST haben grosse Synergiepotenziale mit den Kompetenzen von Agroscope. Wir freuen uns sehr auf die künftig noch engere Zusammenarbeit.

Welche Rolle spielt Technologie bei den Landwirten heute?
Sie spielt schon lange eine grosse Rolle in der Schweizer Landwirtschaft. Nach einer langen Zeit der mechanischen Entwicklung hält seit den 1990er-Jahren zunehmend die Elektronik Einzug in der Agrartechnik. Nach der Übernahme einfacher Steuerungsaufgaben (elektronischer Pulsator bei Melkmaschine, elektronische Regelhydraulik) entwickeln sich die Systeme weiter und kommen nun in den Bereich, wo sie die kognitiven Fähigkeiten der Menschen ersetzen oder mit neuen Informationen ergänzen. Der grosse Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologien bieten für die komplexen Systeme der Landwirtschaft grosses Potenzial, die Prozesse effizienter, ressourcenschonender und tierfreundlicher zu gestalten. Aktuell sind aber viele Technologien noch nicht optimal für den Einsatz auf den diversen Schweizer Bauernhöfen geeignet und kommen auch deswegen noch nicht flächendeckend zum Einsatz.

Warum nicht?
Die Technologien der verschiedenen Hersteller kommunizieren noch viel zu wenig miteinander und man muss verschiedene Applikationen parallel bedienen. Den Nutzen von Farm-Management-Informationssystemen für den Einsatz in der Schweizer Landwirtschaft zu verbessern, ist ein Ziel von Agroscope. Zum Beispiel werden im Agroscope-Forschungsprogramm «Indicate» Indikatoren für positive und negative Umweltwirkungen von Landwirtschaftsbetrieben entwickelt, die unter anderem mit digitalen Technologien erhoben werden und die existierenden Farm-Managementsysteme erweitern sollen, um die Landwirte dabei unterstützen, die ökologischen Leistungen ihres Betriebs auf einfache Weise auszuweisen und zu optimieren.

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«Die Technologie spielt schon lange eine grosse Rolle in der Schweizer Landwirtschaft.»

Welche Schlüsse können Sie aus Ihren Untersuchungen bezüglich der Wirkungen von Smart Farming auf die Landwirtschaft ziehen?
Zu diesem Thema arbeiten wir stark interdisziplinär. Zum einen führen wir verfahrenstechnische Versuche durch, wie auf der Versuchsstation Smarte Technologien, wo wir für Betriebe mit verschiedenen technischen Ausstattungen Lösungen finden möchten, um die ortsspezifische N-Düngung für sie umsetzbar zu machen. Oder auf der Versuchsstation Alp- und Berglandwirtschaft, auf der wir Versuche mit dem virtuellen Zaun oder mit Drohnen für das Alpmanagement durchführen. 

Sie arbeiten aber auch mit sozialwissenschaftlichen Methoden, um die Beweggründe für die Nutzung digitaler Technologien besser zu verstehen.
Ja. Wir konnten etwa mit einer Studie 2019 aufzeigen, dass etwa ein Drittel der Schweizer Bauern den Übergang von Papier zu elektronischen Formularen recht gut bewältigt hat, während sich für 40 Prozent der Landwirte der Verwaltungsaufwand durch die Nutzung von E-Government-Diensten erhöht hat. Eine Folgestudie von 2022 zeigte, dass die Einstellung der Bauern die erfolgreiche Übernahme von E-Government-Diensten beeinflusst. Diese Dienste müssen entsprechend weiterentwickelt werden, wenn die Digitalisierung auch bezüglich administrativen Aufwands einen Mehrwert bringen soll. 

Was tun Sie, um abschätzen zu können, wie sich die Digitalisierung in der Schweizer Landwirtschaft entwickeln wird?
Dazu haben wir Experten befragt und gelernt, dass für den Freilandgemüsebau viel Potenzial im Bereich des Hackes und der Bewässerung gesehen wird – die Experten erwarten, dass in zehn Jahren über 50 Prozent der Betriebe diese Technologien nutzen werden; 2018 lag der Anteil bei rund zehn Prozent. Als wichtigste Hinderungsgründe für die Technologienutzung wurden die hohen Kosten, die Störanfälligkeit und das fehlende Fachwissen genannt. Dass die Ausbildung noch einen grösseren Beitrag leisten kann, um künftige Betriebsleitende im Umgang mit digitalen Technologien zu schulen, zeigte sich in einer Umfrage von 2021: Die künftigen Betriebsleiter wünschen sich insbesondere spezifische Kurse zu digitalen Technologien, eine bessere Übersicht über die verfügbaren Technologien und Anwendungen sowie generell mehr konkrete Anwendungsbeispiele.

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Was sind die Hauptziele und langfristigen Visionen für den Täniker Versuchsbetrieb und die Forschung in diesem Bereich?
Ich wünsche mir einen lebendigen Standort, an dem Menschen aus Praxis, Beratung, Forschung und Privatunternehmen zusammenarbeiten, um digitale Anwendungen für die spezifischen Bedürfnisse der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft zu entwickeln. 

Zum Schluss: Welche Aspekte der gesellschaftlich relevanten Forschung in der Landwirtschaft faszinieren Sie besonders?
Der Systemgedanke ist für die Forschung im Land- und Ernährungssystem essenziell. Wir können nicht an einer Stellschraube drehen und erwarten, die Zielkonflikte zwischen etwa Produktivität und Umweltwirkung lösten sich damit auf. Wir müssen das gesamte System betrachten, von der Produktion bis zum Konsum. Das ist herausfordernd, macht aber Freude. Agroscope bündelt viele der notwendigen Kompetenzen unter einem Dach, die für die Beantwortung komplexer Fragen notwendig sind.

Text: Miryam Koc

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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