Das Portal zur Ostschweiz
Hansjörg Brunner, Robert Stadler: Rühren wir zu Beginn etwas die Werbetrommel. Welche spezifischen Vorteile bietet die Region Wil für KMU im Vergleich zu anderen?
HJB: Wir befinden uns am Portal zur Ostschweiz. Dementsprechend ist die Erreichbarkeit eine grosse Stärke unserer Region, für Unternehmen genauso wie für Arbeitskräfte. In nur 30 Minuten ist man vom Flughafen Zürich in Wil. Die ausserordentliche Verkehrsgunst bedeutet Wettbewerbsvorteile: Wir werden auch im Dienstleistungsbereich zunehmend von der Sogwirkung des Wirtschaftsraums Zürich profitieren, da bei uns die Kosten günstiger sind. Gleichzeitig haben wir hausgemachte Stärken: Wir sind eine Berufsbildungsregion und verfügen über viele bestens ausgebildete und engagierte Berufsleute.
RS: Unsere Wirtschaft ist in der Maschinenbau- und Metallindustrie, aber auch in der Lebensmittelindustrie besonders stark aufgestellt. Unsere Unternehmen sind äusserst innovativ und in vielen Bereichen führend. Davon profitieren ganz viele kleinere Zulieferer. Gleichzeitig entwickeln sich auch der Dienstleistungssektor und die Informationstechnologie positiv. Diese Vielfalt macht unsere Region wohl auch krisenresistenter.
Die Region Wil ist eine der wenigen Ostschweizer Regionen, die mit dem WirtschaftsPortalOst eine eigene Wirtschaftsförderungsplattform betreiben. Warum wurde WPO initiiert?
RS: Die Aufbauarbeit und den Anschub hat der Verein Regio Wil mit seinen 22 Mitgliedsgemeinden geleistet. Diese St.Galler und Thurgauer Gemeinden rund um Wil haben erkannt, dasses – gerade in einer kantonsübergreifenden Region – eine Bündelung der Kräfte und eine gemeinsame Strategie braucht, um im Standortwettbewerb bestehen zu können. Deshalb war es von Anfang an geplant, dass bei WPO nicht nur die Standortgemeinden beider Kantone, sondern auch die privaten Unternehmen eingebunden werden – ideell, personell, aber auch finanziell. Das ist dank mehrerer Partnerschaften und einer steigenden Anzahl Mitglieder geglückt: Im vergangenen Jahr trug die Privatwirtschaft bereits knapp zwei Drittel der Einnahmen von WPO bei. Durch diesen starken Einbezug wird bei den Beteiligten die Verbundenheit zur Region verbessert und die Haltekräfte der Unternehmen gestärkt.
Könnte man auch sagen: Es war eine Art Selbstschutz zwischen den beiden Metropolitanräumen Zürich und St.Gallen?
HJB: Es geht darum, dem Raum zwischen den beiden Metropolitanräumen gegen aussen ein eigenes Gesicht und ein eigenes Profil zu geben und die Chancen daraus bestmöglich zu nutzen. Es ist auch kein Zufall, dass die Regio Wil bei beiden Metropolitanräumen mit dabei ist. Der Verein hat aber vor allem eine Wirkung nach innen. Die Unternehmen und Gemeinden sollen mit WPO ein Netzwerk haben, in welchem sie kantonsübergreifend und gemeinsam an den Rahmenbedingungen arbeiten können. Eine gute regionale Vernetzung hilft auch, langfristige Zuliefererbeziehungen aufzubauen, Synergien zu schaffen oder neue Kooperationen einzugehen. Wenn man sich kennt, dann geht vieles einfacher und man profitiert vom gegenseitigen Know-how.
Wie unterstützen Sie als WPO Unternehmen, die sich neu in der Region Wil ansiedeln möchten?
RS: Wir sind nicht an internationalen Roadshows mit dabei, um unseren Standort zu vermarkten. Dementsprechend liegt unser Fokus auf der Pflege der bereits ansässigen Unternehmen. Trotzdem sind wir selbstverständlich auch für Unternehmen da, die sich für unsere Region interessieren. So vermitteln wir durch unsere Kontakte in der Region, aber auch zu den kantonalen Standortförderungen geeignete Immobilien. Als regionaler Ansprechpartner für Gewerbeimmobilien ist uns auch schon eine Ansiedelung gelungen. Oder wir helfen allgemein mit Auskünften, um den richtigen Ansprechpartner in der Region zu finden.
Und wie unterstützt WPO den Wissens- und Technologietransfer zwischen lokalen Unternehmen?
HJB: Wir haben dazu gerade ein neues Angebot eingeführt: Beim WPO-Know-how-Transfer treffen sich Verantwortliche unserer Mitgliedsunternehmen und -gemeinden zu einem Erfahrungsaustausch zu einem bestimmten Thema. Ein solcher Austausch auf Augenhöhe kann frische Ideen bringen, den Blickwinkel verändern oder auch nur das beruhigende Gefühl vermitteln, nicht allein zu sein. Wir werden sehen, wie das Angebot ankommt und wie wir es weiterentwickeln. Die ersten Reaktionen waren jedenfalls sehr positiv. Ein solches Austausch-Gefäss scheint ein Bedürfnis zu sein.
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Sie können auf eine beeindruckende Partner-, Sponsoren- und Mitgliederliste verweisen. Wer sollte unbedingt bei WPO dabei sein – und was hat er davon?
HJB: Wer sich in Wirtschaft und Politik vernetzen, an attraktiven Anlässen teilnehmen und an der boomenden Region Hinterthurgau-Wil-Uzwil teilhaben möchte, sollte Mitglied werden. Unser Fokus liegt zwar naturgemäss bei Mitgliedern aus dem Perimeter der 22 Mitgliedsgemeinden. Aber man kann gegen einen kleinen Aufpreis auch Mitglied werden, wenn man seinen Firmen- oder Wohnsitz ausserhalb dieser Gemeinden hat. Aktuell haben rund 15 Prozent unserer Firmenmitglieder ihren Sitz ausserhalb und zeigen so ihr Interesse an WPO und unserer Wirtschaftsregion.
Welche Infrastrukturprojekte oder Entwicklungspläne sind derzeit für die Region Wil vorgesehen, nachdem das Grossprojekt WILWEST von den St.Galler Stimmbürgern abgelehnt wurde – oder ist WILWEST nach wie vor aktuell, einfach ohne St.Galler Beteiligung?
HJB: Wir sind nach wie vor von den vielen Vorteilen und Stärken der Standortentwicklung WILWEST überzeugt. Und mit uns auch alle weiteren Wirtschaftsvereine der Standortgemeinden: Die Arbeitgebervereine Südthurgau und Wirtschaft Region Wil sowie die Gewerbevereine KMU Hinterthurgau, Sirnach und Münchwilen engagieren sich weiterhin in der Bewegung «Wir wollen WILWEST».
RS: Die Ablehnung des Sonderkredits, mit dem der Kanton St.Gallen das Areal selbst hätte erschliessen und vermarkten wollen, war für uns ein Schuss vor den Bug. Die Beteiligten nutzen die Chance daraus, das Projekt noch besser und nachhaltiger zu machen. Wir bleiben jedenfalls dran und kämpfen weiter – auch zugunsten der ganzen Ostschweiz. Denn WILWEST hat Signalwirkung für weitere Arealentwicklungen in anderen Regionen der Ostschweiz. Scheitert WILWEST tatsächlich, wird es auch anderswo schwierig, Entwicklungsflächen zur Verfügung zu stellen.
Welche Infrastrukturprojekte sind neben WILWEST in Planung, welche die Region Wil weiter stärken könnten?
RS: Eines der grössten Infrastrukturprojekte des Aggloprogramms Wil ist die Neugestaltung des Bahnhofs Wil: Der Bushof wird umgebaut, die Haltestelle der Frauenfeld-Wil-Bahn verschoben und die Fuss- und Veloverbindungen verbessert. So kann die Stadt Wil ihre Zentrumsfunktion noch stärker ausspielen und ihr Potenzial mit der Nähe zum Flughafen und den Wirtschaftszentren nutzen. Gleichzeitig ist und bleibt WILWEST mit all den zusammenhängenden Infrastrukturprojekten absolut zentral. Ausserhalb der Region geht vielleicht vergessen, dass an der Wirtschaftsentwicklung WILWEST viele Verkehrsprojekte hängen, die für die Region essenziell sind: der Autobahnanschluss WILWEST, neue Bahnhaltestellen, neue Wege und das Schliessen von Netzlücken im Langsamverkehr, diverse flankierende Massnahmen zur Entlastung der Wiler Innenstadt und der umliegenden Gemeinden oder die Netzergänzung Nord als Umfahrungsstrasse zwischen WILWEST und Bronschhofen.
Dass sich die Region Wil über zwei Kantone erstreckt, ist wohl Segen und Fluch zugleich, wenn man so sagen möchte?
HJB: Als Unternehmer spielen die Kantonsgrenzen für mich eine untergeordnete Rolle. Ich habe Kunden im Thurgau genauso wie im Kanton Zürich oder St.Gallen. Für Politiker mag diese Grenze noch eher eine Rolle spielen. Gleichzeitig sind sich alle bewusst, dass wir vermehrt zusammenarbeiten müssen, um etwas zu erreichen. Es freut mich sehr, dass wir mit WPO bei diesem Prozess des Zusammenwachsens einen Beitrag leisten können.
Welche Branchen oder Sektoren sind aktuell besonders präsent oder wachsend in der Region Wil?
RS: Die konjunkturelle Entwicklung hat sich auch bei uns etwas eingetrübt. Der Dienstleistungssektor und Unternehmen im Bereich der Informationstechnologie entwickeln sich aber weiterhin gut. Hier kann unsere Region wieder mit der Nähe zu Zürich und dem Flughafen punkten. Aber auch Unternehmen im Bereich Elektroniklösungen wachsen weiterhin stark.
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Gibt es finanzielle Anreize oder Fördermittel für Unternehmen, die sich in der Region Wil niederlassen möchten?
HJB: Das WirtschaftsPortalOst verfügt über keinen Topf, um finanzielle Anreize zu setzen. Unser Hauptfokus gilt der Pflege der bereits ansässigen Unternehmen. Bei Ansiedlungen stehen die kantonalen Standortförderungen im Vordergrund, um den interessierten Unternehmen ein attraktives Gesamtpaket zu schnüren. Wir stehen unterstützend zur Seite und helfen zu vermitteln.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die Region Wil und wie planen Sie, diese zu adressieren?
RS: Das Beispiel WILWEST zeigt, dass wir unsere regionalen wirtschaftlichen Anliegen gegenüber der Politik noch besser vermitteln müssen. Wir werden deshalb nächstes Jahr eine Veranstaltung einführen, bei der wir die Gewerbe- und Arbeitgebervereine und die Mitglieder der Kantonsparlamente aus unserer Region zusammenbringen. Uns macht etwas Sorge, dass aktuell viele eine wachstumskritische Grundhaltung haben. Man verkennt dabei, dass wir den heutigen Wohlstand nicht erhalten werden können, wenn wir einfach die Hände in den Schoss legen und nichts unternehmen. Zudem wollen wir das Zusammengehörigkeitsgefühl und den regionalen Stolz auch in der Bevölkerung stärken. Dazu ist eine Werbekampagne in Vorbereitung.
Wie bewerten Sie die Zukunftsfähigkeit der Region Wil in den nächsten zehn Jahren?
HJB: Wir haben alle Voraussetzungen, um uns hervorragend zu entwickeln. Wir haben innovative Unternehmen, top motivierte und gut ausgebildete Fachkräfte und eine ideale Lage, die uns vom Wirtschaftsmotor Zürich profitieren lässt. Die Frage ist nur, ob diese Entwicklung konzentriert direkt an der A1 bei WILWEST erfolgen kann, oder ob die Entwicklung dezentral über die ganze Region verteilt geschieht.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer