PR-GAU mit Happy End
Karl Müller, Claudio Minder, wie viele der bestellten 10’000 Paar Gratisschuhe wurden schon an die Empfängerinnen verschickt?
KM: Mittlerweile haben wir knapp 9800 Schuhe verschickt. Gewisse Adressen wurden leider falsch eingetragen und einige Hundert Pflegerinnen leben im Ausland, wohin wir keine Schuhe verschicken können. Diese haben wir einzeln kontaktiert, um eine Schweizer Versandadresse zu erhalten. Aber ja, die unerwartet hohe Nachfrage hat uns vor grosse Herausforderungen gestellt.
Das heisst, Sie hatten diese Menge an Lager?
CM: Wir hatten etwas über 11’000 Paar Schuhe an Lager. Die verschenkten Abo-Schuhe wurden explizit für Pflegefachkräfte entwickelt. Mit unseren Abo-Schuhen haben wir uns das Ziel gesetzt, mit Gesundheitsinstitutionen und Spitälern zusammenzuarbeiten – und da muss man eine lückenlose Verfügbarkeit sicherstellen, um kurzfristig Teams mit Hunderten von Mitgliedern mit Schuhen ausstatten können.
Und das Personal, um den Versand sowie die Retouren-/Umtauschabwicklung zu stemmen?
KM: Unser Innendienst und unsere Lagermitarbeiter haben in den vergangenen Wochen eine Meisterleistung vollbracht und fast nonstop nur für dieses Projekt gearbeitet. Dank Samstagsschichten und Aushilfen aus anderen Unternehmensbereichen konnten wir die Aktion neben dem laufenden Tagesgeschäft bewältigen.
Nun sagt das kleine Werbeeinmaleins, dass man zu Aktionen immer einen Passus «solange der Vorrat reicht» oder «bis maximal XXX Exemplare» setzen soll. Ging dieser bei Ihnen vergessen oder haben Sie ernsthaft nur mit ein paar Hundert Bestellungen gerechnet?
CM: Offensichtlich kennen wir das «Werbeeinmaleins» nicht. Wir haben damit gerechnet, dass wir mit unserer Aktion ein paar Hundert Pflegefachfrauen glücklich machen können – und die Nachfrage völlig unterschätzt. Als die Bestellungen dann plötzlich durch die Decke gingen, haben wir uns gesagt «Let’s do it» – wenn wir schon geben, dann richtig. Und dann ging die Post erst richtig ab, 3000, 5500, 9500 Bestellungen.
Sie machen mit Kybun Joya einen Jahresumsatz von rund 80 Millionen Franken. Da fallen die über zwei Millionen, die Sie die PR-Aktion nun kosten, doch ziemlich ins Gewicht?
KM: Der Abo-Schuh ist unser Einsteigermodell. Er ist speziell für den Anspruch von Pflegefachkräften konzipiert; der Ladenpreis beträgt 229 Franken. Da wir die Schuhe in unseren eigenen Fabriken produzieren, können wir anders rechnen. Allein der Versand der 10’000 Pakete inklusive Pick&Pack-Kosten beläuft sich aber auf 120’000 Franken. Die erwähnten zwei Millionen beziehen sich auf den nicht erzielten Verkaufsumsatz. Die Aktion hat uns zwar eine richtige Stange Geld gekostet – wir haben es aber gerne gemacht. Wir haben so viele positive Feedbacks erhalten, das ist schon eine grosse Genugtuung für uns als Unternehmer und für unser Team. Es ist uns ein Anliegen, als Firma auch etwas zurückgeben zu können.
Der Fortbestand des Unternehmens ist dadurch also nicht gefährdet?
CM: Nein. Als Familienunternehmen sind wir gut aufgestellt und dank der soliden Arbeit in den vergangenen Jahren stehen wir auf einem gesunden finanziellen Fundament. Nach dem enormen Zuspruch, der uns dank der Aktion entgegengebracht wurde, wachsen wir als Unternehmen sicherlich.
Wie gedenken Sie, das «verlorene» Geld wieder einzuspielen? Bedeutet dies eine Teuerung für die Kundschaft?
KM: Wir geben immer mit vollen Händen. Grosszügigkeit ist vielleicht nicht das unternehmerische Denken, das an Hochschulen gelernt wird – aber bisher hat sich grosszügiges Handeln für uns immer ausgezahlt. Eine Verteuerung unserer Produkte aufgrund dieser Aktion ist ausgeschlossen.
Für die Aktion haben Sie mit der WeNurse AG, die Pflegefachkräfte auf Zeit verleiht und im Besitz der Mitarbeiter ist, zusammengearbeitet. Was war der Part von WeNurse?
CM: WeNurse hat uns nicht nur den Zugang zu den Pflegefachfrauen ermöglicht. Sie verfügen auch über Vertrauen und Glaubwürdigkeit im Gesundheitswesen. Das Team von WeNurse hat massgeblich die Gestaltung und die Programmierung der verschiedenen Massnahmen und Websites verantwortet. Von der Idee bis zur Umsetzung von diesem Projekt sind nur wenige Tage vergangen; vieles wurde erst im letzten Moment finalisiert.
Apropos Schuhe: Vor der Schuhaktion machte Kybun Joya Schlagzeilen, weil Sie sich öffentlich darüber aufgeregt hatten, dass der FC St.Gallen 1879 für seine FCSG-Sneaker auf Ausrüster Puma statt auf Sie als Namensgeber des Stadions setzt. Werden Sie trotzdem Naming Partner des FCSG bleiben?
KM: Wir sind leidenschaftliche Unternehmer und tragen unser Herz auf der Zunge. Wenn der FC St.Gallen gemeinsam mit Puma einen Freizeitschuh lanciert und uns vorab nicht informiert, dann macht uns das als einer der Hauptsponsoren sauer. Bis zum Sommer 2026 haben wir einen laufenden Vertrag; ob wir danach weiter bereit sind, so viel Geld zu investieren, kommt ganz darauf an, wie der FCSG unsere Partnerschaft interpretiert und lebt.
Auch interessant
Sie bauen aktuell in Sennwald eine neue Produktionsanlage. Wann geht diese in Betrieb?
CM: Zurzeit führen wir auf unserer neuen Produktionsanlage verschiedene Tests durch. Weil die Anlage so massiv ist, haben wir sie «Hoher Kasten» getauft. Durch unser starkes Wachstum mit Kybun-Joya-Shops, speziell im Nahen Osten, sind unsere Schuhe «Made in Switzerland» noch stärker gefragt. Voraussichtlich können wir die Anlage Ende Jahr in Betrieb nehmen – von den ersten Tests bis zur Serienproduktion vergeht jeweils viel Zeit.
Welche Schuhmarken werden dort produziert?
KM: In unserem Werk in Sennwald liegt der Fokus auf Kybun. Für die Wintermonate produzieren wir zusätzlich noch etwa 7000 Paar Kandahar-Schuhe. Diese werden ausschliesslich handgefertigt und nicht durch die Roboteranlagen her-gestellt. Aktuell sind wir in Verhandlung mit einer weiteren Traditionsmarke, die wir allenfalls übernehmen wollen – das ist aber noch nicht spruchreif.
Und die restlichen Marken?
CM: In der Schuhbranche sind wir Exoten. Die meisten Schuhmarken haben keine eigene Produktion; sie lassen ihre Schuhe durch Lohnfertiger herstellen. Die Innovation und das Produktions-Know-how unserer Sohlen sind ein wichtiger Bestandteil, weshalb es von grosser Bedeutung ist, unsere Schuhe auf den eigenen Anlagen produzieren zu können. Nebst unserem Werk in Sennwald haben wir ein weiteres Werk in Norditalien sowie auf Java in Indonesien. Joya-Schuhe produzieren wir ausschliesslich in Südkorea und Indonesien.
Und für eine Produktion im Rheintal finden Sie genügend Personal?
KM: Das ist nicht ganz einfach. Es gibt in der Schweiz praktisch keine Schuhtechniker oder spezialisierte Fachkräfte mehr in diesem Bereich. Um den Schweizer Standortvorteil aufrechtzuerhalten, investieren wir viel in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Nicht zuletzt dank solcher Aktionen werden wir in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen; das hilft beim Employer Branding ebenfalls.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer