Unternehmensfinanzierung in turbulenten Zeiten
Viele Ostschweizer Unternehmen haben in den vergangenen zwei Jahren gelitten und mussten (teils grössere) finanzielle Einbussen hinnehmen. Und nun sorgt der Ukraine-Krieg für zusätzliche wirtschaftliche Turbulenzen. Das hat Auswirkungen auf die Liquidität der hiesigen Unternehmen. Eine generelle Aussage, wie stark diese ist, könne allerdings nicht getroffen werden, sagt Thomas Bodenmann, Teamleiter Finanzieren bei der Acrevis-Bank.
«Es ist branchenabhängig, wie stark die Unternehmen von einem Liquiditätsengpass getroffen wurden. Die Unterstützungsbeiträge von Bund und Kantonen haben Entspannungen gebracht. Erst seit März 2022 müssen die Covid-Darlehen amortisiert werden, was zusätzlich liquiditätsschonend gewirkt hat», so Bodenmann weiter. Dennoch: «Die Rückführung der Covid-Kredite wird die Liquidität der Unternehmen aus den besonders betroffenen Branchen natürlich weiter belasten», sagt René Walser, Leiter Privat- und Geschäftskunden bei der St.Galler Kantonalbank.
Bei der Hypo Vorarlberg sieht man bislang nur geringe Auswirkungen, was aber auch stark mit dem Geschäftsmodell der Bank zu tun hat. «Unsere Finanzierungen sind in erster Linie hypothekarisch gesichert, d. h., Liquiditätsengpässe würden hier durch grössere Mietausfälle bei Rendite- oder Gewerbeobjekten entstehen. Die Vermietungsquote
ist jedoch bei unseren Kunden nach wie vor sehr gut», erklärt Walter Ernst, Geschäftsführer der Hypo Vorarlberg in
St.Gallen.
Reserven teilweise aufgebraucht
So unterschiedlich die Unternehmen in der Ostschweiz von Covid getroffen wurden, so unterschiedlich sind folglich auch ihre finanziellen Bedürfnisse. Mit einem Problem kämpfen sie aber alle gemeinsam: «Der zukünftige Geschäftsgang ist für die Unternehmen noch weniger gut planbar geworden», sagt Christian Friedrich, Regionenleiter Unternehmenskunden Zürich/Ostschweiz bei der Valiant-Bank. «Einige Firmen haben ihre eigenen Reserven für geplante Investitionen oder saisonale Spitzenbelastungen in der Krise aufbrauchen müssen.»
«Finanzierungsengpässe entstehen teilweise bei Generalunternehmen, die bei ihren Immobilienprojekten Fixpreise vereinbart haben und deren Anlagekosten durch die gestiegenen Rohstoff- und Drittdienstleistungspreise nun stark ansteigen», ergänzt Hypo-Chef Walter Ernst. Einzelne Unternehmen würden sich deshalb derzeit überlegen, ihre Wertschöpfungsketten neu zu strukturieren und sich unabhängiger von ihren Lieferantenketten zu machen. «Hier entsteht Finanzierungsbedarf von Akquisitionen bzw. dem Aufbau neuer Wertschöpfungsprozesse», so Ernst. «Die Unternehmen nutzen Opportunitäten auf dem Markt», sagt Thomas Bodenmann dazu.
Vorausschauend planen
Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, um ihre Liquidität in den aktuell turbulenten Zeiten nachhaltig zu schonen? «Insbesondere mit einer aktiven Bewirtschaftung der Debitoren und des Lagers kann die Liquidität gesteuert werden», erklärt René Walser. «Ein Betriebskredit kann Schwankungen ausgleichen. Wichtig ist auch eine vorausschauende Planung, damit nötigenfalls Massnahmen ergriffen werden können.»
Die Liquiditätsplanung sei deshalb ein wesentlicher Bestandteil der Beratungsgespräche bei der St.Galler Kantonalbank. «Ein wichtiger Faktor ist ein effizientes Debitoren-/Kreditorenmanagement», ist auch Christian Friedrich von der Valiant überzeugt: «Mit unserer Kundennähe beraten wir die Unternehmen bei der Gestaltung eines optimalen Finanzierungsmix. So ist beispielsweise nicht immer ein Barkauf einer Produktionsanlage der optimale Weg.»
Für Acrevis-Finanzierungsexperte Thomas Bodenmann bietet sich insbesondere für grosse Investitionen in Maschinen auch ein Leasing an, um die Finanzen zu schonen. «Betriebskreditlimiten helfen zudem, kurzfristige Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Und schliesslich sollte darauf geachtet werden, dass keine unnötigen Investitionen getätigt werden sowie kein Investitionsstau über mehrere Jahre anfällt, sodass plötzlich sehr hohe Ausgaben auf einen Schlag anfallen.»
«Die meisten unserer Unternehmerkunden weisen nach wie vor eine Überliquidität aus und tun sich schwer, diese in Vermögensanlagen zu parkieren», sagt Walter Ernst von der Hypo Bank. Man könne das gut nachvollziehen, sei das Kapital doch in der Regel für eine Akquisition oder den Kauf von Immobilien vorgesehen. «Daher erarbeiten wir mit den Kunden ein Konzept, um die effektiv nicht benötigte Liquidität zu ermitteln und diese dann konservativ in Tranchen anzulegen.» Ziel sei, die Liquidität real zu erhalten und eine – kleine – Zusatzrendite zu erwirtschaften.
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Diverse Finanzierungsmodelle
«Unsere Bank bietet sämtliche relevanten Finanzierungsformen für Unternehmenskunden an. Ein Unternehmen ist dann in finanzieller Sicht ‹sicher› aufgestellt, wenn die Fremdverschuldung der Ertragskraft des Unternehmens entspricht und dank einem gesunden Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital genügend Substanz vorhanden ist», erklärt René Walser von der SGKB.
Valiant bietet ihren Firmenkunden auf Blankobasis die üblichen Betriebsmittelkredite inklusive Bankgarantien und Limiten für Devisentermingeschäfte an. «Unsere Kunden nutzen auch Investitionsgüterleasings. Daneben gehören mehrjährige Investitionsdarlehen und Hypotheken auf Betriebsliegenschaften zu unserem Angebot. Mit Sicherheiten gedeckte Kredite sind gegenüber konjunkturellen oder politischen Entwicklungen weniger exponiert und zinsgünstiger», sagt Valiant-Regionenleiter Christian Friedrich.
Breit aufgestellt ist auch die Hypo Vorarlberg mit ihrer Angebotspalette. Neben klassischen Hypotheken und Barlimiten bietet sie auch Leasing an. Ebenso Akquisitionsfinanzierungen bzw. die Vermittlung von Mezzanine-Kapital und Drittinvestoren. «Gerade bei kleineren Unternehmen machen auch Lombardkredite gegen Verpfändung von Wertschriften Sinn, da flexibel und günstig», sagt Walter Ernst. «Welche Finanzierung am geeignetsten ist, hängt aber vom jeweiligen Case ab. Oft ist durch die Mischung verschiedener Finanzierungsformen die individuellste Lösung möglich. Generell sehen wir, dass Leasingmöglichkeiten – insbesondere im Immobilienbereich – noch zu wenig genutzt werden.»
Und die Acrevis vergibt Hypotheken, Betriebskredite, Bankgarantien oder Investitionskredite. «Im Hypothekarbereich bietet sich eine feste Laufzeit an», empfiehlt Thomas Bodenmann. «Der Kunde hat damit die Planungssicherheit für die abgeschlossene Laufzeit. Eine Staffelung der Laufzeiten in mehrere Tranchen kann zudem das Zinsänderungsrisiko verteilen.»
Banken bei Start-ups vorsichtiger
Trotz der teils widrigen Umstände hat die Zahl der Unternehmensgründungen in den vergangenen Jahren weiter zugenommen. Die Jungunternehmer liessen sich offenbar nicht von der angespannten Situation verunsichern, sondern wagten weiterhin den Sprung in die Selbstständigkeit. «Bei der Gewährung von Finanzierungen für Start-ups sind wir aufgrund des höheren Risikos jedoch eher zurückhaltend», sagt Thomas Bodenmann von der Acrevis. Zur Sicherung der Liquidität empfiehlt Bodenmann neben dem selbst eingebrachten Kapital alternative Finanzierungsformen wie Crowdlending oder Darlehen von Nahestehenden.
«Innovativen Firmen gelingt es übrigens weiterhin gut, Investorengelder für die Finanzierung der ersten Phase anzuziehen», weiss Christian Friedrich von der Valiant-Bank. Sobald eine Firma Verkaufserfolge am Markt realisiert habe und erste Jahresrechnungen vorweisen könne, kämen eine herkömmliche Bankfinanzierungen in Frage, so Friedrich weiter.
Die St.Galler Kantonalbank bietet Start-ups im gewerblichen Bereich gleich zwei Instrumente, mit denen sie neu gegründete Unternehmen mit bis zu 500'000 Franken unterstützen kann: die «Startlimite» und das «Startkapital». René Walser: «Für technologieorientierte Start-ups haben wir in Zusammenarbeit mit dem Innovationsnetzwerk Startfeld die ‹Stiftung Startfeld› ins Leben gerufen und mit einem Stiftungskapital von zehn Millionen Franken ausgestattet. So können wir auch für Unternehmen in einer sehr frühen Phase ein verlässlicher Partner sein.»
Text: Patrick Stämpfli
Bild: 123rf, zVg