«Richtung stimmt, Risiko möglicher Vorsorgelücken bleibt»
Text: Stephan Ziegler
Alessandro Sgro, was bringt die Vorlage für Änderungen?
Die BVG-Reform verfolgt drei wesentliche Ziele: Erstens mehr finanzielle Stabilität bei den Vorsorgeeinrichtungen, indem der Umwandlungssatz gesenkt wird. Zweitens einen leichteren Zugang zur 2. Säule für Personen mit niedrigeren Einkommen aufgrund der Reduktion der Eintrittsschwelle, und drittens die Verbesserung der Arbeitsmarktchancen von älteren Arbeitnehmern mit der Reduktion der Sparbeiträge. Für einen Grossteil der arbeitenden Bevölkerung ändert sich allerdings kaum etwas.
Weshalb?
Die meisten Änderungen betreffen Personen in Pensionskassen, die nur das Obligatorium versichert haben. Davon betroffen sind etwa 14 Prozent aller Versicherten. Die überwiegende Mehrheit der Vorsorgeeinrichtungen setzt bereits heute Massnahmen um, die über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen.
Was ändert sich für die, welche nur im BVG-Minimum versichert sind, konkret?
Der Mindestumwandlungssatz wird von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt. Zudem wird die Eintrittsschwelle von 22´050 auf 19´845 Franken Jahreslohn reduziert. Damit erhalten zusätzlich rund 70´000 Arbeitnehmer Zugang zur beruflichen Vorsorge. Auch viele Mehrfachbeschäftigte sind künftig besser versichert.
Eine Senkung des Umwandlungssatzes kommt einer Rentenkürzung gleich …
… bei einem gleichbleibenden Altersguthaben, das stimmt. Deshalb sieht die Reform vor, dass ein höherer Betrag angespart werden kann, um die Senkung des Umwandlungssatzes zu kompensieren und das Leistungsniveau der Rente zu erhalten. Dafür wird der fixe Koordinationsabzug von 25´725 Franken durch einen prozentualen Wert ersetzt: Neu werden 80 Prozent der Lohnsumme versichert, was gerade bei Personen mit niedrigen Einkommen viel ausmacht. Zudem werden die Sparbeiträge angepasst: Für junge Versicherte werden die Beiträge von 7 auf 9 Prozent angehoben, damit sie mehr von der langfristigen Verzinsung profitieren können. Im Gegenzug wird der höchste Beitragssatz von 18 auf 14 Prozent gesenkt, wodurch die Beschäftigung älterer Angestellter für Unternehmen finanziell attraktiver wird.
Sind auch Massnahmen für ältere Arbeitnehmer vorgesehen, die mit den Anpassungen weniger ansparen können und zugleich vom tieferen Umwandlungssatz betroffen sind?
Die 15 Übergangsjahrgänge erhalten je nach Alter einen monatlichen Zuschlag von bis zu 200 Franken, sofern das voraussichtliche Altersguthaben bei der Pensionierung unter 441´000 Franken liegt. Etwa die Hälfte der Versicherten in dieser Generation erfüllt diese Anspruchsvoraussetzungen. Die Rentenzuschläge für die Übergangsgenerationen werden insgesamt auf 11,3 Milliarden Franken geschätzt.
Wer finanziert das?
Die Vorsorgeeinrichtungen müssen das nötige Kapital aufbringen. Ein Teil davon kommt als Zuschuss aus dem Sicherheitsfonds, der von den Pensionskassen getragen wird. Der Rest wird je nach finanzieller Situation der jeweiligen Kasse über höhere Lohnbeiträge gedeckt. In anderen Worten: Alle Arbeitgeber und Versicherte werden direkt und indirekt einen Beitrag leisten.
Ist das nicht wieder eine Umverteilung?
Ja, und das ist ein berechtigter Kritikpunkt. Abstimmungsvorlagen sind immer ein Kompromiss der politischen Prozesse und nie perfekt. Es ist ein konstantes Abwägen zwischen den Vor- und Nachteilen, was es einem Wert ist, geplante Änderungen umzusetzen. In der aktuellen Vorlage profitieren in erster Linie Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen sowie Teilzeitbeschäftigte, da ihnen nun der Zugang zur beruflichen Vorsorge eröffnet wird. Es sind grundsätzlich aber alle besser gestellt, da der versicherte Lohn durch die Reform erhöht wird. Ab einem Einkommen ab 88´200 Franken spürt man aber auch die Grenzen.
Was ist denn mit Löhnen über 88´200 Franken?
Bei höheren Einkommen profitiert man zwar auch vom gesenkten Koordinationsabzug. Dennoch bleibt der maximal versicherbare Lohn im Obligatorium beim genannten Betrag. Die AHV-Rente sollte zusammen mit der PK-Rente etwa 60 Prozent des letzten Salärs erreichen, um die Weiterführung des gewohnten Lebensstandards sicherzustellen. Durch den reduzierten Umwandlungssatz wird es jedoch unwahrscheinlicher, dieses Ziel zu erreichen, was bei Personen mit höheren Einkommen zu einer grösseren Vorsorgelücke führen könnte.
Und was kann man dagegen tun?
Sofern dies vom Arbeitgeber angeboten wird, besteht die Möglichkeit zum Wechsel in ein attraktiveres Pensionskassenmodell mit überobligatorischem Teil. Bei Löhnen über 132´300 Franken kann es sich auch lohnen, einen 1e-Vorsorgeplan umzusetzen. Dieser ermöglicht es Versicherten, den überobligatorischen Teil ihrer Vorsorge flexibler auf die individuellen Bedürfnisse auszugestalten und in renditestärkere Anlagen zu investieren.
Welche Rolle spielt dabei die private Vorsorge?
Eine wichtige, sei es über die steuerbegünstigte Säule 3a oder über ein separates Wertschriftendepot. Hier bietet sich der höchste Grad an Selbstbestimmung und die Möglichkeit, die Anlagestrategie optimal auf die persönlichen Bedürfnisse und Ziele im Alter abzustimmen. Welche Möglichkeiten genutzt werden sollen, lässt sich nicht pauschal beantworten; das ist sehr individuell. Klar ist: Die eigenverantwortliche und frühzeitige Vorsorge spielt unabhängig vom Ausgang der Abstimmung eine wichtige Rolle, um mögliche Vorsorgelücke zu schliessen. Dabei können kleine Massnahmen eine grosse Wirkung auf das Alterskapital entfalten.
Also empfiehlt sich der Gang zum Fachmann.
Auf jeden Fall. Die richtige Vorsorgeplanung hängt von verschiedenen Faktoren ab und kann sehr komplex sein. Bei uns ist die Vorsorgesituation der Kunden ein wichtiger Bestandteil der umfassenden Betreuung im Rahmen einer Finanzplanung. Die heuer neu eingeführten Cronberg-Vorsorgelösungen gewinnen zunehmend an Beliebtheit, weil sich nun unsere einzigartige und langjährig erfolgreiche Selektionsmethodik auch in den Vorsorgelösungen umsetzen lässt.
Zum Schluss: Was bedeutet die Reform für Unternehmer sowie KMU konkret?
Sie bringt zwar höhere Kosten zur Finanzierung der Übergangsgenerationen und erhöhte Sparbeiträge mit sich. Das betrifft allerdings nicht alle gleich. Auf der anderen Seite ist eine attraktiv ausgestaltete Pensionskasse in einer Zeit des Arbeitskräftemangels ein wesentliches Differenzierungsmerkmal eines Arbeitgebers bei der Gewinnung der besten Talente.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer