Eigen- oder Fremdfinanzierung für KMU: Abwägen lohnt sich
Eigenfinanzierung bedeutet, dass das Unternehmen Kapital aus eigenen Mitteln oder von seinen Eigentümern respektive Gesellschaftern erhält. Dies kann durch Einlagen der Eigentümer, Reinvestition von Gewinnen oder Ausgabe von neuen Anteilen erfolgen.
Unabhängigkeit und Kontrolle …
«Die Eigenfinanzierung bietet Unabhängigkeit und Kontrolle, da die Eigentümer die volle Kontrolle über das Unternehmen behalten und keine Entscheidungsbefugnisse abgeben. Zudem verursacht Eigenkapital keine Zinskosten, was die finanzielle Belastung des Unternehmens verringert», sagt Edmund Mayer. Ein hohes Eigenkapital verbessere die Kreditwürdigkeit des Unternehmens und erhöhe die finanzielle Stabilität, wodurch die Insolvenzgefahr reduziert werde. Und: «Eigenkapitalgeber sind oft langfristig orientiert und unterstützen nachhaltiges Wachstum.» Die Menge an Eigenkapital ist allerdings begrenzt und hängt von den finanziellen Möglichkeiten der Eigentümer ab, da sie direkt am Unternehmen beteiligt sind und so ein höheres finanzielles Risiko tragen. «Eigenkapitalgeber erwarten in der Regel eine höhere Rendite als Fremdkapitalgeber, was den Druck auf das Unternehmen erhöhen kann, profitabel zu sein», gibt Mayer zu bedenken. Ebenfalls wichtig zu beachten: «Bei der Ausgabe neuer Anteile kann es zur Verwässerung der bestehenden Eigentümeranteile kommen.»
Die Fremdfinanzierung bezieht sich auf die Aufnahme von Kapital durch Kredite oder die Ausgabe von Anleihen. Das Kapital stammt von externen Gläubigern, die im Gegenzug regelmässige Zinszahlungen und die Rückzahlung des Kapitals erwarten.
… vs. Zugang zu grösseren Kapitalmengen
«Fremdfinanzierung ermöglicht den Zugang zu grösseren Kapitalmengen, als es durch Eigenfinanzierung möglich wäre», hebt Edmund Mayer einen wesentlichen Vorteil hervor. Zinsaufwendungen sind in vielen Ländern, darunter die Schweiz, abzugsfähig, was die steuerliche Belastung des Unternehmens mindern kann. Und in der Familien-KMU-Landschaft Schweiz auch nicht unwichtig: «Die Eigentümer behalten ihre Anteile und die Kontrolle über das Unternehmen.»
«Regelmässige Zinszahlungen und die Rückzahlung des Kapitals belasten allerdings die Liquidität des Unternehmens und erhöhen das Insolvenzrisiko bei Zahlungsunfähigkeit», gibt der Migros-Bankier zu bedenken. Kreditgeber können auch bestimmte Auflagen und Einschränkungen (Covenants) auferlegen, die die unternehmerische Freiheit einschränken. «Dann hängen natürlich die Konditionen der Fremdfinanzierung stark von der Bonität des Unternehmens ab; eine schwache Bonität kann zu hohen Zinsen und erschwertem Zugang zu Fremdkapital führen», so Edmund Mayer.
Die gängigsten Quellen für Fremdkapital
Traditionell ist der Bankkredit eine der häufigsten Quellen für Fremdkapital. «Banken bieten verschiedene Kreditarten an, wie kurzfristige Betriebsmittelkredite, langfristige Investitionskredite oder spezielle Förderkredite für bestimmte Branchen oder Projekte», weiss Mayer.
Daneben gibt es auch staatliche Förderprogramme, die speziell auf die Bedürfnisse von KMU zugeschnitten sind. Diese können zinsgünstige Darlehen, Zuschüsse oder Bürgschaften umfassen. «In der Schweiz bieten etwa der Bund und kantonale Institutionen wie die BG OST-SÜD solche Förderungen an.» Leasing ist eine weitere Möglichkeit, Ausrüstungen oder Fahrzeuge zu finanzieren, ohne die Liquidität des Unternehmens zu belasten.
Business Angels nicht vergessen
«Für sehr kleine Unternehmen oder Start-ups können Mikrokredite eine geeignete Option sein», zählt Mayer eine weitere Option auf. Diese werden oft von spezialisierten Mikrofinanzinstituten oder gemeinnützigen Organisationen angeboten. «Auch wohlhabende Einzelpersonen oder Gruppen von Investoren, auch bekannt als Business Angels, können eine Quelle für Fremdkapital sein. Diese Investoren bieten oft nicht nur Kapital, sondern auch wertvolle Expertise und Netzwerke», sagt Mayer.
Grössere KMU können Anleihen oder Schuldscheindarlehen emittieren, um Kapital von institutionellen oder privaten Anlegern zu beschaffen. «Diese Instrumente erfordern jedoch oft eine höhere Bonität und etablierte Marktpräsenz», präzisiert Edmund Mayer. Online-Plattformen ermöglichen es hingegen auch kleineren KMU und Start-ups, Kapital von einer grossen Anzahl von Kleinanlegern zu beschaffen. «Crowdfunding kann auf Eigenkapital basieren, während Crowdlending auf Darlehensbasis funktioniert.»
Drum prüfe, wer sich bindet
Die Entscheidung zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung hängt demnach von verschiedenen Faktoren ab, darunter die finanzielle Situation des Unternehmens, die strategischen Ziele, die Risikobereitschaft der Eigentümer und die Bedingungen des Kapitalmarktes. «Eigenfinanzierung bietet Vorteile in Bezug auf Unabhängigkeit, Stabilität und langfristige Orientierung, ist jedoch oft durch die begrenzte Verfügbarkeit von Kapital eingeschränkt. Fremdfinanzierung ermöglicht einen grösseren Kapitalzugang und steuerliche Vorteile, geht jedoch mit Zinsbelastungen und Rückzahlungsverpflichtungen einher und kann die Flexibilität des Unternehmens einschränken», fasst Edmund Mayer die Vor- und Nachteile zusammen. Die Einflussfaktoren auf die Stabilität eines Geschäftsmodells seien vielfältig. Daher ist es für die Unternehmen von Nutzen, einen Experten der Bank als Sparringpartner beizuziehen. Im Beratungsgespräch erhalten sie eine umfassende Analyse über die Situation ihrer Firma sowie Handlungsfelder für deren strategische Weiterentwicklung.
Für viele KMU könne eine Kombination aus beiden Finanzierungsformen Eigen- und Fremdfinanzierung die beste Lösung darstellen, um die jeweiligen Vorteile zu nutzen und die Nachteile zu minimieren. «Eine sorgfältige Analyse und Planung sind unerlässlich, um die optimale Finanzierungsstrategie zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen – am besten mit Ihrer Hausbank», so Mayer abschliessend.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Philipp Baer