Fokus Finanzierung

Wie geht es mit den Zinsen weiter?

Wie geht es mit den Zinsen weiter?
Walter Ernst
Lesezeit: 3 Minuten

Nach den Zinserhöhungen der letzten beiden Jahre fragen sich viele Anleger und Hausbesitzer, wie sich die Entwicklung in den nächsten Monaten fortsetzt. Walter Ernst, Leiter der Hypo Bank in St.Gallen, analysiert für den LEADER die Zinserwartungen für die Schweiz, Europa und die USA.

Die Europäische Zentralbank hat anfangs Juni den Leitzins erstmals seit fünf Jahren um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Sie folgt damit der Bank of Canada und der Schweizerischen Nationalbank, die bereits zuvor ihr Zinsniveau gesenkt hatten.

Die Inflation ist in allen grossen Wirtschaftsregionen seit den Höchstständen deutlich zurückgegangen, jedoch in den vergangenen Wochen auch teilweise wieder etwas gestiegen. So kletterte die Inflationsrate in der EU leicht auf 2,6 Prozent. «In der Schweiz liegt die Inflation mit 1,3 Prozent wieder klar im Zielbereich der Notenbank von zwei Prozent. Die Teuerung in den USA liegt aktuell bei 3,0 Prozent und damit immer noch deutlich ausserhalb des Zielbandes. Diese Entwicklung hat die US-Notenbank bisher davon abgehalten, die Zinsen in naher Zukunft zu senken», sagt Walter Ernst.

«Ein Präsidentenwechsel auf Donald Trump dürfte für höhere Inflationsraten sorgen.»

USA: Straffe Linie hat Bestand

Die US-Notenbank Federal Reserve hat ihre Zinsen wie erwartet unverändert gelassen; der Leitzins bleibt in der Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent, wie es nach der Zinssitzung im Juni hiess. Bis 2023 wurde der Leitzins im Kampf gegen die Inflation mehrfach angehoben.

«Angesichts der hartnäckig hohen Inflation in den USA hält die Notenbank Federal Reserve weiterhin an ihrer straffen Linie fest», analysiert Walter Ernst. Dazu passt, dass Zentralbank-Chef Jerome Powell jüngst signalisiert hat, dass die Hochzinspolitik wohl noch länger Bestand haben müsse, um die Inflationswelle zu brechen.

Der jüngste Kurseinbruch an den Aktienmärkten dürfte jedoch auch an der amerikanischen Notenbank nicht ganz spurlos vorübergegangen sein. «Einer der Gründe der Korrektur waren Spekulationen über eine potenzielle Rezession in den USA, gepaart mit dem Vorwurf an die Fed, die Zinswende zu spät zu vollziehen», so Ernst. Mit in die Überlegungen kommen auch zunehmend die US-Wahlen anfangs November, da ein Präsidentenwechsel auf Donald Trump für höhere Inflationsraten sorgen dürfte.

Gottlieber Hüppen  NdOF 2024  

EU: Kurswende vollzogen

Die Europäische Zentralbank hat formal die Kurswende beschlossen und die Zinsen gesenkt. Der Leitzins wurde jüngst um 0,25 Prozentpunkte nach unten auf 4,25 Prozent gesetzt. Den am Finanzmarkt massgeblichen Einlagensatz, den Banken für das Parken von Geld bei der Zentralbank erhalten, senkte sie von bisher 4,00 Prozent auf 3,75 Prozent.

«Mit diesem Schritt folgt die EZB den Notenbanken in Kanada, der Schweiz und in Schweden, die die Zinsen im Gegensatz zur US-Notenbank bereits gesenkt haben», sagt Walter Ernst. Er erwartet die nächste Zinssenkung jedoch «frühestens im Herbst».

«Wir gehen von einem unveränderten Leitzins bis Jahresende aus.»

Schweiz: Deutliche Entspannung

SNB-Präsident Thomas Jordan überraschte im Juni fast alle Marktteilnehmer, als er den Leitzins nochmals von 1,50 auf 1,25 Prozent senkte. «Der Grund dafür war, dass sich die SNB bei ihren Leitzinsentscheidungen in erster Linie an der Inflationsprognose orientiert und im Gegensatz zu den USA und der EU auch den entsprechenden Spielraum dafür hatte», erläutert Walter Ernst. Die SNB sehe eine deutliche Entspannung im Vergleich zu den letzten zwei Jahren und erwarte, dass die Inflationsrate bis Ende des Jahres bei 1,4 Prozent liegen wird. Für 2025 wurde die Prognose von 1,6 auf 1,2 Prozent nach unten korrigiert.

Das deutlich entspanntere Inflationsumfeld als in den USA und der Eurozone hat Spielraum für eine weitere Zinssenkung geboten. Trotz der erhöhten politischen Unsicherheit in Europa und der damit verbundenen volatilen Entwicklung des Franken hielt die SNB eine erneute Anpassung der geldpolitischen Ausrichtung für angemessen. «Ohne die Zinssenkung wäre die mittelfristige Inflationsprojektion der Nationalbank sogar unter die 1-Prozent-Marke gerutscht», ist Ernst überzeugt.

«Ohne die Zinssenkung wäre die mittelfristige Inflationsprojektion der Nationalbank unter die 1-Prozent-Marke gerutscht.»

Zinssenkungsbedarf hält sich in Grenzen

Der neue Zinssatz wirkt weder bremsend noch stimulierend auf die Wirtschaftsaktivität. Das heisst wiederum, dass sich der zukünftige Zinssenkungsbedarf in Zukunft in Grenzen hält. «Die Richtung der SNB-Geldpolitik wird vor allem von der Entwicklung des Schweizer Frankens in den nächsten Monaten abhängen. Nach der deutlichen Aufwertung des Frankens in den vergangenen Tagen, gehen wir derzeit von einem unveränderten Leitzins bis Jahresende aus», blickt Walter Ernst in die Zukunft.

Die Erwartungen am Terminmarkt deuten zwar immer noch auf eine Zinssenkung bis Ende Jahr hin. «Unter der Annahme eines stabilen oder gar weiter steigenden Schweizer Frankens erwarten wir keine SNB-Leitzinssenkung mehr im Jahr 2024», bekräftigt Ernst. Die längerfristigen Hypothekarmarktzinsen sind an das Zinsniveau des Kapitalmarkts gekoppelt und dürften gemäss Ernst über die nächsten drei Monate auf dem derzeitigen, wieder tieferen Niveau stabil bleiben.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

Auch interessant

«Richtung stimmt, Risiko möglicher Vorsorgelücken bleibt»
Fokus Finanzierung

«Richtung stimmt, Risiko möglicher Vorsorgelücken bleibt»

Eigen- oder Fremdfinanzierung für KMU: Abwägen lohnt sich
Fokus Finanzierung

Eigen- oder Fremdfinanzierung für KMU: Abwägen lohnt sich

«Liquidität ist die Atemluft jedes Unternehmens»
Fokus Finanzierung

«Liquidität ist die Atemluft jedes Unternehmens»

Schwerpunkte