Wann ist viel «zu viel»?
Minimalismus – wer nach diesem Prinzip lebt, soll sein Glück finden. Heisst es zumindest. Viele haben den Lockdown und die damit verbundene, erzwungene Entschleunigung als positiv erlebt. Spätestens seit der Eroberung des Internets von Marie Kondō ist der Aufräum-Trend in aller Munde.
Doch was steckt hinter dem Weniger-ist-Mehr? Was zählt wirklich im Leben? Und wie viel Konsum ist nötig zu meinem Glück? Diesen Fragen geht der diesjährige Networking-Tag der Ehemaligen-Organisation alumniOST der OST – Ostschweizer Fachhochschule am Freitagnachmittag, 9. September, nach.
«Der Preis ist verdammt hoch»
Expertin für Themen rund um die Balance zwischen Karriere, Wertschöpfung, Konsum, Erholung und Freizeit ist Marieke Born, die als Psychologin Führungskräfte und Teams berät: «‹Dieses eine Projekt noch… Dann wird es weniger, dann komme ich zur Ruhe, dann konsumiere ich weniger, dann gelange ich zurück zur Balance.› Das ewige Dilemma begleitet erfolgreiche Menschen seit Jahren», sagt Born. «Neu ist die Vehemenz, mit der die Gesellschaft das ‹Mehr› in Frage stellt und fragt: Wofür das alles? Für wen das alles?».
Am Networking-Tag zeigt die Psychologin, wie man den Ausstieg findet aus dem sich immer schneller drehenden Hamsterrad. «Es ist möglich, es ist nur verdammt hart», sagt Born. «Der Grund, warum wir bisher selten eine Wahlmöglichkeit erleben, liegt darin, dass die Gegen-Option erhebliche Preise kostet: no deal, no money, no success, no reward. Und das will wirklich keiner! Was wir aber vergessen: Der Preis so weiterzumachen, wie bisher, kann auch verdammt hoch sein: eingeschränkte Lebenslust, psychische Erschöpfung, ökologische Katastrophen und moralische Gewissensbisse.»
Neuer Luxus ist gefragt
Mit dem Thema «Luxus» beschäftigt sich die Zukunftsforscherin Martina Kühne. «Was als Luxus gilt, war schon immer abhängig vom Zeitgeist und davon, wie rar ein Gut ist. Doch die Pandemie hat nicht nur die Weltwirtschaft, sondern auch unsere Vorstellung von ‹echtem› Luxus auf den Kopf gestellt.
Jetzt werden die Massnahmen gelockert, und es stellt sich die entscheidende Frage, was von den neuen Luxusgütern wie ‹Zeit›, ‹Entschleunigung› und ‹Müssiggang› bleibt.»
An diese beiden Inputreferate werde zwei weitere Redner anknüpfen, und die Teilnehmer haben die Qual der Wahl: Matthias Geissbühler, Chief Investment Officer bei Raiffeisen Schweiz, gibt einen Einblick, wie man Geld investiert und wie man erfolgreich auf den weltweiten Aktienkursen surft, während Selim Tolga, der bekannteste Schweizer Aufräum- und Minimalismus-Experte, für «Minimalismus als Werkzeug für mehr Zeit, Ordnung und Freiheit» plädiert: «Nicht Verzicht, sondern bewusste Wahl», sei die Devise, so der Aufräumcoach.
Smarte digitale Diät
Aufräumen will auch Anitra Eggler. Die 48-Jährige bezeichnet sich selbst als Web-Veteranin und Digital-Detox-Pionierin: «Smartphones sind wie Fett. E-Mails sind wie Zucker. Social Media wirkt wie Schokolade.
Berufstätige Menschen verbringen täglich mindestens zehn Stunden vor Bildschirmen. Wer 62 Prozent seiner Wachzeit Bildschirme konsumiert, muss sich fragen: Wie gesund ist die digitale Ernährung? Macht sie fit oder fett?» Eggler plädiert für eine smarte digitale Diät, für eine Screen-Life-Balance.
Auf den Strich gebracht
Mit der simplen Frage «Warum ist es so schwierig, gute Entscheidungen zu treffen» begannen der Finne Mikael Krogerus und der Schweizer Roman Tschäppeler, die sich an der dänischen Kreativschule «The Kaospilots» kennenlernten, ihre Forschungsreise in die Untiefen des decision makings. Herausgekommen ist der internationale Bestseller «50 Erfolgsmodelle – kleines Handbuch für strategische Entscheidungen», der mit kurzen Texten und klugen Zeichnungen durch die Theorien und Methodik der Wahlmöglichkeiten führt.
Es folgten zahlreiche weitere Bücher, die sich in 25 Sprachen millionenfach verkauften. Mit wenigen Strichen auf einer Kreidetafel erklären Krogerus und Tschäppeler neue Erkenntnisse aus der Entscheidungsforschung verständlich und lebensnah. Dabei untersuchen sie die Fallgruben des modernen Arbeitslebens, in die wir immer wieder treten. Gemeinsam sind sie zudem Kolumnisten im «Das Magazin».
In ihrer wöchentlichen Erklär-Kolumne präsentieren sie Methoden, Denkfiguren und Theorien, die helfen können, ein produktiveres, sinnvolleres und grosszügigeres Arbeitsleben zu führen. Die beiden Bestseller-Buchautoren Krogerus und Tschäppeler werden die intensive Kost der verschiedenen Referate zum Abschluss des Networking-Tages grafisch festhalten.
Der Networking-Tag, ein Non-Profit-Anlass, ist öffentlich und beginnt am Freitagnachmittag, 9. September 2022, um 13 Uhr in den Hallen der Olma-Messen. Moderiert wird er von Michael Federer, Geschäftsführer alumniOST, und Nina Fischer, Co-Präsidentin alumniOST.
Abgeschlossen wird das inspirierende Nachmittagsprogramm von einer Networking-Party mit Erlebniswelten. Mehr Infos unter: https://www.networkingtag.ch