Schweizer Wirtschaft unter ihrem Potenzial – Angst vor US-Zöllen
Text: Christian Brenner
Die aktuellen Konjunkturprognosen erwecken erneut den Eindruck, dass man sich in Geduld üben muss, wenn es darum geht, dass die Schweizer Wirtschaft wieder mehr Fahrt aufnimmt. Die letzte Prognose der Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes erwartet 1,5 Prozent Wachstum 2025 und 2026 dann 1,7 Prozent. Die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich sieht die Schweiz 2025 bei plus 1,4 Prozent, 2026 dann bei 1,7 Prozent.
Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft Economiesuisse ist anhaltend skeptisch in seiner Einschätzung. Demnach werde sich die wirtschaftliche Situation auch dieses Jahr nicht wesentlich verbessern und die Schweizer Wirtschaft werde unter ihrem Potenzial bleiben, das der Verband bei 1,5 bis 1,6 Prozent Wachstum sieht. Besonders befürchten die Schweizer Unternehmer eine Zollerhöhung der USA. Eine kleine, offene Volkswirtschaft sei von solchen Entwicklungen sicher besonders betroffen, wird der Chefökonom von Economiesuisse, Rudolf Minsch, zitiert.
KOF-Barometer weist schwachen Dezember aus
Dass die Schweizer Wirtschaft schwächelt, zeigen auch die kurzfristigen Zahlen. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich veröffentlicht am 22. Januar die Dezemberwerte des KOF-Barometers, wonach nach einem Anstieg im November auf 102,9 Punkte wieder ein Rückgang auf 99,5 Punkte verzeichnet werden musste. Der Rückgang sei auf geringere Leistungen im Verarbeitenden Gewerbe, sowie schlechtere Werte bei den übrigen Dienstleistungen und im Gastgewerbe zurückzuführen. Die Nachfrage im Export sei ebenso zurückgegangen wie der Konsum im Inland.
Mit einer positiven Meldung wartete die Schweizerische Nationalbank SNB Anfang Januar auf. Nach einem ausgewiesenen Jahresgewinn von 80 Milliarden Franken 2024 wird die SNB nach zweijähriger Pause wieder eine Gewinnausschüttung vornehmen. 3 Milliarden Franken sollen an Bund und Kantone ausgeschüttet werden. Neben einem Gewinn auf den Fremdwährungspositionen von rund 67 Milliarden. Franken, resultierte 2024 auch ein Bewertungsgewinn von 21,2 Milliarden Franken auf dem Goldbestand.
Die Phase der relativen Teuerung in der Schweiz ist eindeutig abgeklungen. In der Schweiz hält sich der Anstieg der Preise mit 0,6 Prozent 2024 nach wie vor unter den Vergleichswerten anderer europäischer Staaten. Die durchschnittliche Jahresteuerung betrug laut Bundesamt für Statistik 1,1 Prozent, im Jahr 2023 lag sie mit 2,1 Prozent deutlich höher. Wohnungsmieten und Energiepreise haben zum Anstieg beigetragen, Preise für Medikamente, Gas und Autos sind gesunken.
Viele Länder in Europa haben Teuerung nicht im Griff
In Europa haben einige Länder die Inflation nach wie vor nicht im Griff, was sich auf die Gesamtstatistik niederschlägt. EUROSTAT, das Statistikamt der EU, meldet für Dezember 2024 eine Inflationsrate im Euro-Raum von 2,4 Prozent nach 2,2 Prozent im November. Kroatien führt die Rangliste mit einem Preisanstieg von 4,5 Prozent, gefolgt von Belgien mit 4,4 Prozent und Estland mit 4,1 Prozent. Ab besten ist die Situation in Luxemburg mit 1,6 Prozent und Italien mit 1,4 sowie Irland mit 0,5 Prozent. Gegenüber Dezember 2023 sind die Jahreswerte durchgehend niedriger.
Auch wirtschaftlich kommt Europa nur allmählich auf Kurs. Laut der jüngsten Publikation des Internationalen Währungsfonds IWF weist die Euro-Zone 2024 ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent auf. 2025 soll es auf 1,0 Prozent steigen und 2026 soll es 1,4 Prozent betragen. Deutschland ist aus Schweizer Sicht weiterhin ein grosses Sorgenkind. Das Nachbarland entwickelt sich nach einem Schrumpfen der Wirtschaft 2024 um minus 0,2 Prozent mit mageren plus 0,3 Prozent im 2025 nur unmerklich besser. Erst 2026 sollte mit plus 1,1 Prozent die Ein-Prozent-Marke wieder überschritten werden können.
Notenbank Fed im Konflikt mit US-Präsident Trump
In den Vereinigten Staaten hat die Teuerung auch im Dezember wieder zugenommen. Nach einer Annäherung an die Zwei-Prozent-Marke im Sommer mit 2,5 Prozent im August und 2,4 Prozent im September stieg die Inflationsrate wieder an und erreichte im Dezember mit 2,9 Prozent einen neuen Höchststand seit Juni 2024. Dennoch hielt die US-Notenbank Fed ihren Leitzins Ende Januar unverändert in der Spanne von 4,25 bis 4,5 Prozent. Bereits im Dezember hatte Fed-Chef Jerome Powell nach der dritten Zinssenkung in Folge betont, dass die Notenbank bei weiteren Anpassungen eine vorsichtige Haltung einnehmen werde. Mit dieser behutsamen Strategie steht die Fed in einem Konflikt mit US-Präsident Donald Trump, der nachdrücklich niedrigere Zinsen fordert.
Auch interessant
In seiner «Inaugural Address» am 20. Januar bekräftigte Trump seine politische Stossrichtung: «Amerika wird wieder eine Industrienation sein und wir haben etwas, das keine andere Industrienation je haben wird: Die grösste Menge an Öl und Gas von allen Ländern der Erde und wir werden sie nutzen. Wir werden die Preise senken, unsere strategischen Reserven wieder bis zum Anschlag anfüllen und amerikanische Energie in die ganze Welt exportieren.» Er werde, sagte er weiter, sofort den «Green Deal» aufheben und die Verpflichtung der Nutzung von Elektroautos beenden und damit die Automobilindustrie retten.
Am Wirtschaftsforum in Davos erläuterte der US-Präsident via Video seine geplante Vorgehensweise: Mit der Abschaffung zahlreicher Regulierungen und Vorschriften der abgetretenen Regierung Biden, insbesondere im Umweltbereich, soll die in- und ausländische Wirtschaft zu massiven neuen Investitionen in Amerika veranlasst werden. Die Unternehmenssteuern sollen dauerhaft auf 15 Prozent herabgesetzt werden, aber nur für Gewinne, die in den USA selbst erwirtschaftet werden.
Für Waren, die aus dem Ausland nach Amerika kommen, werde es unterschiedlich hohe Zölle geben. Und Öl werde aufgrund umfassender Förderungssteigerungen in den USA und mancher OPEC-Länder so billig werden, dass es der Fed möglich werde, die Leitzinsen weiter zu senken.
Gemäss den Zahlen der US-Administration hatte sich die Wirtschaft der Vereinigten Staaten unter dem abgetretenen Präsidenten Joe Biden solide entwickelt. Beim Internationalen Währungsfonds hält man im neuesten Statement vom 17. Januar für 2025 ein Wirtschaftswachstum von nunmehr 2,7 Prozent für möglich. Nachdenklich machen Beobachter die hohen Staatsschulden der USA. Diese werden die Dispositionsmöglichkeiten der Trump-Administration einschränken. Schon vor seinem Amtsbeginn stiegen die Renditen am Bond -Markt stark an – ein Anzeichen für höhere Kosten der Staatsverschuldung.
Goldpreis steigt auf über 2500 Franken pro Unze
Die Ankündigung, dass US-Präsident Donald Trump neue Importzölle auf Waren aus anderen Ländern einführen möchte, verlieh dem Goldpreis neuen Antrieb. Die Angst vor steigenden Zöllen macht Anleger vorsichtiger gegenüber klassischen Anlagemöglichkeiten und sie investieren lieber in die Krisenwährung Gold. Seitens Analysten gab es zudem Bedenken, dass Trumps Entscheidungen die Inflation und die Staatsverschuldung in den USA weiter antreiben könnten. Nachdem der Goldpreis in US-Dollar in den letzten Monaten mehrmals neue Rekordhöhen erreicht hatte, stellte er am 22. Januar auch in Schweizer Franken einen neuen Rekord auf. Er knackte die 2'500-Franken-Grenze und lag am frühen Abend bei 2'504.28 Franken pro Unze. Im Jahresrückblick berechnet ergab dies die stolze Rendite von 44 Prozent.
Grundsätzlich sind derzeit mehre allgemeine Bedingungen erfüllt, die dazu führen, dass der Goldpreis steigt: Erstens die rekordhohen Gold-Käufe vieler Zentralbanken, dann die mehrmaligen Zinssenkungen der US-Notenbank Fed, weiters die geopolitisch instabile Lage und schliesslich die hohe Verschuldung vieler bedeutender Staaten. Solange diese Faktoren bestehen bleiben, dürfte der Goldpreis weiter steigen, wenn einer oder mehrere davon wegfallen, könnte Gold auch wieder eine Korrektur nach unten machen.
Vor dem Hintergrund der von Donald Trump angedrohten Einfuhrzölle scheint sich bei Gold eine starke Tendenz dazu abzuzeichnen, Bestände aus dem Ausland in die USA zu verschieben. Die Sorge, dass auch Gold später mit einem Einfuhrzoll belastet werden könnte, scheint vor allem Goldtransfers von Händlern aus London nach den USA zu betreffen. Jedenfalls scheinen allein im November 14 Tonnen Gold an die Federal Reserve geliefert worden zu sein.
Apropos Zoll, im Lichte des Zollwesens lässt sich ein bemerkenswerter Vorgang im internationalen Austausch von Werten beobachten: Im Dezember des vergangenen Jahres exportierte die Schweiz 123 Tonnen Gold, deren Wert sich auf 9,3 Milliarden Schweizer Franken belief. Diese Zahl übersteigt den Vorjahreswert um ein beachtliches Plus von 50 Prozent. Dies hat ebenfalls mit den von US-Präsident Donald Trump in den Raum gestellten Importzöllen zu tun. Mehr als die Hälfte des exportierten Goldes wanderte nämlich in die USA (64 Tonnen), gefolgt von Grossbritannien (14 Tonnen), Indien (9 Tonnen) und Saudi Arabien (5,7 Tonnen).
Mit goldenen Grüssen
Christian Brenner