Rezept gegen Arbeitskräftemangel: Gezielt ältere Mitarbeiter und Frauen weiterbilden
Text: Christof Lampart
Edgar Spieler von der auf Outplacement und Karriereplanungen spezialisierten Rundstedt & Partner Schweiz AG, erklärte, dass der demografische Wandel vielen Firmen sehr zusetze. Denn seit 2020 gehen mehr Menschen in Rente, als neu in den Arbeitsmarkt eintreten. «40 Prozent der Unternehmen haben Rekrutierungsschwierigkeiten. Vor 20 Jahren hatten 20 Prozent Probleme, vor zehn Jahren waren wir bei 30 Prozent und jetzt bei 40 Prozent», zeichnet Edgar Spieler eine düstere Perspektive.
Eine Zuwanderung von Arbeitskräften könne das Problem nicht allein lösen. Vielmehr müssten die Firmen versuchen, ältere Mitarbeiter und Quer- und Wiedereinsteiger im Berufsleben weiterzubeschäftigen, bzw. zu (re-)integrieren. Dafür sei es notwendig, dass Firmen nicht nur ihren Topkräften Weiterbildungen ermöglichen, sondern allen Mitarbeitern in dem ihnen möglichen Rahmen. Allein bei den Frauen gäbe es ein zusätzliches Beschäftigungspotenzial von zehn Prozent. Und laut Edgar Spieler würde die Hälfte aller 45-Jährigen gerne länger als bis zur offiziellen Pensionierung arbeiten.
Stefan Andexer von Lidl Schweiz erklärte, dass Lidl sich schon seit Jahren darum bemühe, die Mitarbeiter gezielt weiterzuqualifizieren. Klassische Karrieren – vom Lehrling zum Filialleiter – seien nicht nur möglich, sondern geradezu erwünscht. So könne Lidl nicht nur motivierte Talente finden, sondern auch lange halten. «Natürlich suchen auch wir extern gute Fachkräfte, aber das ist primär dem Umstand geschuldet, dass wir jährlich schweizweit um rund zehn Filialen wachsen», so Stefan Andexer.
«Durchlauferhitzer» Kinderbetreuung
Weiterbildungen würde Fabienne Salathé von der Geschäftsleitung der Zauberkita GmbH ihren Mitarbeitern gerne anbieten – doch es gibt sie nicht. Vielmehr kämpfe die Kinderbetreuungs-Branche mit einer hohen Fluktuationsrate. «45 Prozent sind weniger als zwei Jahre am gleichen Ort angestellt und 70 Prozent weniger als zehn Jahre im Beruf», sagt Salathé. Die Gründe sind vielseitig: Zum einen sind es die physische und psychische Belastung, aber auch die fehlenden Karriereaussichten: «Viele wollen nicht einfach Kinder hüten, sondern pädagogisch wertvolle Arbeit leisten», weiss Salathé.
Für Laura Dotzauer, Präsidentin des Vereins Kinderbetreuung Thurgau, kommt erschwerend hinzu, dass die Ansprüche der Eltern gegenüber den Kitas immer höher würden. «Eltern mit einem höheren Bildungsgrad sind eher unzufrieden. Da braucht es mehr, bis sie ein Kind in eine Kita geben.» Was aber ständig zunehme, seien die Anforderungen an Kitas bezüglich Flexibilität, Tarifreduzierung und eines allgemeinen Qualitätsanspruchs. «Und das bei der aktuell schwierigen Mitarbeitersituation für uns», kommentierte Dotzauer ernüchtert.
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Eltern erhalten Geld und eine grössere Auswahl
Der Gemeindepräsident von Braunau, David Zimmermann, stellte das Kita-Programm vor, welches das WirtschaftsPortalOst (WPO) ins Leben gerufen hat, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erhöhen. Statt selbst eine teure Kita zu gründen, zahlen die mitmachenden Gemeinden jenen Eltern direkt Geldbeträge aus, die ihr Kind in eine Kita bringen, welche einen Vertrag mit der WPO abgeschlossen hat. «Wir positionieren uns so als familienfreundliche Gemeinde und Arbeitsraum», sagt Zimmermann.
Die Gemeinden gewähren ihren Einwohnern unabhängig vom Standort der genutzten Kita Subventionsbeiträge. Die Kitas wiederum verpflichten sich, Kinder aus allen angeschlossenen Gemeinden aufzunehmen, solange es die Belegung zulässt. Dies erhöht die Wahlfreiheit der Eltern und ermöglicht ihnen vergünstigte Krippenplätze auch ausserhalb ihrer Wohngemeinde. Und die Kitas haben die volle unternehmerische Freiheit, tragen aber auch das Risiko. «Da spielt dann der Markt», so David Zimmermann.