Reto Brunner von der RLC AG begrüsste im Namen der Hauptsponsoren alle Gekommenen, wie Nationalräte, Regierungsräte und die Vortragenden. «Neue Technologien haben stets Dynamik in die Gesellschaft gebracht und zu Wohlstand verholfen. Die Herausforderungen bedingen aber auch Ängste und stellen grosse Chancen für die Wirtschaft dar.»
«Ohne Fortschritt kein Wachstum»
Text: Gerhard Huber, Bilder: Ulrike Huber
Pünktlich um 13.30 Uhr bat eine sonore Stimme aus den Lautsprechern, die Plätze in der vollbesetzten Aegetenhalle einzunehmen. Start des 29. Rheintaler Wirtschaftsforums, das sich in fulminanten und beim anschliessenden Apéro intensiv diskutierten Vorträgen mit dem Thema «Zukunftstechnologien als Wohlstandstreiber» befasste.
Dynamik und Wohlstand
Das Grusswort der St.Galler Kantonsregierung überbrachte in diesem Jahr Regierungspräsident Stefan Kölliker. Er bezeichnete die digitale Transformation als eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. «Es muss möglich sein, dafür zu sorgen, dass die digitale Transformation uns nicht überwältigt.»
Investition in die Menschen
Mit Technik müsse man gescheit und kritisch umgehen. Weshalb sich die mit 75 Mio. zuzüglich 15 Mio. Franken aus der Wirtschaft dotierte IT-Bildungsoffensive nicht primär auf den technischen Bereich beziehe, sondern in die Menschen investiert werde. «So etwas hat es in der Schweiz und weltweit noch nicht gegeben. Förderung von der Volksschule bis zur Universität. So wird die Ostschweiz zum wichtigen Standort für IT-Spezialisten.»
Wie jedes Jahr wurde der «Preis der Rheintaler Wirtschaft» durch AGV-Präsident Klaus Brammertz offiziell vergeben. Dieses Jahr ging dieser Preis an die Fa. Lütolf in St.Margrethen. Lütolf hat sich vom Getreidehändler zu einem Lebensmittelproduzenten gemausert. In der dritten Generation wird der Betrieb von den Brüdern Christian und Marc Lütolf geführt, wobei auch die zweite Generation mit Vater Kurt und Onkel Ernst Lütolf weiterhin in der Geschäftsführung mit Rat und Tat zur Seite steht.
Lauter Jubelschrei
Christian Lütolf, der den Preis mit einem lauten Jubelschrei entgegennahm, bedankte sich bei AGV-Präsident Klaus Brammertz. Dieser hatte gewürdigt, dass die Fa. Lütolf alle Kriterien eines würdigen Preisträgers, nämlich Innovation, Strahlkraft über die Region hinaus und eine gute, solide Nachfolgeregelung erfülle. «Für uns ist diese Auszeichnung Riesengenugtuung und Wertschätzung.»
Moderatorin Sonja Hasler, die fachkundig und schlagfertig durch den Nachmittag führte, stieg mit einer Frage in die Runde der Fachvorträge ein: «Wie wissen wir künftig, was fake ist und was nicht? Die KI birgt grosse Chancen und Risken.» Eine Ad-hoc-Umfrage im Saal ergab, dass 64 Prozent der Anwesenden der Ansicht sind, dass der Einfluss der KI auf unsere Zukunft eher positiv sei.
Dem menschlichen Gehirn unterlegen
Benjamin Grewe, Prof. Dr. ETH Zürich, sprach dann zum Thema «Fortschritt und Ängste – was können und dürfen neue Technologien?» Und da zeigte sich, dass die KI in ihrer aktuellen Ausprägung dem menschlichen Gehirn noch weit unterlegen ist. Sie wird heute durch Limits eingeschränkt: ein eminent hoher Energieverbrauch, und der Bedarf an riesigen Mengen an Trainingsdaten.
Doch dieser enorme Aufwand versetzt die KI noch nicht in die Lage, kausale Zusammenhänge zu verstehen oder kontinuierlich zu lernen. «Das alles kann das menschliche Gehirn viel besser. Es lernt kontinuierlich und ist extrem effizient.» So benötigt ein Computersystem mit ca. 100 Milliarden Neuronen und einer Trillion Synapsen, was dem Gehirn entsprechen würde, die gigantische Energiemenge von 30 bis 70 MWh. Dagegen ist unser menschliches Oberstübchen mit 20 Watt zufrieden.
Intentionen des Menschen
Die Gefahr, dass uns die KI kontrolliert und manipuliert, sei noch nicht gross. Grewe sagte, er erwarte, dass sich die KI in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren so weit entwickle, dass sie als Assistent dienen, und dabei vielleicht auch die Intentionen des Menschen verstehen könnte. Doch sie wird dann noch nicht Dinge wie Kausalität, zielorientiertes Arbeiten, komplexes Verhalten oder die Erschaffung von völlig neuartigen Lösungswegen beherrschen.
Als zweiter Vortragender betrat Urs Gantner, CEO der VAT Group AG, die Bühne. Und präsentierte ein erstaunliches Unternehmen, das auf dem Gebiet der Vakuumventile absoluter weltweiter Marktführer ist. «Unser Umsatz hat die Milliardengrenze überschritten. Seit bald sechzig Jahren produzieren wir Vakuumventile und exportieren 99 Prozent unserer Produktion. Unser Anteil am Weltmarkt beträgt über 70 Prozent.»
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High-End-Vakuumanwendungen
Acht Prozent des Umsatzes würden jährlich wieder in Forschung und Innovation investiert. Ständig würden in der Firma neue Technologien entwickelt – fokussiert auf Komponenten und Systeme für High-End-Vakuumanwendungen. Insbesondere bei der Halbleiterproduktion führt kein Weg an den Produkten von VAT vorbei, kann es doch nur im totalen Vakuum gelingen, die Halbleiter zu beschichten.
Der Überraschungsgast war dieses Jahr die Poetry-Slammerin Moét Liechti. «Wie gut, dass meine Eltern mich nach dem Champagner von Moët & Chandon und nicht nach Freixenet benannt haben.»
Wirtschaftswachstum und CO₂-Ausstoss entkoppelt
Ökonomin Monika Bütler sprach über das eigentliche Kernthema der Veranstaltung «Ohne Technologiefortschritt kein nachhaltiges Wachstum». Fortschritte in der Technologie würden Geschwindigkeit und Qualität in der Produktion erhöhen und zu schnell sinkenden Preisen führen. So würden immer weniger Kosten für das Gleiche verlangt. Als Beispiel führte Bütler die Solarpaneele an.
«Heute können wir wachsende Sektoren bei niedrigerem CO₂-Ausstoss beobachten. Das Wirtschaftswachstum und der CO₂-Ausstoss haben sich entkoppelt, z. B. durch die Verwendung erneuerbarer Energien.»
Woher der technische Fortschritt komme? Aus der Kombination von Menschen, Kapital, Ideen, Wissen und Unternehmertum. Dazu noch die vom Staat ausgehenden Rahmenbedingungen. Wie weniger Reglementierung, umso besser. Denn Regulierung ist teuer, vor allem für KMU. Bütlers Fazit: «Wir brauchen den technischen Fortschritt, um unser eigenes CO₂-Ziel zu erreichen. Und wir sollten noch mehr Geld in die Bildung stecken.»
Abschluss und zugleich Höhepunkt des Vortragsreigens war dann die Rede von Bundesrat Albert Röst. Der SVP-Politiker, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) war standesgemäss mit dem Elektroauto angereist und erzählte über die aktuellen Probleme und Chancen in seinem Ressort.
Freiheit und Technologieneutralität
«Meine erste Mission ist es, die Schweiz aus der Energiekrise zu führen. Die Stichworte, die mir dazu einfallen, sind Freiheit und Technologieneutralität.» Und dieser Technologieoffenheit sprach er dann das Wort. Zur Erzeugung von genügend Winterstrom, um auch künftig bei gesteigertem Energieverbrauch durch weitere Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge und steigenden Bevölkerungszahlen vor allfälligen Versorgungsengpässen sicher zu sein, sei in kurzer Zeit schon viel passiert.
«Wir brauchen zehn bis fünfzehn Prozent mehr Winterstrom. Und mit den bestehenden Technologien können wir die Stromproduktion in Kürze langfristig erhöhen. Wie bei der Wasserkraft.» Dort hat der Bund sechzehn Projekte bestimmt, denen wegen des Vorrangs von nationalem Interesse der Vorrang vor dem Naturschutz gesetzlich eingeräumt werden soll. «Das bedeutet mehr Planungssicherheit und schnellere Verfahren. Und nicht jedes Projekt landet vor dem Bundesgericht.»
Unbedingt und rasch mehr Strom
Langristig benötige man 45 TWh aus erneuerbaren Energien. Man erhoffe sich, dass aufgrund der Fortschritte bei der KI sich die Forschung an der Kernfusion beschleunigen. Und auch die Kerntechnologie müsse wieder zur Diskussion gestellt werden. «Wir brauchen unbedingt und rasch mehr Strom in diesem Land», so Rösti.
Mit der Verabschiedung der Besucher durch Tagungsleiter Reinhard Frei endete ein höchst interessantes Rheintaler Wirtschaftsforum. Die nächste Ausgabe findet am 17. Januar 2025 statt.