Thurgauer Appelle für ein stärkeres Zusammenspiel
Text: pd
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Weltpolitische Verwerfungen, unsichere wirtschaftliche Perspektiven und auseinanderdriftende gesellschaftliche Kräfte boten den Rahmen für die Zusammenkunft der Thurgauer Wirtschaft in Weinfelden. Die Zürcher Wirtschaftsphilosophin und Publizistin Katja Gentinetta lieferte die philosophische Einordnung, indem sie die drei wesentlichen Herausforderungen heutiger Zeit skizzierte.
Als grösste Herausforderung bezeichnete sie das Verhältnis der Schweiz zur EU, dies im Rahmen einer Globalisierung, die im Sinne von Nachhaltigkeit mitten in der Transformation sei.
«Wirtschaft und Politik sollten sich dabei verstärkt als Partner verstehen, zum Nutzen Anderer», forderte Gentinetta. Zweite grosse Herausforderung sei die sich spaltende Gesellschaft, die dritte die Generation Z, «ich nenne sie Generation anspruchsvoll», auf die man nicht zweifelsfrei zählen könne.
«Die Jungen sind satt»
Ipek Demirtas, CEO von Forster Swiss Home in Arbon, nahm den Faden auf, blickt sie doch skeptisch auf die künftige Innovationskraft der Schweiz. Sie habe den Eindruck, dass die Jungen in der Schweiz heute satt seien und sich auf den Erfolgen ihrer Väter und Grossväter ausruhten: «Ich vermisse, dass sie brennen, dass sie Ziele, Visionen haben, dass sie sich anstrengen. Mit dieser Haltung kann sich ein Unternehmen, eine Wirtschaft nicht erfolgreich entwickeln.»
Wie man ein Unternehmen erfolgreich (wieder) auf die Spur bringt, hat Ipek Demirtas selbst bewiesen. Sie übernahm die Küchenfirma, die kurz vor dem Ende stand, 2017 zusammen mit einem Partner. Sie habe dies aus Leidenschaft getan, erzählte sie. Den damals 80 Mitarbeitenden habe sie neues Selbstbewusstsein eingeimpft, indem sie mit jedem gesprochen und mitgeteilt habe, dass Forster etwas ganz Besonderes produziere, nämlich den Mercedes der Küchen. Heute zählt die Firma über 180 Mitarbeiter.
In der anschliessenden, von Moderatorin Mona Vetsch geführten Podiumsdiskussion nahm neben Gentinetta und Demirtas auch die Thurgauer Unternehmerin und SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr teil. Sie störe sich daran, sagte Gutjahr, «dass die Leute immer weniger arbeiten wollen». Gutjahr wünschte sich, «dass man nicht nur an den eigenen Profit denkt, sondern das Kollektive wieder mehr ins Zentrum stellt».
Solide Wirtschaft in volatilem Umfeld
Das Wirtschaftsforum in Weinfelden fokussiert selbstredend jeweils auch auf die Situation im Kanton Thurgau. Daniel Wessner, Leiter des Amtes für Wirtschaft und Arbeit, verwies auf die stabile Situation der Thurgauer Wirtschaft mit ihren rund 19'000 Unternehmen. Deren Zahl sei stetig etwas gewachsen, ebenso die Zahl der Arbeitsplätze.
Der Arbeitsmarkt habe sich nach Corona rasant erholt, heute belaufe sich die Arbeitslosenquote auf 1,8 Prozent und liege somit unter dem Schweizer Durchschnitt von 2,1 Prozent. Schwächen ortete Wessner bei der Innovationskraft und durch die Abwanderung von Talenten. Über 90 Prozent der Thurgauer Unternehmen seien heute auf der Suche nach Arbeitskräften.
Ivo Germann, Leiter der Direktion Aussenwirtschaft im Staatssekretariats für Wirtschaft SECO, vertrat SECO-Direktorin Helene Budliger Artieda, die ihren geplanten Auftritt am Wirtschaftsforum wegen des Staatsbesuchs von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron absagen musste.
Germann präsentierte ein Staatssekretariat, das sich aufgemacht hat, dynamischer und präsenter zu werden. Obwohl die Wertschöpfung in der Industrie in jüngster Zeit zurückgegangen sei, erklärte er in Bezug auf die Schweizer Wirtschaft, diese werde weiter wachsen, wenn auch in gebremstem Tempo.
Preisgekrönter Koch als Thurgauer des Jahres
Wie schon im Vorjahr war in das Wirtschaftsforum ein Gespräch mit dem frisch gebackenen Thurgauer des Jahres integriert – in Kooperation mit der Thurgauer Zeitung. Die Auszeichnung ging diesmal an das kulinarische Aushängeschild des Kantons, Silvio Germann, der für seine Kochkünste im «Mammertsberg» in Freidorf von Gault-Millau zum Koch des Jahres gekürt wurde. Mit 34 Jahren führt er ein junges Team, das sich mit innovativer Küche in kurzer Zeit einen Namen gemacht hat.
Eröffnet wurde das Wirtschaftsforum im Kongresszentrum Thurgauerhof von Thomas Koller, dem CEO der Hauptsponsorin, der Thurgauer Kantonalbank, sowie vom Thurgauer Regierungspräsidenten Urs Martin. Martin verwies seinerseits auf die jüngst etwas abgekühlte Stimmung in der Thurgauer Wirtschaft. Mit Blick auf die Kantonsfinanzen seien in jüngster Zeit Einnahmen weggebrochen.
Wiederum erwies sich das Wirtschaftsforum Thurgau als gut besuchte Plattform für Inspiration, Information und Austausch. Das 28. Forum wird am 7. November 2024 stattfinden.