Ostschweiz

Internationales Umfeld belastet Ostschweizer Industrie

Internationales Umfeld belastet Ostschweizer Industrie
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Die Ostschweizer Exportindustrie leidet weiter unter der schwachen Nachfrage, während neue US-Zölle und die Krise in Deutschland für zusätzliche Unsicherheiten sorgen. Das geht aus dem neusten Bericht des Konjunkturboards hervor.

Text: pd/tan

Die wirtschaftliche Entwicklung der Ostschweiz bleibt zweigeteilt: Die Exportwirtschaft leidet weiterhin unter der schwachen Nachfrage aus dem Ausland, während sich der Binnenmarkt solide zeigt. Besonders in der Maschinen-, Elektronik- und Metallindustrie (MEM-Industrie) trübt sich die Lage weiter ein: Jedes dritte Unternehmen vermeldet eine schlechte Geschäftslage.

Die Beurteilung des Auftragsbestands ist auf den tiefsten Stand seit der Corona-Pandemie gefallen, drei Viertel der Firmen berichten von einer ungenügenden Nachfrage. Die Kapazitätsauslastung verschlechtert sich, ebenso die Ertragslage.

In der frühzyklischen Elektronik- und Optikbranche gibt es verhaltene Hoffnung auf leicht steigende Bestellungseingänge. Auch der Maschinen- und Fahrzeugbau rechnet mit einer moderaten Belebung der Aufträge, eine nachhaltige Erholung dürfte jedoch vorerst ausbleiben. Dafür bietet die weltwirtschaftliche Lage derzeit zu wenig Auftrieb.

Beurteilung des Auftragsbestands, Saldo aus «gross» und «zu klein», saisonbereinigt
Beurteilung des Auftragsbestands, Saldo aus «gross» und «zu klein», saisonbereinigt

Internationale Unsicherheiten belasten die Exportwirtschaft

Die US-Wirtschaft kühlt ab, die Eurozone wächst kaum, und die Nachfrage aus China bleibt schwach. Besonders kritisch sind die protektionistischen Absichten der neuen US-Administration zu werten.

«Obwohl die angekündigten Zölle vorerst kaum unmittelbare Auswirkungen auf die Ostschweizer Industrie haben, sorgt der zunehmende Protektionismus für spürbare Unsicherheit», sagt Céline Koster, Konjunkturexpertin bei der St.Galler Kantonalbank.

Die USA sind für die Ostschweizer Unternehmen mittlerweile der zweitwichtigste Absatzmarkt im Ausland. 2023 entfielen 14 % der Warenexporte (rund 2,28 Milliarden Franken) auf die Vereinigten Staaten. Die Ostschweiz exportiert weitaus mehr Güter in die USA, als sie von da importiert. Über die Hälfte der Exporte in die USA stammt aus der Maschinen-, Elektronik- und Metallindustrie.

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in Mio. CHF, 2023, konjunkturelles Total
in Mio. CHF, 2023, konjunkturelles Total

Noch ist unklar, ob die Schweiz im Visier der neuen US-Regierung steht. Zollmauern schaden der Ostschweizer Wirtschaft, aber auch wenn sie nicht direkt gegen die Schweiz gerichtet sind. Für die Schweiz als rohstoffarmes, kleines und stark exportorientiertes Land ist ein hindernisfreier Warenhandel essenziell.

Die Unternehmen sind darauf angewiesen, dass sie ihre Güter auf dem Weltmarkt verkaufen können. Positiv ist, dass viele Unternehmen strategisch gut aufgestellt sind, sich auf hochtechnologische Nischen fokussieren und ihre Produkte nur schwer substituieren lassen.

Was droht der Ostschweiz?

Sollten auf Produkte aus der Schweiz neue US-Zölle verhängt werden, drohen sie an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Auch ohne direkte US-Zölle könnte die Ostschweizer Exportindustrie negative Effekte zu spüren bekommen. Erstens, weil zahlreiche Ostschweizer Unternehmen in Mexiko oder Kanada präsent sind und von da unter anderem in die Vereinigten Staaten liefern.

Zweitens, falls Produktgruppen aus dem EU-Ausland breitflächig mit weiteren US-Zöllen belegt werden und so die Bestellungen bei den Schweizer Zulieferern weiter zurückgehen. Drittens, falls die EU als Gegenmassnahme ebenfalls Zölle gegenüber Drittstaaten erheben sollte, von denen auch die Schweiz betroffen wäre – so bereits während der ersten Trump-Präsidentschaft geschehen.

Und viertens, über nichttarifäre Massnahmen wie die unlängst angekündigten Ausfuhrquoten von Computerchips, die auch gegenüber der Schweiz verhängt werden sollen. Schliesslich ist es derzeit aber vor allem die «vorhersehbare Unberechenbarkeit», die belastet.

Schwäche der deutschen Wirtschaft verstärkt den Druck

In Deutschland, dem wichtigsten ausländischen Abnehmermarkt der hiesigen Industrie, verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage zuletzt erneut. Hohe Energiepreise, strukturelle Probleme und eine geringe Exportdynamik bremsen das Wachstum. Die deutsche Industrieproduktion entwickelte sich in den vergangenen Jahren rückläufig.

«Die Entkopplung des deutschen Exports von der weltwirtschaftlichen Entwicklung verstärkt den negativen Effekt. Dies führt zu einer angespannten Lage bei vielen Ostschweizer Zulieferern», folgert Céline Koster.

Nebst konjunkturellen Herausforderungen schwächt sich das Investitions- und Geschäftsklima in unseren Nachbarländern Frankreich, Österreich und Deutschland auch aufgrund politischer Umwälzungen weiter ab.

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Optimistisch in die nähere Zukunft
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Nominaler Wert des Produktionsvolumens der Industrie, indexiert, Januar 2019 = 100, saisonbereinigt
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Binnenwirtschaft als stabilisierender Faktor

Während die exportorientierten Branchen unter Druck stehen, bleibt die Binnenwirtschaft robust. Der Grosshandel spürt zwar die Schwäche der Exportbranchen, doch Konsumgüterhändler berichten weiterhin von einer stabilen Nachfrage. Die tiefe Inflation stützt den privaten Konsum, während die verstärkte konjunkturelle Unsicherheit dämpfend wirkt.

So blicken sowohl das Gastgewerbe als auch der Detailhandel dank eines starken Winter- und Weihnachtsgeschäfts zufrieden auf die vergangenen Monate. Auch der Ausblick bleibt zuversichtlich. Der Dienstleistungssektor rechnet ebenfalls weiterhin mit einer positiven Entwicklung. Das Baugewerbe verzeichnet eine hohe Nachfrage dank steigender Bauvorhaben.

Die Bauinvestitionen in der Schweiz sind 2024 erstmals seit sechs Jahren wieder gestiegen (+2,2 %) und dürften laut Prognosen der KOF in den kommenden Jahren weiter zulegen. «Im Wohnungs- und teilweise auch im Gewerbebau beleben die gesunkenen Zinsen die Nachfrage trotz längerer Bewilligungsverfahren», erklärt Fabio Giger, Research Analyst der IHK St.Gallen-Appenzell. Einzig das Baunebengewerbe kann nicht mehr ganz an die ausserordentlich gute Entwicklung der Vorquartale anknüpfen.

Arbeitsmarkt kühlt weiter ab

Der Arbeitskräftemangel hat sich leicht entspannt, besonders in den von der Exportflaute betroffenen Branchen. Die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt bleibt erhöht.

Die Arbeitslosenquote ist in der Ostschweiz zuletzt nochmals angestiegen auf 2,2 Prozent. Stellensucher finden jedoch oft rasch eine neue Beschäftigung. Die Anzahl an Kurzarbeitsgesuchen hat zugenommen. Insgesamt versuchen die Betriebe ihre Mitarbeiter nach Möglichkeit zu halten.

Mangel an Arbeitskräften, Anteil betroffener Unternehmen in %, saisonbereinigt
Mangel an Arbeitskräften, Anteil betroffener Unternehmen in %, saisonbereinigt

Stimmungsbarometer bleibt unter Wachstumsschwelle

Die Ostschweizer Wirtschaft entwickelt sich vorerst impulslos. Zwar könnten globale Zinssenkungen mittelfristig für Rückenwind sorgen, doch die geopolitischen Unsicherheiten und protektionistischen Tendenzen trüben den Ausblick– ein Umstand, der sich deutlich in den aktuellen Indikatoren widerspiegelt: Der Ostschweizer Geschäftslageindikator gibt erneut nach, verharrt jedoch im neutralen Bereich.

east#digital breakfast, 20.02.2025  
Saldo aus «gut» und «schlecht», saisonbereinigt
Saldo aus «gut» und «schlecht», saisonbereinigt

Auch der Stimmungsbarometer sinkt und bleibt damit deutlich unter der Wachstumsschwelle. «Umso entscheidender sind Sicherung und Ausbau der Marktzugänge – durch die bilateralen Abkommen mit der EU sowie durch gezielte neue Freihandelsabkommen, wie die kürzlich unterzeichneten mit Indien, Kosovo und Thailand», sagt Fabio Giger.

Saldo aus «gut» und «schlecht», saisonbereinigt
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