Inspiration-Day zeigte die Facetten von KI
Text: Michael Breu
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«Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig und durchdringt nahezu alle Bereiche unseres täglichen Lebens. Doch es ist weit mehr als nur ein nützliches Werkzeug, das unser Leben erleichtert», sagte Michael Federer, Geschäftsführer der Ehemaligenorganisation «alumniOST», einleitend. Mit dem Tagungsmotto «KI – Herrscherin oder Diener?» wolle man deshalb unterschiedliche Facetten der KI beleuchten, kritisch hinterfragen, aber auch Inspirationen finden für künftige Anwendungen.
Rund 350 Ehemalige folgten der Einladung der alumniOST und besuchten das Vortragsprogramm, das sie zuvor aus verschiedenen Blöcken selbst zusammenstellen konnten, und den anschliessenden Networking-Apéro im Foyer des Fachhochschulzentrums in St.Gallen.
99 Prozent Transpiration
Ein gut besuchtes Referat hielt beispielsweise Walter Baechtiger, Alumnus der FHS St.Gallen (Wirtschaftswissenschaften) und Gründer von «VoiceBase». Das KI-Unternehmen, das Sprechtexte analysiert und von namhaften Fortune-500-Unternehmen eingesetzt wird, wurde in den 2000er-Jahren als das Beste «Tech-Startup» im Silicon Valley bezeichnet und später auch erfolgreich für 125 Millionen Dollar an einen Grosskonzern verkauft.
Baechtiger gab in seinem Referat Einblick, wie Ökonomie in der führenden Techmetropole in der südlichen San Francisco Bay Area tatsächlich funktioniert: «Um Erfolg zu haben, muss man der Beste sein. The Winner takes it all. Der Zweitbeste geht unter», sagte Baechtiger gleich zu Beginn. «Wenn ein Start-up Erfolg haben will, muss es durchstarten wie eine Rakete. Damit Raketen nicht abstürzen, müssen sie stetig an Geschwindigkeit zulegen.»
Heisst: Ein Start-up braucht viel Geld; VoiceBase haben monatlich mindestens eine Million Dollar «verbrannt». Zurücklegen für schlechte Zeiten, das gäbe es im Silicon Valley nicht – im Gegenteil: Wer spart, ist ein Loser und wird von den Investoren abgestraft.
Was wiederum bedeute, dass man stets bluffe: «Business im Silicon Valley ist 1 Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration», so der Betriebsökonom und OST-Alumnus. Nach dem Verkauf von VoiceBase vor drei Jahren, ist der Ostschweizer heute beratend für diverse Start-ups tätig, zudem fokussiert er sich auf den Aufbau eines neuen Unternehmens im Bereich der KI.
Kritischer Umgang mit KI ist wichtig
Auf diesen unterhaltsamen, aber doch auch verstörenden Einblick in den amerikanischen Turbo-Kapitalismus gab es aber auch Referate, die den «menschlichen Faktor» der KI betonten und ethische Überlegungen in den Mittelpunkt stellten.
Ein Beispiel dafür war Sibylle Peuker, Gründerin von Speculatives Futures Zurich, Partner & User Experience Architect bei Zeix und u.a. Dozentin an der OST – Ostschweizer Fachhochschule.«Biases, Fehlinterpretationen und Falschinformationen: Viele KI-Anwendungen haben einen schlechten Ruf oder schon richtig Schaden angerichtet und viele Menschen sind verunsichert», sagte die studierte Mathematikerin.
Sie nannte auch gleich ein Beispiel aus ihrem privaten Haushalt: «Meine Waage im Badezimmer speichert automatisch mein Gewicht. Vor einiger Zeit kam meine Schwester auf Besuch. Und am nächsten Morgen hatte ich plötzlich ein Gewicht registriert, das überhaupt nicht in die Datenreihe passte. Die Waage hat unbeabsichtigt meine Schwester überwacht.» Ähnliches könne beispielsweise auch mit der intelligenten Toilette passieren. Peuker mahnte deshalb zum kritischen Umgang mit KI.
Breite Palette von hochstehenden Referaten
«Mit dem ‹Inspiration-Day OST› greifen wir aktuelle gesellschaftliche Themen auf und vermitteln den Teilnehmern spannende Impulse aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur», fasst Michael Federer, Geschäftsführer der Ehemaligenorganisation alumniOST, die Konzeptidee zusammen.
Der «Inspiration-Day» starte mit einer Keynote von Guido M. Schuster, Leiter des ICAI Interdisciplinary Center for Artificial Intelligence an der OST. Er verschaffte einen allgemeinen Überblick über den Stand der künstlichen Intelligenz und erläutert die Grundidee des überwachten maschinellen Lernens am Beispiel eines Sprachmodells. Neben den oben erwähnten Vorträgen konnten die Teilnehmee aus einem «Pick&Choose-Programm» den Abend individuell gestalten.
Damir Bogdan, CEO von Quantum Basel, berichtete, wie Technologien von morgen die Industrie von heute beeinflussen. Stefan Klameth und Daniel Wagner, Gründer von Smovie, zeigten in einem Mini-Workshop was mit generativer KI in der Videoproduktion möglich ist. Julia Imlauer vom Startup-Unternehmen Presada berichtet über die Herausforderungen der KI-Gründerszene. Orestis Floros, Chatbot-Experte bei Helvetia Versicherungen Schweiz berichtet von den Erfahrungen mit «Clara», dem KI-Bot im Kundenservice.
Ivan Rizzuto, Co-Founder von Cloud Solutions, führt ins Thema CoPilot ein, der integrierten KI von Microsoft. Wie die neusten KI-Technologien in den Arbeitsalltag integriert werden können, zeigt Marc Müller, Co-Founder von Vertical Data. Und Eling de Bruin, Professor am Studiengang Physiotherapie der OST, berichtet, wie die SC Rapperswil Jona-Lakers einen KI-Trainer im Hochleistungssport einsetzen.
Der nächste «Inspiration-Day OST» der alumniOST findet am Donnerstag, 4. September 2025 statt.