Gast-Kommentar

Die Zukunft von Traditionsmarken: Wo bleibt das Markentestament?

Die Zukunft von Traditionsmarken: Wo bleibt das Markentestament?
Kybun Joya aus Roggwil TG zeigt Interesse am Markennamen Künzli
Lesezeit: 3 Minuten

Der Verkauf von Traditionsunternehmen wirft oft Fragen nach der zukünftigen Markenführung und Identität auf. Am Beispiel renommierter Schweizer Firmen wie Bally oder Künzli zeigt sich, wie entscheidend ein klares Markentestament für den langfristigen Erfolg sein kann. Doch was passiert, wenn dieses Testament verloren geht?

Text: Daniel Schindler, valuePROS

Die Traditionsfirma ist verkauft, das Closing soeben erfolgt. Die neuen, optimistischen Inhaber sind voller Euphorie. Das Markenlogo strahlt im morgendlichen Sonnenlicht an der bröckelnden Fassade. Ein Teil der neu eingesetzten Geschäftsleitung ist bereits vor Ort – nur die Gründerin oder der Gründer fehlt. Die Traditionsfirma begibt sich auf eine Reise ohne ihre ursprünglichen Köpfe, entweder zu neuen Ufern oder zum endgültigen Aus.

Die Bally-Schuhe wanderten von der Oerlikon Gruppe zur Texas Pacific und weiter bis zur Übernahme durch die Investmentfirma Regent. Die ursprüngliche Gründerphilosophie scheint weit entfernt. Ebenso bei Raichle (später Raibo Sportartikel AG), einem einstigen Schweizer Hersteller von Wander- und Wintersportschuhen, dessen Name nun der Mammut Sports Group AG gehört. Die einst berühmte Skischuh-Passform und die erste Schnallenschnürung von Pionier Karl Molitor aus Wengen sind in der Geschichte verblasst.

Auch die traditionsreiche Sportmarke Nabholz, gegründet 1821 in Schönenwerd AG, erlebte ihre Glanzzeiten. Jahrelang rüstete sie Nationalmannschaften aus, bekannt durch die Sendung «Fit mit Jack» mit dem legendären Trainer Jack Günthard. Heute hat Nabholz den Sprung ins Rampenlicht verpasst. Die Sporttextil-Marke kämpft nicht mehr um Medaillen.

Ein weiteres Beispiel ist Lahco, ein Sport- und Bademodeunternehmen, das 1922 in Baden AG gegründet wurde. Nach guten Jahren schrumpfte der Marktanteil, bis es 2017 zur Insolvenz kam. Heute wird die Marke von der Jacob Rohner AG betreut.

Das aktuellste Kapitel dieser Liste: Künzli-Schuhe in Windisch AG.

Nach 98 Jahren steht das Unternehmen vor dem Aus. Die Nachfolgeregelung ist unklar, das Sortiment wirkt wenig differenziert, und die Kommunikation ist schwach. Die Kennzahlen deuten auf stürmische Zeiten hin.

Die Nachfolge in Familienunternehmen, besonders bei Traditionsmarken, ist oft eine schwierige und zeitintensive Angelegenheit. Häufig entscheiden sich Gründer, die Nachfolge ausserhalb der Familie zu suchen, wenn eine interne Lösung nicht möglich ist. Ein Verkauf an Branchenkollegen, der sogenannte «Trade Sale», ist oft die bevorzugte Wahl.

Im Falle von Künzli-Schuhe könnte ein Management-Buy-out (MBO) durch engagierte Fachleute im Betrieb eine solide Option darstellen. Privatinvestoren könnten das Unternehmen sowohl im Orthopädie- als auch im Sportsegment bewerten. Die Marke Künzli wird möglicherweise von neuen Besitzern in deren eigenen Produktionsstätten weitergeführt – doch es wird viel Kapital nötig sein, um die Firma wieder auf Kurs zu bringen.

Wie viel Markenstrahlkraft bleibt? Insider bezeichnen den Markenauftritt als «stark ausgetreten». Die einstigen sportlichen Erfolge sind verblasst, der Markenauftritt unauffällig. Was ist mit der früher so angesehenen Markenphilosophie passiert? Wo ist das Markentestament geblieben? Die entscheidende Frage ist: Was ist der Markenkern heute noch wert?

Fakt ist, dass die Marke Künzli zwar vielen Menschen noch ein Begriff ist, aber das Markenversprechen scheint nicht mehr klar definiert. Nur wenn die neuen Führungskräfte das Markentestament als Leitfaden für zukünftige Erfolge anerkennen, kann die Marke wieder prosperieren.

Der Schlüssel zur Wiederbelebung der Traditionsmarke liegt im Verständnis ihrer DNA. Ohne die Gründer-Story und das Erbe der Marke zu integrieren, verliert die Marke ihren einzigartigen Wert und ihre Identität. Investoren sollten sich vor einem Engagement eine gründliche und ehrliche Markenanalyse vorlegen lassen, um die Revitalisierungschancen realistisch einschätzen zu können.

Auch interessant

Obligationen ja, Experimente nein
Gast-Kommentar

Obligationen ja, Experimente nein

Gold behält magische Anziehung im Hinblick auf die Zinssenkung
Gast-Kommentar

Gold behält magische Anziehung im Hinblick auf die Zinssenkung

US-Schulden steigen munter weiter
Gast-Kommentar

US-Schulden steigen munter weiter