Gast-Kommentar

408'000 Chefs und der Balanceakt auf den Zehenspitzen

408'000 Chefs und der Balanceakt auf den Zehenspitzen
Paul Beerli, Verwaltungsrat, Beerligroup AG, Niederteufen
Lesezeit: 2 Minuten

Sie fragen sich vielleicht, was diese Zahl mit Ihren Füssen zu tun hat? Das Bundesamt für Statistik zählt rund 408'000 Vorgesetzte in der Schweiz (Stand 2023). Doch wie viele von ihnen verfügen über echte Führungsqualitäten? Was schätzen Sie: 10 %, 20 %, 30 % oder mehr? Nach meinen Erfahrungen aus dem 1:1-Coaching mit Führungskräften besitzen nur etwa 10–20 % der Vorgesetzten eine natürliche Persönlichkeitsstruktur, die echte Führungsqualitäten ausmacht – wie Intelligenz, emotionale Kompetenz, Kommunikationsstärke und die nötige Durchsetzungs- und Widerstandskraft.

Text: Paul Beerli

Viele Führungskräfte sind in ihre Rolle nicht hineingewachsen, sondern hineingeschlittert. Oftmals, weil sie fachlich gut sind oder als «Anerkennung» (nennen Sie es auch «Wertschätzung») befördert werden. Das Resultat? Eine grosse Anzahl an Kadermitarbeitenden scheitert grandios. Warum? Der neue Titel auf der Visitenkarte, der Parkplatz vor der Firma, die umfangreicheren Kompetenzen in Bezug auf Personal und Budget und das höhere Gehalt sind erst mal verlockend. Doch was Führung im Tagesgeschäft tatsächlich bedeutet, ist den wenigsten bewusst.

In täglichen Führungssituationen ist es unvermeidlich, dass es zu Auseinandersetzungen, Hindernissen, Pech, Herausforderungen, Widerständen, Enttäuschungen und Misstrauen kommt. Daher ist es wichtig, Gefühle und Emotionen in Führungssituationen zu beachten und sorgfältig zu verarbeiten, um erfolgreich zu führen.

In vielen Unternehmen schlüpfen Chefs in eine Rolle, die ihnen nicht wirklich passt. Und je weniger die Rolle zu ihnen passt, desto mehr müssen sie sich – im übertragenen Sinne – auf die Zehenspitzen stellen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Auf Dauer steht aber keiner gerne ständig auf den Zehenspitzen: Das ist anstrengend, schmerzhaft und wirkt oft verkrampft und unnatürlich.

Weshalb sind so viele Angestellte unzufrieden mit ihren Chefs? Wenn in einer hypothetischen Mitarbeiterumfrage die Frage gestellt würde: «Was halten Sie von Ihrem Vorgesetzten?» und nur zwei Antwortmöglichkeiten zur Verfügung stünden, nämlich «Sympathieträger» oder «Idiot», wie würde die Verteilung der Antworten ausfallen?

Das Geheimnis guter Führung

Also, was macht eine gute Führung aus? Der erste Schritt ist eine gemeinsame Wellenlänge. Achten Sie als Chef und Mitarbeiter darauf, dass Sie emotional zueinander passen – gleicher Humor, ähnliches Arbeitstempo, ähnliche Ambitionen, gleiche gesellschaftliche Ansichten, ähnlicher Geschmack. Das ist die halbe Miete! Die Führung mit Zahlen und Tools muss grossenteils ersetzt werden durch eine Führung mit den Menschen, denn die Resultate aus Führungstools sind nur nachgelagerte Ergebnisse aus der Führungsbeziehung zweier Menschen.

Deshalb: Eine der wichtigsten Eigenschaften eines guten Chefs ist, intuitiv zu spüren, ob seine Führung wirkt. Dies sieht man an der Aufmerksamkeit und an den leuchtenden Augen der Mitarbeitenden – und, genauso wichtig, an den leuchtenden Augen des Chefs! Diese Resonanz schafft ein Umfeld, in dem Führung gedeiht. Fehlen diese Zeichen, entstehen kleine Risse, die in einem Hauch von Chaos münden können. Also, Chefs und Mitarbeitende, seien Sie auf derselben Wellenlänge. Das leuchtet ein – und im Idealfall die Augen dazu auch.

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