Inflation war gestern, ist heute Deflation?
Text: Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank
Im nächsten Jahr wird der Druck bei der Inlandteuerung abnehmen, wenn die Mietzinserhöhungen des Frühjahrs aus der Inflationsrechnung herausfallen. Die Mietpreise waren im Oktober im Vergleich zum Vorjahr 4.0 % höher. Zudem haben sie mit einem Gewicht von 19 % im Warenkorb einen starken Einfluss auf die Inflationsrate. Hinzu kommt, dass der Referenzzinssatz für die Mieten durch die Zinssenkungen der SNB sinken wird, was zu tieferen Mieten führt. Das Potenzial für die Mieten nach unten ist angesichts der Engpässe bei den Mietwohnungen begrenzt.
Weiter wird angeführt, dass tiefere Strompreise im nächsten Jahr die Inflation drücken werden. Der direkte Einfluss der Strompreise ist mit einem Gewicht von nur 2 % jedoch gering. Ob die Unternehmen tiefere Stromkosten an die Konsumenten weitergeben, ist fraglich, solange die Nachfrage nach ihren Produkten gut ist.
Die Preiserhöhungen in den Restaurants und Hotels, die 10 % der Inflationsrate ausmachen, schwanken dagegen seit Monaten in einem breiten Band um 2.0 % herum. Solange die Wirtschaft nicht in Richtung Rezession abdriftet, die Arbeitslosenrate nicht deutlich ansteigt und die Tourismusorte sich eher über zu viele als zu wenige Gäste beklagen, wird der Preisdruck in diesem Sektor nicht kleiner. Die Inlandteuerung wird abnehmen, aber nicht in einen Bereich, der Deflationsängste schüren muss.
Der Blick über die Grenze
In Deutschland ist die Inflationsrate auf in der EU vergleichbarer Basis im Oktober von 1.8 % auf 2.4 % angestiegen. Ob das eine Trendwende darstellt oder ob sich der Inflationsdruck auf einem Niveau von 2 % einpendelt, wird sich zeigen. In den USA sind die Renditen der Obligationen um mehr als 0.5 % gestiegen, nachdem die Erwartungen an Zinssenkungen der Fed massiv reduziert wurden. Das hat mit besser als erwarteten Konjunkturdaten und der sich verflüchtigenden Angst vor einer Rezession zu tun.
Ein wichtiger Faktor ist aber auch der Plan von Donald Trump, bei einer allfälligen Wiederwahl die Zölle auf mehr oder weniger allem, was die Amerikaner importieren, zu erhöhen. Höhere Zölle führen zu höheren Kosten, die über höhere Preise an die Konsumenten weitergegeben werden. Ob die Inflationsrate dadurch effektiv steigen wird, ist allerdings unsicher. Trump muss zuerst gewählt werden. Dann braucht es seine Zeit, bis die Zölle beschlossen und eingeführt sind. Sollte durch die Zölle die Konjunktur geschwächt werden, wird der Inflationsdruck gar sinken.
Zudem sind andere Faktoren wie der Ölpreis für die Inflationsrate in den USA wichtiger. Klar ist aber, dass der Trend nicht nur in den USA in Richtung mehr Protektionismus und weniger internationaler Freihandel geht. Dadurch nimmt der Wettbewerb ab und die Kosten der Unternehmen in der Produktionskette steigen.
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Kaum Wiederholung von 2022/23
Dass die Inflationsraten wieder auf die Höhen von 2022 und 2023 ansteigen, kann ausgeschlossen werden. Dafür müssten die Energiepreise drastisch steigen. Trotz der sich drehenden Eskalationsspirale im Nahen Osten und der damit verbundenen Gefahr eines Unterbruchs der Öllieferungen aus dem Persischen Golf ist das unwahrscheinlich. Ein Lieferkettenproblem auf fast allen Produkten ist ebenfalls nicht zu erwarten, ebensowenig ein überbordender Konjunkturboom in den westlichen Industrieländern oder in China.
Solange es keine Rezession gibt, wird der Lohndruck in den meisten Ländern angesichts des engen Arbeitsmarktes aber erhöht bleiben. Die Inflationsraten in den USA und in der Eurozone werden daher nicht weiter fallen. Die Inflation ist ein internationales Phänomen. Deshalb gelten die gemachten Aussagen auf einem tieferen Niveau auch für die Schweiz. Die Befürchtungen vor einer deflationären Phase sind unbegründet.