Wirtschaft

«Unser Wohlstand ist nicht gottgegeben»

«Unser Wohlstand ist nicht gottgegeben»
Michael Hilti
Lesezeit: 5 Minuten

Michael Hilti ist Ehrenpräsident des Bautechnologiekonzerns Hilti. Der Sohn des Unternehmensgründers Martin Hilti trat 1975 in das Familienunternehmen ein; ein Jahr später wurde er in die Konzernleitung berufen. Ab 1978 war Hilti stv. Vorsitzender der Konzernleitung, von 1990 bis Ende 2023 Vorsitzender. Von 1994 bis 2006 präsidierte er den Verwaltungsrat. Im Gespräch blickt Hilti auf seine beruflichen Herausforderungen zurück – und mit Sorge auf die geopolitische Lage.

Michael Hilti, der diesjährige Unternehmertag vom 12. September stand unter dem Motto «Wege zum Erfolg». Was ist das Erfolgsgeheimnis von Hilti?
Zu jedem Erfolg braucht es auch ein wenig Glück. Mit der Entwicklung des weltweit ersten Schubkolbengerätes Mitte der 50er-Jahre, dem DX 100 für Direktbefestigung, bestand die Notwendigkeit einer Demonstration vor Ort, also auf der Baustelle. Das war die Geburtsstunde unseres Direktvertriebs, dem wir über all die Jahre treu geblieben sind und den wir laufend weiterentwickelt haben. Ein Berater hat damals meinem Vater den Rat gegeben: «Nicht Fabrikbesitz ist wichtig, Marktbesitz ist wichtig.» Den hat er als Ingenieur dann auch befolgt.

Was waren die wesentlichen Treiber?
Ich sehe vier wesentliche. Erstens: Unser weltweites Direktvertriebssystem. Über zwei Drittel unserer weltweit rund 34'000 Mitarbeiter sind in Marketing und Sales tätig. Damit ist eine grösstmögliche Nähe zum Endkunden gegeben und das Wissen um seine Bedürfnisse. Zweitens: Ständige Innovation. Die jährlichen Aufwendungen für Forschung & Entwicklung betragen heute rund sieben Prozent des Umsatzes. Dies verbunden mit einer ständigen Ausweitung unseres Marktleistungsangebots von Hardware, Serviceware und nun auch verstärkt Software, welche für die betrieblichen Abläufe unserer Kunden immer wichtiger wird. Drittens: Konsequente Konzentration und Fokussierung auf unser «Stammgeschäft». Dies mit dem Ziel, der beste Partner für Produktivität, Sicherheit und Nachhaltigkeit zu sein. Und viertens: Eine Unternehmenskultur, die weltweit von den gleichen Werten bestimmt ist und uns auch als weltweites Team zusammenschweisst. Eine Kultur, die nicht nur die Art und Weise der Zusammenarbeit bestimmt, sondern ganz besonders die Innovationsfreudigkeit und Innovationskraft prägt. 

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«Nicht Fabrikbesitz ist wichtig, Marktbesitz ist wichtig.»

Sie haben das Unternehmen während über 30 Jahren in operativen und strategischen Funktionen zu einem Weltmarktführer in der Befestigungstechnologie geführt. Was ist Ihr persönliches Erfolgsrezept?
Das ist relativ einfach: Einerseits sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und sich seiner eigenen Ersetzbarkeit und Endlichkeit bewusst zu sein. Andererseits den Menschen und damit die Mitarbeiter als wichtigsten Treiber des Erfolgs zu wissen. Immer bessere Mitarbeiter einzustellen, als man selbst ist. Nur so entwickelt man sich selbst als Führungskraft weiter und nur so bleibt die Führungstätigkeit faszinierend und spannend. Wichtig war und ist auch die Erkenntnis, die Konzernleitungsmitglieder von innen zu entwickeln. Führungskräfte, von denen man weiss, welche Leistung sie erbringen, wie sie ihr Team führen, wie sie Mitarbeiter entwickeln, nicht nur für ihren Bereich, und auch wie sie die Hilti-Kultur leben. Um sowohl der Dynamik im Unternehmen als auch der Umwelt gerecht zu werden, gelten bei uns nicht nur Altersbeschränkungen, sondern auch Amtszeitbeschränkungen für die Mitglieder der Konzernleitung wie des Verwaltungsrates.

Welche waren die grössten Herausforderungen, denen Sie in Ihrer Karriere begegnet sind, und wie haben Sie diese gemeistert?
Es gab natürlich immer wieder Herausforderungen. Das liegt in der Natur der Sache und macht die Arbeit auch spannend. Grösste Herausforderungen? Ich würde da zwei nennen: Mein Einstieg in das Hilti-Geschäft 1974/1975. Mein Vater hatte 1972 einen schweren Herzinfarkt, den er Gott sei Dank überlebte. Er etablierte 1973 erstmals eine Konzernleitung mit klar zugeordneten Verantwortungen. Nur funktionierte diese nicht wie vorgesehen, da primär um seine Nachfolge gekämpft wurde. Ich selbst habe diese Kämpfe sechs Monate miterlebt. Es war wohl die beste Erfahrung, die ich machen konnte, nämlich «How not to run a business». Eine höchst wertvolle Ausbildung, die man an der Uni nie erhält und die für das Unternehmen sehr, sehr teuer war. Tiefgreifende Erfahrungen, die mich in meiner Entwicklung als Führungskraft sehr geprägt haben. Mit dem Abgang von zwei Konzernleitungsmitgliedern im Mai 1975 war dieser Spuk zu Ende. Ich wurde in der Folge mit zwei Kollegen in die Konzernleitung berufen und übernahm damals das Ressort Marketing & Sales weltweit. Dieser Einstieg mit 29 Jahren an die Führungsspitze war sicher eine der grössten Herausforderungen. Es ging darum, ein total demotiviertes Team wieder aufzubauen und sich auch von Führungskräften zu trennen. Dass mein Vater all dies mitgetragen und voll unterstützt hat, zeugt von grossem Vertrauen.

Und welches war die zweite grosse Herausforderung in Ihrer Karriere?
Die Krise 1982/83. Nach sehr erfolgreichen Jahren mit zweistelligem Wachstum erlebten wir eine weltweite Rezession. Ein Wechsel von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt. Unsere Innovation stockte. Grundlegende Veränderungen waren angesagt, doch der Konzern war träge geworden. Der Wille, die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Veränderung waren mangelhaft bzw. gar nicht erwünscht. Die notwendigen Konsequenzen: McKinsey im Haus, eine OVA und drastische Veränderungen an den Führungsspitzen der einzelnen lokalen Hilti-Organisationen. Die Herausforderung lag darin, ein neues weltweites Führungsteam der nächsten Generation zu schaffen und die lokalen Königreiche und Fürstentümer zu einer wirklichen Gruppe zusammenzufügen. Nur Personalveränderungen allein reichten nicht aus. Es wurde immer klarer: Wenn wir das Potenzial unserer vielen Teammitglieder bestmöglich nutzen wollen, wenn wir wirklich als Gruppe agieren wollen, brauchen wir eine weltweit einheitliche Unternehmenskultur. An dieser arbeiten wir nun bereits seit fast 40 Jahren und Hilti ist heute gemäss «Great Place to Work» einer der besten Arbeitgeber weltweit.

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«Ich hoffe, dass es nicht zu unbedachten Fehlreaktionen kommt.»

Geopolitische Auseinandersetzungen und Handelskonflikte belasten die Wirtschaft. Wie blicken Sie auf die aktuellen Entwicklungen?
Natürlich mit grosser Sorge, denn die weltweiten Turbulenzen nehmen zu und nicht ab. Ich hoffe nur, dass es nicht zu unbedachten Fehlreaktionen kommt und jemand den falschen Knopf drückt. Geopolitische Auseinandersetzungen und Blockbildungen gehen immer auch mit Handelskonflikten und protektionistischen Massnahmen einher, denn jeder ist sich selbst der Nächste. Unsicherheit ist immer schlecht für das Geschäft, und wir machen uns natürlich schon seit Längerem Gedanken über die gesamte Supply Chain und inwieweit wir die Marktversorgung auch zukünftig bestmöglich sichern können. Das wird aber nie 100 Prozent klappen, sind wir doch auf der ganzen Welt tätig.

Hilti ist eng mit Liechtenstein verbunden. Wie sehen Sie die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Liechtenstein?
Ich sehe die Zukunft nach wie vor gut, es sei denn, die Aussenumstände ändern sich drastisch. Liechtenstein hat in den letzten 100 Jahren eine unglaubliche Veränderung erlebt – vom sehr armen Agrarstaat zu einem der höchstentwickelten Länder. Da haben natürlich viele Faktoren mitgespielt, sei es die politische Stabilität und Kontinuität, massgeblich auch geprägt durch das Fürstenhaus, die enge Verbindung mit der Schweiz, unser Beitritt in den EWR, die UNO etc. etc. Man muss sich aber stetig bewusst sein, dass unser Wohlstand nicht gottgegeben ist, sondern dieser immer wieder erarbeitet werden muss. Darum müssen wir alles tun, um eine starke und zukunftsorientierte Wirtschaft zu haben und um nicht zuletzt auch für internationale Top-Talente attraktiv zu sein und zu bleiben. Es liegt an uns. Dass wir an Liechtenstein als Wirtschaftsstandort glauben, zeigen nicht zuletzt auch unsere erheblichen Investitionen der letzten Jahre hier am Stammsitz des Konzerns.

Text: Patrick Stahl

Bild: zVg

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