«Der Glaube an sich selbst ist das entscheidende Rezept»

Sepp Blatter, Sie betonen oft, dass der Glaube an sich selbst der Grundstein für den Erfolg ist. Wie haben Sie diese Überzeugung in Ihrer Karriere umgesetzt?
Ich bin meistens nach einem bestimmten Muster vorgegangen: Zuerst muss man eine Zielsetzung haben – daraus ergibt sich ein Auftrag respektive eine Mission. Und dann ist es entscheidend, dass man Selbstvertrauen entwickelt – und an sich selbst glaubt. Es geht fast immer um Selbstvertrauen.
Mit dem Verlust Ihres Amtes im Jahr 2016 stand für Sie ein tiefgreifender Einschnitt an. Wie sind Sie damals mit dieser Veränderung umgegangen, und wie stand es damals um Ihr Selbstvertrauen?
Das war eine harte Zäsur – umso wichtiger ist es, dass man seinen eigenen Grundsätzen treu bleibt und sich auf das konzentriert, was man selbst beeinflussen kann.
Sie sagten, dass Sie Ihr Mandat zur Verfügung gestellt haben, ohne zu demissionieren.
Nach der Intervention der amerikanischen Justiz wurde der Druck auf die FIFA extrem gross. Um diese Situation zu entschärfen, habe ich mein Mandat zur Verfügung gestellt. Ich empfand es als höchst ungerecht, dass ich von den Medien vorverurteilt wurde. Darauf eröffnete auch die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen mich – das 2022 mit einem Freispruch endete.
«Man darf nie den Bezug zur Basis verlieren.»
Nelson Mandela hat Sie in Ihrer Denkweise und Ihrem Umgang mit Macht inspiriert. Inwiefern können KMU-Führungskräfte aus Mandelas Zitat «Vergeben, aber nicht vergessen» lernen?
Diese Denkweise passt extrem gut in meine Lebensphilosophie. Und als FIFA-Präsident war ich sozusagen Chef eines KMU.
Im Kontext von «Macht und Machtlosigkeit» – was bedeutet persönliche Resilienz für Sie?
Da komme ich wieder auf den vorherigen Punkt zurück – man muss an sich selbst und an die eigenen Stärken glauben. Das ist in schwierigen Lebensphasen entscheidend.
Wie beurteilen Sie die Rolle der Führung in einem zunehmend technologiegetriebenen Umfeld, in dem auch KI Einfluss auf Entscheidungsprozesse nimmt?
Meiner Ansicht nach sollte die KI keinen direkten Einfluss auf Management-Entscheidungen nehmen. Ein Chef muss die Entscheidungen selbst fällen – und die Verantwortung dafür tragen.
Auch interessant
Sie haben langjährige Erfahrung in einer der weltweit einflussreichsten Sportorganisationen gesammelt. Welche Führungsprinzipien sind Ihrer Meinung nach unerlässlich, um Macht positiv zu nutzen?
Ich habe stets nach dem Prinzip «Führung durch Vertrauen» und nicht «Führung durch Kontrolle» gearbeitet. In der Privatwirtschaft muss man seinem Führungsstab und den Mitarbeitern vertrauen können.
Die Meinung, dass Macht ohne Verantwortung zur Machtlosigkeit führt, ist weitverbreitet. Wie stehen Sie zu dieser Aussage, und wie definieren Sie Verantwortung im Führungsalltag?
Verantwortung zu tragen, ist der Schlüssel, um eine Führungsposition wahrzunehmen. Ohne Verantwortung hat Macht keinen Wert.
Welche Ratschläge würden Sie KMU-Unternehmern geben, die mit ihrer Rolle oft zwischen Einfluss und Machtlosigkeit stehen?
Man kann es nicht oft genug betonen: Der Glaube an sich selbst ist das entscheidende Rezept. Dann wird es nie zu Machtlosigkeit kommen.
Was ist aus Ihrer Sicht der grösste Fehler, den Führungskräfte im Umgang mit Macht machen?
Man darf nie den Bezug zur Basis verlieren – und muss sich immer erinnern, woher man kommt. Letztlich ist jeder Chef von seinen Mitarbeitern abhängig.
Joseph «Sepp» Blatter (*1936) war von 1998 bis 2016 Präsident der FIFA, der internationalen Dachorganisation des Fussballs. Während seiner Amtszeit prägte der Walliser die Fussballwelt massgeblich und setzte zahlreiche Reformen um. Nach seiner Suspendierung aufgrund eines Verfahrens durch die FIFA-Ethikkommission wurde er 2022 freigesprochen. Heute engagiert sich Blatter weiterhin für den Sport und teilt seine langjährigen Führungserfahrungen mit Unternehmern und Führungskräften.
Text: Patrick Stämpfli
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer