Selbstbestimmtes Leben ermöglichen

Selbstbestimmtes Leben ermöglichen
Markus Fisch, Alma Mähr
Lesezeit: 4 Minuten

Alma Mähr und Markus Fisch leiten als Präsidentin und Geschäftsführer das Ostschweizer Kompetenzzentrum für Menschen mit einer Körperbehinderung oder Hirnverletzung, das ab sofort unter dem Namen «Viv» auftritt. Dass das Zentrum gerade jetzt einen neuen Auftritt bekommen hat, ist kein Zufall.

Alma Mähr, Markus Fisch, warum ein Rebranding – und warum gerade jetzt?
AM: Die strategischen Prozesse in eine Entwicklung mit verstärktem Fokus auf die vielseitigen und individuellen Angebote (Wohnen, Tagesstruktur, Cavere) für Menschen mit einer Hirnverletzung, körperlichen und/oder psychosozialen Beeinträchtigung sind bereits eingeläutet. Die Umsetzung der Gesamtmarke Viv unterstützt diese Weiterentwicklung, macht sie sichtbar und repräsentiert die Dynamik und Flexibilität der Viv-Organisation. 

Wer ist alles unter der neuen Dachmarke Viv vereint?
MF: Der Trägerverein wurde 1986 mit dem Ziel, Menschen mit einer Hirnverletzung, körperlichen und/oder psychosozialen Beeinträchtigung zu unterstützen, gegründet. Seither ist die Organisation zu einer grossen sozialen Einrichtung mit vier Standorten in der Ostschweiz und mit einem überregionalen ambulanten Angebot gewachsen. Viv Quimby, Viv Imboden, Viv Riva und Viv Selun – so heissen die Institutionen – bieten verschiedene Wohnmöglichkeiten sowie Tagesstrukturen mit sinnstiftenden Arbeitsplätzen. Viv Cavere ergänzt die Angebotspalette im ambulanten Bereich, wo Menschen zu Hause punktuell begleitet und im Arbeitsleben (wieder) in die Privatwirtschaft integriert und begleitet werden.

Ist die neue Marke nur «Kosmetik» oder gehen mit ihr auch organisatorische und angebotsbezogene Veränderungen einher?
AM: Die vielschichtigen Herausforderungen und die steigende Komplexität, mit denen soziale Unternehmen konfrontiert sind, verlangt die dauernde Auseinandersetzung mit Innovation, Strategie und Werten. Wir verstehen die Weiterentwicklung als kontinuierlichen Prozess. Der Neuauftritt ist im Zuge dessen ein Meilenstein; weitere Anpassungen in den Angeboten wie auch in der Organisation stehen in der Pipeline.

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«Die neue Marke soll Identität und Zweck der Organisation klarer und zeitgemässer kommunizieren.»

Ich nehme an, Sie haben die Marke nicht kreiert, um einen bunteren Web- und Printauftritt zu ermöglichen, sondern Sie möchten den ehemaligen OVWB (Ostschweizer Verein zur Schaffung und zum Betrieb von Wohnmöglichkeiten für Körperbehinderte) neu positionieren?
AM: Genau. Die neue Marke dient dazu, die Identität und den Zweck der Organisation klarer und zeitgemässer zu kommunizieren. Die Kernkompetenz ist und bleibt die Betreuung und Begleitung von Menschen mit einer Hirnverletzung und/oder Beeinträchtigung. Der Neuauftritt wird uns helfen, die Wahrnehmung und das Verständnis für unsere Angebote in der Öffentlichkeit zu stärken.

Können damit auch Prozesse vereinfacht werden?
MF: Ja. Unsere Institutionen haben zwar ihre eigene Kultur und Struktur, aber die Gemeinsamkeiten sind gross. Dies soll einerseits mit der neuen Marke sichtbar gemacht werden, andererseits wird sie auch dazu dienen, die Synergien im Rahmen der Umsetzung der Strategie noch besser zu nutzen.

Hat man das bisher etwas verschlafen?
MF: Nein, der Neuauftritt und Prozessoptimierungen waren schon länger in Diskussion. Die Pandemie und personelle Veränderungen haben den Prozess jedoch verzögert.

«Eine Hirnverletzung durch Krankheit oder Unfall verändert das Leben von Grund auf.»

Kommen wir zu Ihrem Angebot: An wen richtet es sich, wo können Sie helfen?
MF: Eine Hirnverletzung, verursacht durch eine Krankheit oder einen Unfall, verändert das Leben von Grund auf. Die Verletzung haben u. a. körperliche Folgen (Lähmungen, Koordinationsstörungen), Sinnesschädigungen, Sprach- und Sprechstörungen, kognitive Störungen (Gedächtnis, Aufmerksamkeitsstörungen, Wahrnehmung) und sozialemotionale Störungen. Für uns steht im Vordergrund, unsere Klienten individuell zu unterstützen. «Selbstbestimmt leben» ist unsere zentrale Botschaft und unser Anspruch in der Begleitung und Betreuung unserer Klienten.

Sind das vor allem Menschen mit angeborenen Behinderungen oder auch beispielsweise Unfall- oder Schlaganfallopfer?
MF: Beides – Menschen mit einer angeborenen Beeinträchtigung wie auch Menschen, die durch eine Krankheit oder einen Unfall in diese Betreuungs- und Begleitsituation gekommen sind.

Wie hoch ist Ihre Erfolgsquote, wenn man so sagen will, in Ihren Wohnhäusern und Tagesstätten?
MF: Erfolg bedeutet, dass Menschen im Rahmen ihrer Beeinträchtigung so selbstbestimmt wie möglich ihr Leben gestalten und an der Gesellschaft teilhaben können. Damit ist die Steigerung der Lebensqualität, die immer individuell und subjektiv empfunden wird, ein zentraler Punkt. In diesem Sinn lässt sich eine Erfolgsquote nicht einfach quantitativ messen. Wir helfen aber mit Sicherheit mit, die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung unserer Klienten wesentlich zu verbessern.

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«Wir wünschen uns von der Wirtschaft Unterstützung, um mehr integrative Arbeitsplätze zu schaffen.»

Und wie werden Sie finanziert?
AM: Wir haben verschiedene Kostenträger wie das Amt für Soziales des Kantons St.Gallen und die kantonalen Sozialversicherungsanstalten, mit denen wir Leistungsvereinbarungen haben – und wir erhalten Beiträge von den Unfallversicherungen, den Krankenkassen und Sozialdiensten. Im Weiteren haben wir Erträge aus verkauften Produkten und erbrachten Dienstleistungsaufträge sowie aus Spenden.

Erhalten Sie aus der Wirtschaft genügend Unterstützung?
AM: In der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je, dass Menschen mit Beeinträchtigung wenn immer möglich wieder in den Arbeitsprozess integriert werden. Diesbezüglich würden wir uns von der Wirtschaft eine grössere Unterstützung und Offenheit wünschen, um mehr integrative Arbeitsplätze zu schaffen. Wer uns unterstützen möchte, sei es mit Arbeitsplätzen oder als Sponsor, ist jederzeit herzlich willkommen. Unter ovwb.ch oder 071 282 96 96 stehen wir gerne zur Verfügung. 

Zum Schluss: Wo sehen Sie Viv in fünf Jahren?
MF: In fünf Jahren wollen wir DAS Ostschweizer Kompetenzzentrum für Menschen mit einer Hirnverletzung und/oder Beeinträchtigung sein, das etabliert und erfolgreich mit einem guten, bedürfnisgerechten und bekannten Angebot in der gesamten Ostschweiz agiert.
AM: Auf dem Weg dahin sind wir nicht allein unterwegs. Wir haben eine wirkungsvolle und verlässliche Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern aufgebaut – mit dem gemeinsamen Ziel, den Klienten durchlässige, optimale und vielfältige Dienstleistungen zu bieten.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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