Polnische Betreuerinnen für zuhause
Aleksandra Milkowska kommt aus Polen. Sie ist 52 Jahre alt und arbeitet in der Schweiz als Seniorenbetreuerin. Sie kümmert sich um ältere Menschen, damit die in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben können und nicht in ein Alters- oder Pflegeheim müssen. Aleksandra Milkowska ist den ganzen Tag bei den Senioren, sie kocht, wäscht, putzt für sie und leistet ihnen Gesellschaft. Manchmal dauert ihr Einsatz vor Ort zwei bis drei Monate, manchmal etwas länger. Dazwischen kehrt sie immer wieder in ihre Heimat zurück.
Die Polin ist eine von 450 Angestellten der Pflegehilfe Schweiz AG, einer der grössten Dienstleister im Betreuten Wohnen im eigenen Daheim in der Schweiz. Aleksandra Milkowska arbeitet seit vier Jahren für das Unternehmen. «Sie ist eine wirkliche Perle», sagt Geschäftsführer Donar Barrelet. «Man spürt, dass die Betreuung nicht nur ein Beruf für sie ist, sondern eine Berufung.» Pflegehilfe Schweiz begleitet und betreut aktuell rund 220 Familien in der Schweiz. «Wir sprechen von Familien, weil sich unser Team nicht nur um die betagte Person kümmert, sondern weil wir auch in engem Austausch mit den Angehörigen sind.»
Bei 80 Prozent der zu betreuenden Seniorinnen und Senioren ist Demenz und Alzheimer ein grosses Thema. Das fordert das Team und die Betreuenden. Die Mitarbeiterinnen übernehmen einfache bis komplexe Betreuungsarbeiten, aber keine Pflege. «Für eine qualifizierte Pflege braucht es zusätzlich die Spitex», sagt Barrelet. «Das ist in der Krankenpflegeverordnung Schweiz so festgelegt.»
Niederlassungen in Polen
Immer mehr Menschen möchten im Alter in ihrer vertrauten Umgebung bleiben, obwohl sie auf Hilfe angewiesen sind. Eine individuelle Betreuung, wie sie Pflegehilfe Schweiz anbietet, macht dies möglich. Die Mitarbeiter stammen hauptsächlich aus Polen, aber auch aus der Slowakei und der Schweiz. «Wir haben festgestellt, dass die polnische Kultur uns Schweizerinnen und Schweizern sehr ähnlich ist und es deshalb gut funktioniert», sagt Barrelet, dessen Frau ebenfalls aus Polen kommt. «Alle Mitarbeitenden sprechen Deutsch, da sie vorher auch schon in Deutschland gearbeitet haben. Bei uns werden sie in Kultur, im Umgang mit Betreuungsbedürftigen sowie in Selbstfürsorge geschult.» Weshalb es nur wenige Schweizerinnen und Schweizer in dieser Betreuungsfunktion gebe, könne er nicht sagen. «Vielleicht liegt es an unserem Wohlstand oder an unseren beruflichen Optionen, die doch um einiges vielfältiger sind als in anderen Ländern», vermutet er.
Rekrutiert wird das Betreuungspersonal vor Ort. In Polen beispielsweise hat Pflegehilfe Schweiz mehrere Niederlassungen, wo Bewerbungsgespräche, Assessments und Deutschtests stattfinden. Danach werden Interessierte in die Kartei aufgenommen und den Seniorinnen und Senioren vorgeschlagen. Sie entscheiden dann zusammen mit ihrer Familie selbst, wen sie als Betreuerin – über 90 Prozent sind Frauen – haben möchten. Der Einsatz der Mitarbeiter variiert je nach Bedarf des zu Betreuenden und je nach Eigenleistung, die die Familie mitbringt. «Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Familie die Betreuung an jenen Tagen übernimmt, an denen unsere Mitarbeitenden ihren Ruhetag geniessen», sagt der Geschäftsführer, «oder die Betreuerinnen arbeiten zwei Wochen am Stück und haben dann wieder zwei Wochen frei». Es habe aber auch schon sehr komplexe Betreuungsaufgaben gegeben, bei denen zwei bis drei Mitarbeiter im Einsatz waren, und es in Kombination mit der Spitex zu einer 24-Stunden-Betreuung kam.
Gemäss Barrelet arbeiten die Betreuerinnen von Pflegehilfe Schweiz nach dem Gesamtarbeitsvertrag des Personalverleihs. «Danach sind auch unsere Löhne ausgerichtet.» Ausschlaggebend für die Berechnung eines Lohnes seien vor allem die Berufsbildung, die Erfahrung und der Kanton, in dem die Person zum Einsatz komme. Bezahlt würden auch Ferien- und Feiertagsentschädigungen sowie anteilsmässig ein 13. Monatslohn. «Wenn nötig und gewünscht, werden Bereitschaftsstunden vereinbart und den Mitarbeitenden vergütet.»
Gegenwind am Anfang
Barrelet hat das Unternehmen vor über zehn Jahren zusammen mit seiner Frau Sylwia gegründet. Damals allerdings nicht für die Schweiz, sondern für Deutschland. «Meine Frau und ich hatten beide die Erfahrung gemacht, dass ein Angehöriger der Familie gerne zu Hause betreut worden wäre, es aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich war.» Sie bauten sich zunächst in Deutschland ein Pflegehilfe-Netzwerk auf, kehrten dann zurück in die Schweiz und lancierten ihr Angebot auch hier. «Eigentlich war meine Frau die treibende Kraft», erzählt Barrelet. «Ich habe sie am Anfang vor allem im Marketing unterstützt und bin dann je länger desto mehr hineingerutscht.» Mittlerweile teilen sich die beiden die Geschäftsführung und sind Mitglied im Verwaltungsrat.
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Einige waren zu Beginn skeptisch, weil Pflegehilfe Schweiz hauptsächlich mit ausländischem Personal arbeitet. «In der Schweiz kannte man dies nicht und wenn doch, dann nur in Zusammenhang mit Schwarzarbeit.» Die Barrelets aber wollten weg von diesem Image, wollten Qualität für die zu betreuenden Personen bieten und anständige Anstellungsbedingungen für das Personal schaffen. In der Branche, in der es viele schwarze Schafe gibt, haben sie sich «einen guten Ruf» erworben, wie es in einem NZZ-Artikel heisst. «Unsere Arbeit als Dienstleister wird mittlerweile sehr gut akzeptiert und immer mehr Familien und Betagte wählen uns als Partner für ihr Leben im Alter», sagt der Geschäftsführer.
Kritik an der 24-Stunden-Betreuung
Zwischen 10 000 und 30 000 Personen, vorwiegend Pendelmigrantinnen aus Osteuropa, betreuen in der Schweiz ältere Menschen in deren Zuhause. Sie tun dies oft rund um die Uhr. Von Seiten der Gewerkschaft VPOD gibt es immer wieder Kritik an dieser 24-Stunden-Betreung. Die Arbeitsbedingungen seien prekär, der Lohn gering, sagt Elvira Wiegers, Zentralsekretärin Gesundheit beim VPOD. «Es geschieht, weil die Betreuungsarbeit im Privathaushalt stattfindet und es ein Tabu ist, dort genauer hinzuschauen, geschweige denn zu kontrollieren oder gar zu sanktionieren.»
Schon seit längerem fordert die Gewerkschaft zusammen mit anderen Akteuren eine «transparente nationale Regulierung» für die Betreuung älterer Menschen zuhause. Die Betreuerinnen sollen unter das Arbeitsgesetz (ArG) gestellt werden, welches Minimalstandards bezüglich wöchentlicher Höchstarbeits- und Ruhezeiten sowie des Gesundheitsschutzes setzt. Aktuell ist die Betreuung älterer Menschen zuhause kantonal geregelt. Es gibt 26 verschiedene kantonale Normalarbeitsverträge NAV und einen Gesamtarbeitsvertrag bei der Anstellung durch eine Personalverleihfirma, die zur Anwendung kommen. «Die Betreuung älterer Menschen zuhause ist Teil der Langzeitpflege, die aus einer Hand geplant, organisiert und finanziert werden muss», sagt Wiegers. «Sie darf nicht der demokratischen Kontrolle entzogen werden. Die Gesellschaft muss entscheiden, wie wir im Alter leben und versorgt werden sollen.»
Donar Barrelet von der Pflegehilfe Schweiz sagt zur Kritik der Gewerkschaften: «Grundsätzlich muss von einer direkten Anstellung, einem Rund-um-Dienstleiter und der Schwarzarbeit unterschieden werden. Nach unserer Erfahrung entstehen Probleme vor allem bei der direkten Einstellung einer Betreuungsperson.» Oft würden die Familien und die Mitarbeiter nicht wissen, welche Schwierigkeiten und Hürden es gebe, angefangen beim Arbeitsvertrag bis hin zur Lohnabrechnung. «Mit dem GAV ist jeder Dienstleister, ob private Spitex oder Rund-um-Betreuer, an klar definierte Gesetze und Regeln gebunden.» Diese würden durch die Kantone und die Tempcontrol (Vollzug des GAV) regelmässig kontrolliert. «So entstehen klare und faire Verhältnisse für Arbeitnehmende, Arbeitgebende und die betreuten Seniorinnen und Senioren.»
Nicht teilen könne er die Aussage, dass es verhältnismässig wenig Geld für das Betreuungspersonal gebe. «Im Vergleich zu Deutschland oder Österreich werden Betreuerinnen und Betreuer äusserst gut vergütet. Die Wertschöpfung der Mitarbeitenden und das verdiente Geld entspricht in ihrem Heimatland weit mehr als dem Durchschnittslohn.»
Text: Marion Loher
Bild: Marlies Thurnheer, zVg