Schwerpunkt Wirtschaftsraum Bodensee

Grenzenlose Zusammenarbeit

Grenzenlose  Zusammenarbeit
Gruppenfoto der IBK-Gipfelkonferenz (von links): Minister Winfried Hermann (BW), Staatsministerin Melanie Huml (BAY), Regierungsrat Patrick Strasser (SH), Regierungspräsidentin Monika Knill (TG), Landeshauptmann Markus Wallner (VA), Bundespräsident Ignazio Cassis, Regierungschef Daniel Risch (FL), IBK-Vorsitzender 2022 Regierungsrat Alfred Stricker (AR), Landammann Roland Inauen (AI),Regierungsrat Fredy Fässler (SG), Regierungsrat Ernst Stocker (ZH).
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Im Vierländereck rund um den Bodensee wird eine Wirtschaftsleistung in der Grössenordnung von Finnland erbracht. Seit nunmehr 50 Jahren kümmert sich die Internationale Bodenseekonferenz auf politischer Ebene um die vielfältige Zusammenarbeit – die künftig dank eines neuen Instruments noch vertieft werden soll.

Der Bodenseeraum war schon eine prosperierende Wirtschaftsregion, bevor es Geschichtsschreiber, geschweige denn Statistiker gab. Die frühzeitlichen Menschen kannten nur den Fussmarsch und noch keine suboptimal aufeinander abgestimmte Verkehrsplanung, die Handelshemmnisse damals waren vielleicht Naturgefahren, aber zumindest nicht bürokratischer Natur.

Grenzen schaffen unterschiedliche Hoheitsgebiete

Ein paar tausend Jahre später ist das Zusammenleben rund um den Bodensee fraglos angenehmer, wenn auch komplexer. Der Beziehungsstatus der Länder und Kantone in diesem Raum ist «kompliziert» – nicht, weil sich die vier Millionen Menschen hier nicht mögen, sondern weil sie im Verlauf der Geschichte durch Grenzen in unterschiedliche Hoheitsgebiete sortiert wurden. Seit 50 Jahren wirkt inzwischen die Internationale Bodenseekonferenz (IBK) in diesem Raum, anfänglich ging es darum, den namengebenden gemeinsamen Trinkwasserspeicher sauber zu halten, heute liegt eine wesentliche Aufgabe der IBK darin, die Bedeutung der Grenzen im Alltag der Menschen zu minimieren.

Sauberes Seewasser

Als Vorläufer der IBK wurde schon 1959 in St.Gallen die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee gegründet, 1960 wurde in Steckborn ein Übereinkommen über den Schutz des Bodensees gegen Verunreinigungen unterzeichnet. Daraus entstand 1972 die Bodenseekonferenz, die als informelle Plattform der Bodensee-Anrainerländer Baden-Württemberg, Bayern und Vorarlberg und Anrainerkantone St.Gallen, Schaffhausen und Thurgau gegründet wurde. Im Vordergrund standen Fragen der Raumordnung und des Umweltschutzes, und da weiterhin insbesondere des Gewässerschutzes: Der Bodensee wurde zu lange vernachlässigt.

Erweiterung der IBK

In den Achtzigerjahren wurde die Konferenz dann auch im Namen «International» und weitete gleichzeitig mit der Gründung der Kommissionen für Verkehr und für Kultur den Blick. Später sollten unter anderem die Kommissionen für Wirtschaft sowie für Bildung, Wissenschaft und Forschung folgen. Ab 1993 wurde die IBK um beide Appenzell erweitert, 1998 folgten Zürich und das Fürstentum Liechtenstein. Nach der Jahrtausendwende wurden in der IBK auch Projekte zum Klimaschutz oder zur Digitalisierung angeschoben. Weil die IBK quasi als Interessengemeinschaft regionaler politischer Körperschaften zwar Gestaltungskraft entwickeln kann, aber formell kaum Weisungsbefugnisse hat, bekommt sie just zum Jubiläum mit der Regierungskommission Bodensee ein neues Gremium zur Seite gestellt. Geleitet wird diese Kommission von hohen Beamten der jeweiligen Aussenministerien, sie soll künftig als Schnittstelle zwischen der IBK und den nationalen Regierungen funktionieren. Damit können auf nationalstaatlicher Ebene Probleme aufgenommen werden, die auf der Ebene der Kantone und Bundesländer aus Kompetenzgründen nicht gelöst werden können. Die Realisierung dieser Kommission, die im Mai in St.Gallen an einem Pilottreffen ins Leben gerufen wird, ist nicht zuletzt der Initiative des Schweizer Bundespräsidenten Ignazio Cassis zu verdanken. Cassis war es dann auch vorbehalten, diese Regierungskommission am IBK-Jubiläumsanlass auf dem Säntis anzukündigen.

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Gemeinsame Leitlinie

Die IBK-Regierungschefs trafen sich auf Einladung ihres Vorsitzenden, Regierungsrat Alfred Stricker (AR) auf dem Säntis zu Arbeit und Beziehungspflege. Die Regierungsvertreter hielten anschliesend in einer «Gipfelerklärung» fest, dass sie entschlossen seien, «eine europäische Vorzeigeregion mit hoher Wirtschaftskraft, sozialer Gesinnung und Engagement für Nachhaltigkeit zu sein.» Die zwölf Punkte der Erklärung betonen gemeinsame Werte auf dem Fundament der alemannischen Kultur. Deshalb sollen Bodensee und Rhein stets verbindend und nicht trennend sein. «Die Gipfelerklärung ist nun die Leitlinie für die IBK in der Zukunft», sagt Regierungsrat Alfred Stricker. Im Dialog mit der Wirtschaft will die IBK das Vierländereck als «Modellregion für Entwicklung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz» positionieren. Dafür will sie die besten Köpfe, weshalb auch die Bildungszusammenarbeit verstärkt werden müsse. Viel verspricht sich die IBK zudem von Impulsen und dem Engagement der jüngeren Generation. Im Verkehr setzt die IBK auf eine ökologische und vernetzte Mobilität; im Austausch der Menschen will sie verhindern, dass wieder wie während der Pandemie von Mitte März bis Mitte Juni 2020 Grenzen geschlossen werden: «Die Schlagbäume dürfen nicht noch einmal heruntergehen.»

Der Schweizer Bundespräsident Ignazio Cassis erläutert auf dem Säntis den Medien die Idee der Regierungskommission Bodensee.
Der Schweizer Bundespräsident Ignazio Cassis erläutert auf dem Säntis den Medien die Idee der Regierungskommission Bodensee.

Potente Wirtschaftsregion

Immerhin wohnen mehr als vier Millionen Menschen im Bodenseeraum, davon mehr als die Hälfte auf Schweizer Gebiet. Die Statistikplattform Bodensee der IBK unter derFederführung der Fachstelle für Statistik des Kantons St.Gallen hat etliche Kennzahlen zusammengetragen, so zählt sie 2019 im IBK-Raum 2,3 Millionen Erwerbstätige. Der Anteil an Erwerbstätigen pro 1000 Einwohner liegt dabei in Zürich mit 605 und in Liechtenstein mit 1048 am höchsten – im Fürstentum gibt es also mehr Arbeitsplätze als Einwohner. Fast drei Viertel der Arbeitsplätze entfallen auf den Dienstleistungssektor.

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«Die Gipfelerklärung ist nun die Leitlinie für die IBK in der Zukunft.»

Alfred Stricker, IBK-Vorsitzender

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Bodenseeregion 2018 betrug 272 Milliarden Euro (damals 314 Milliarden Franken), was knapp dem BIP von Finnland oder sechs Prozent des kumulierten BIP von Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz entspricht. Das Gros davon wird mit 196 Milliarden Euro in der Schweiz erwirtschaftet – hier wirkt sich aus, dass neben der engeren Ostschweiz auch der potente Kanton Zürich in die Statistik einfliesst.

Der St.Galler Staatssekretär Benedikt van Spyk bereitet das Pilottreffen der Regierungskommission Bodensee vor.
Der St.Galler Staatssekretär Benedikt van Spyk bereitet das Pilottreffen der Regierungskommission Bodensee vor.

IBK auf Jubiläumstournee

Dass die IBK künftig dem Verkehr, insbesondere dem Öffentlichen Verkehr, noch mehr Aufmerksamkeit widmen will, liegt auch an den täglichen Pendlerströmen in der Bodenseeregion. 2019 wurden total 57 400 Grenzgänger gezählt, die grössten Bewegungen laufen aus dem Vorarlberg nach Liechtenstein und St.Gallen sowie von St.Gallen nach Liechtenstein. Signifikante Pendlerströme gibt es auch aus dem Raum Konstanz in den Thurgau, nach Zürich und nach Schaffhausen. Anlässlich des Jubiläums 50 Jahre IBK wird zwischen dem 16. Mai und dem 31. Juli eine Wanderausstellung in einem speziell gestalteten Schiffcontainer an verschiedenen Orten in allen zehn Mitgliedsländern und Mitgliedskantonen IBK-Themen der Bevölkerung näher bringen. Der Container wird jeweils auch Dreh- und Angelpunkt für politische Gespräche und kulturelle Intermezzi sein. Zu den einwöchigen Gastspielen werden auch Delegationen von Schulen und den regionalen Parlamenten eingeladen.

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