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Diplomatischer Support für den Lebensraum Bodensee

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Der St.Galler Staatssekretär Benedikt van Spyk bereitet das Pilottreffen der Regierungskommission Bodensee vor.
Lesezeit: 6 Minuten

In vielen Themen kann die Internationale Bodenseekonferenz gemeinsame Lösungen erarbeiten. Sobald die nationale Ebene mitwirken muss, kann sie aber nichts beschliessen. Im Mai soll nun in St.Gallen ein Pilottreffen einer Regierungskommission Bodensee mit hochrangigen Vertretern aus Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz stattfinden. So soll die nationale Ebene einbezogen werden, um bestimmte Probleme im IBK-Raum zu lösen.

Dass die frohe Botschaft just zum 50. Geburtstag der IBK verkündet wurde, war eher ein glücklicher Zufall. Dass der Schweizer Bundespräsident es verkündete, war allerdings kein Zufall: Bundesrat Ignazio Cassis, der selbst aus einem Grenzkanton stammt, hat mitbekommen, dass im Grenzraum Bodensee ein diplomatisches Format fehlt, das es in den anderen Schweizer Grenzregionen längst gibt: die Einbindung der nationalen Ebene in die regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Als Aussenminister hat sich Cassis stark dafür eingesetzt, dass nun auch in der Bodenseeregion eine Regierungskommission installiert wird. Sie soll helfen, bei Themen voranzukommen, die eine IBK nicht im Rahmen der «kleinen Aussenpolitik» lösen kann.

Pandemie zeigte buchstäblich Grenzen auf

Eine unschöne Episode half mit, die Notwendigkeit eines Austauschs auf höchster Ebene zu erkennen. Im Zuge der Pandemie wurden überall die Grenzen geschlossen, zwischen Konstanz und Kreuzlingen wurde plötzlich ein Zaun hochgezogen. «Durch diese Grenzschliessung wurde augenfällig, wie sehr dies ein zusammengewachsener Lebensraum ist», sagt der St.Galler Staatssekretär Benedikt van Spyk. «Die Menschen haben nicht ein bisschen Kontakt über die Grenze, sie sind bis auf die tiefsten Ebenen der Gesellschaft verwoben.» Als die Grenze in einem formellen Akt im Beisein der Aussenminister wieder geöffnet wurde, kam auch das Bedürfnis eines vertieften Austauschs zur Sprache. «Denn eigentlich müsste es ein regelmässiges Treffen der Aussenminister im Vierländereck geben», sagt van Spyk

Plötzlich wurde es konkret

Der Wunsch der IBK nach einem solchen Gremium bestand schon länger, nun nahm der Schweizer Aussenminister das Thema auf. «Die IBK musste Ignazio Cassis nicht beknien, er hat das Thema von sich aus stark vorangetrieben», betont van Spyk. Hätte er das nicht getan, dann wäre das Thema im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten wohl nicht gleich zielstrebig angegangen worden. «Diesen politischen Rückhalt hat es gebraucht», ist der St.Galler Staatssekretär überzeugt. Wie gross dieser Rückhalt ist, erfuhren die Ostschweizer, als sie den für die grenzüberschreitenden Beziehungen zuständigen Botschafter im EDA im letzten Oktober nach St.Gallen einladen konnten. Er überraschte dabei mit der Ankündigung, dass es einen konkreten Zeitplan für Realisierung dieses Format gebe, wie sich Benedikt van Spyk erinnert. «Wir haben gemerkt, dass plötzlich Zug in die Geschichte kommt, weil der EDA-Vorsteher das so will.»

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«Diesen politischen Rückhalt hat es gebraucht.»

Vorbehalte aus Deutschland

Die Schweiz als Treiber der neuen Regierungskommission hatte sich im Vorfeld beim Auswärtigen Amt Berlin, beim Aussenministerium in Wien und beim Amt für Auswärtige Angelegenheiten in Vaduz erkundigt, ob eine solche Plattform mitgetragen würde. Vorbehalte gegen diese neue Regierungskommission gibt es durchaus, naturgemäss von einigen Departementen und Ämtern, die sagen, sie hätten mit den bisherigen Dossiers schon genug zu tun. Auch aus Deutschland gibt es kritische Stimmen, die befürchten, die Schweiz wolle auf diesem Weg Probleme, die im bilateralen Verhältnis zur EU bestehen, abmildern. «Auch wenn diese beiden Themen zeitlich zusammenfallen, das war nie eine Motivation», versichert Benedikt van Spyk. «Wir haben nicht die Ambition, über dieses Gefäss Europapolitik zu machen.» Dennoch müssen die deutschen Bedenken als Rahmenbedingung berücksichtigen werden. Die Antwort aus Berlin sei eher verhalten gewesen, sagt van Spyk, die deutsche Seite habe insbesondere auch Vorbehalte, ob dieses Format einen Mehrwert bringen kann. «Sie sagten aber zu, bei einem Pilottreffen mitzumachen.» Positive Signale gibt es von den anderen beiden Partnern, «Österreich und Liechtenstein begrüssen die Regierungskommission.» Das Pilottreffen der Regierungskommission Positive Signale gibt es von den anderen beiden Partnern, «Österreich und Liechtenstein begrüssen die Regierungskommission.» Das Pilottreffen der Regierungskommission Bodensee finden nun am 5. Mai in St.Gallen statt, wie Bundesrat Cassis am IBK-Jubiläum auf dem Säntis bekannt gab.

Cassis wieder dabei

Somit steht die Regierungskommission der vier IBK-Länder vor der Gründung, der Kanton St.Gallen bereitet im Auftrag der IBK zusammen mit dem EDA die erste Konferenz dieses neuen Gremiums vor. «Die Einladungen sind verschickt und die Schweizer Delegation ist bereits bestimmt», sagt van Spyk. Am 5. Mai wird die Schweizer Delegation in St.Gallen durch einen Botschafter vom EDA angeführt. Ein Botschafter ist auf dem diplomatischen Parkett die nächste Stufe nach dem Minister. Dazu kommen verschiedene Regierungsmitglieder aus den IBK-Kantonen, St.Gallen wird durch Regierungspräsident Marc Mächler vertreten. Deutschland, Österreich und Liechtenstein haben zugesichert, ihrerseits ebenfalls Vertreter im Rang eines Botschafters zu entsenden. Wie schon auf dem Säntis wird Ignazio Cassis auch St.Gallen nach Möglichkeit seine Aufwartung machen. «Die Geschäfte erledigen die Botschafter», sagt van Spyk, «doch Bundesrat Cassis unterstreicht die hohe Bedeutung, die die Schweiz der Regierungskommission beimisst.» Ein Besuch des Bundespräsidenten ist diplomatisch die höchste Auszeichnung.

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Völkerrechtlicher Vertrag

Ein Anliegen der einladenden Schweizer Seite ist ein gewisser verbindlicher Rahmen der neuen Regierungskommission, wie Benedikt van Spyk erklärt: «Sie soll eine völkerrechtliche Grundlage bekommen, dafür soll es einen sogenannten Notenaustausch geben.» Der völkerrechtliche Vertrag regelt die Verpflichtungen der Partner, was auch sehr grundlegende Dinge sein können: etwa der Grundsatz, sich mindestens einmal im Jahr zu einer Sitzung zu treffen. Entwürfe für diesen Vertrag sollen noch vor dem Treffen unter den Beteiligten zirkulieren. Die Regierungskommission soll kein Gefäss werden, das sich mit der Zeit verselbstständigt und eine eigene Agenda verfolgt, sondern nur Themen besprechen, die aus der IBK kommen. Das ist auch wichtig für die IBK, wie van Spyk erklärt: «Unser Ziel ist ja auch Subsidiarität. Für Fragen, die wir auf Stufe IBK lösen können, brauchen wir die nationale Ebene nicht.» Wenn es die nationale Ebene braucht, weil ein Thema aufgrund unklarer Zuständigkeiten nicht vom Fleck kommt, kann die Regierungskommission die Frage beraten und Empfehlungen aussprechen. Entscheide treffen kann auch sie nicht, wenn es etwa um den öffentlichen Verkehr geht. Die Aussenministerien haben in den für die IBK relevanten Fragen keine Dossierführerschaft. Sie können aber die Koordination übernehmen, sagt van Spyk: «Damit wir auf der nationalen Ebene den Zugang haben zu den relevanten Stellen, Bundesämter, und die richtigen Leute an den Tisch bekommen, um die Probleme zu lösen.» Hier hofft Benedikt van Spyk, dass der völkerrechtliche Vertrag Beschlüssen der Regierungskommission auch Gewicht bei den anderen Ämter gibt. «Wenn eine Empfehlung der Regierungskommission kommt, sollte eine Mitwirkung der relevanten Bundesstellen sichergestellt sein. Das bringt eine gewisse Verbindlichkeit in diese Zusammenarbeit, die jetzt sehr stark fraktioniert ist.»

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Nachholbedarf beim Verkehr

Die IBK hat sich als Fokusthema den Verkehr, insbesondere den öffentlichen Verkehr vorgenommen. «Da sind die Zuständigkeiten sehr stark verwoben», sagt Benedikt van Spyk. Die Zuständigkeiten im Bereich des öffentlichen Verkehrs sind in Bezug auf Infrastruktur, Bestellwesen, Rollmaterial, Fahrplangestaltung usw. auf verschiedene Stellen auf unterschiedlichen Stufen (national, regional, kommunal) verteilt. «Man kommt teilweise nicht voran, weil nicht klar ist, wer eigentlich für welches Problem mit wem reden müsste.»

«Für Fragen, die wir auf Stufe IBK lösen können, brauchen wir die nationale Ebene nicht.»

Probleme freilich, die anderswo schon längst gelöst wurden. «Alle anderen Grenzregionen haben grenzüberschreitende Tarifverbünde und ÖV-Systeme,», gibt van Spyk zu bedenken. Der Schritt mit der Regierungskommission sei deshalb weniger ein grosser Wurf, sondern «ein Nachvollzug dessen, was andere schon haben». Darum sei es für die IBK klar, dass es ein solches Gefäss, das den Anschluss an die nationale Ebene bringt, brauche.

Nicht nur Nebenthemen

Am Jubiläumsanlass der IBK auf dem Säntis seien sich die beteiligten Delegationen einig gewesen, dass die Erreichbarkeit eine zentrale Problemstellung ist. «Der Austausch der Menschen und die wirtschaftliche Entwicklung werden heute behindert», hält van Spyk fest. Die Regierungskommission könnte hier durch Empfehlungen oder eine Verbesserung der Koordination eine relevante Unterstützung leisten. Wenn die Regierungskommission installiert sei, dürfe man sich keine Illusionen machen, dass nun alles von selbst laufe, warnt Benedikt van Spyk. In der internationalen Zusammenarbeit habe man nicht von heute auf morgen ein Ergebnis, man müsse konkret an Themen arbeiten und diese auf der richtige Ebene adressieren. Mit der Regierungskommission im Rücken sollte aber die IBK künftig in den grossen und schwierigen Themen besser vorankommen. «Wir haben uns in den letzten Jahren auf zu viele unterschiedliche Themen fokussiert statt die ganz zentralen, anspruchsvollen Themen zu adressieren», hält van Spyk fest. In gewissen Themen sei man durchaus gut vorangekommen, «in der Hochschul-Zusammenarbeit hat man viel erreicht.» Nun aber soll die IBK im schwierigen Verkehrsdossier vorankommen. «Eine Vision wäre für mich persönlich, dass die Regierungskommission auf Antrag der IBK empfiehlt, eine Gesamtverkehrsstrategie Bodensee mit ÖV, motorisiertem Individualverkehr und Langsamverkehr zu erarbeiten.»

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