Bolzplatz und Börse im Doppelpass
Text: Philipp Landmark
Die Olympischen Spiele in Paris haben Tausende von eindrücklichen Bildern in die Welt geschickt. Frankreich verstand es, ikonische Momente zu kreieren. Aus Schweizer Sicht bleibt sicher die Beachvolleyball-Show vor dem funkelnden Eiffelturm in Erinnerung – und so nebenbei ein Stadion ohne Werbebanden, gebaut vom Thurgauer Unternehmen Nüssli. Werbebotschaften gab es in den Fernsehübertragungen dennoch zuhauf. Zum einen sind auch die fünf olympischen Ringe ein gut gepflegter Brand, und zum anderen warben unsere barfuss spielenden Bronzemedaillen-Gewinnerinnen Tanja Hüberli und Nina Brunner spätestens dann für den Schweizer Laufschuh-Hersteller On, als sie sich zur Medaillenzeremonie und auf den Medienmarathon aufmachten. Denn On stattet die ganze Schweizer Delegation mit den offiziellen Kleidern und Schuhen aus.
Sportausrüster gibt es aber nicht erst seit gestern. Schon seit über 130 Jahren liefert Alder + Eisenhut aus Ebnat-Kappel Sportgeräte. Es dürfte kaum eine Turnhalle im Lande geben, die nicht mit Schaukelringen, Sprossenwänden und Seilen aus dem Toggenburg eingerichtet sind und in denen nicht die typischen Geräte eingesetzt werden: der blau-weiss gestreifte Schwedenkasten, der Sprungbock, der Barren, die Langbank und natürlich die Turnmatten. Mit diesen Evergreens aus dem Turnhallenmobiliar ist das Portefeuille von Alder + Eisenhut längst nicht erschöpft: Die Firma bietet über 2000 Sportartikel an.
Beim Sport sind Marken sichtbar
Manche Sportartikel wurden längst zu Lifestyle-Statements, schon Reggae-König Bob Marley chillte gerne mit einer Adidas-Trainerjacke, und spätestens Nike sorgte dafür, dass der Einsatz von «Turnschuhen» nicht auf den Sportplatz begrenzt ist.
Bei heutigen Sportanlässen sind Sportartikelhersteller und Sponsoren nicht nur in den Werbeblöcken zwischen einer TV-Übertragung präsent, in den eigens dafür erfundenen «Powerbreaks» im Eishockey beispielsweise, sondern sie sind Teil der Übertragung selbst: Auf den Trikots, auf den Banden, auf den Sportgeräten prangen Logos. Und wenn das nicht reicht, balancieren Ski-Stars beim Interview auch noch eine bedruckte Trinkflasche ins Bild. Bei dieser Entwicklung ist es eigentlich erstaunlich, dass Formel-1-Boliden noch nicht grössere Karosserien haben und langsamer fahren, damit man die Logos besser sieht.
«Werbung wird weggezappt, beim Sport ist die Marke sichtbar im Bild», sagt Hans-Willy Brockes, der seit 30 Jahren in St.Gallen die ESB Marketing Netzwerk AG führt. Zu Brockes Kunden gehört auch das wichtigste sportliche Aushängeschild der Ostschweiz, der FC St.Gallen 1879. Der Thurgauer Unternehmer Roland Gutjahr ist seit einem Turnaround in diesem Klub Aktionär mit einem Gespür für betriebswirtschaftliche Aspekte: «Im Sport läuft es gleich wie in der Wirtschaft.»
Auch der Handballklub TSV St. Otmar hat gerade eine Zäsur erlebt und die Führungsetage ausgetauscht. Mit an Bord sind neue Sponsoren, darunter der Immobilienentwickler Fortimo, der sich bei verschiedenen Sport-Sponsorings engagiert. Von Fortimo unterstützt werden Athleten und Vereine, «die ähnliche Werte wie wir haben», wie Mitbesitzer Philipp Bienz sagt.
Pioniere aus der Ostschweiz
Würde man versuchen, die weltweiten Umsätze mit Sportlern als Werbeträgern, Sportevents als Markenplattformen, Sportwetten, Fernsehrechten und vielem mehr irgendwie vernünftig zusammenzuzählen, dann müsste man Anleihen im Vokabular von Dagobert Duck machen und von Fantastilliarden sprechen.
An dieser Entwicklung hatte früh auch ein Ostschweizer einen wesentlichen Anteil: 1972 gründete César W. Lüthi in Kreuzlingen die Sportrechteagentur CWL. Mit diesem Business sollte er es auf die Liste der 300 reichsten Schweizer schaffen. Noch im Gründungsjahr erhielt er sein erstes Mandat, die Vermarktung der Olympiahalle in München.
1980 kaufte er die Werberechte des Deutschen Fussball-Bundes, was als sein Durchbruch gilt; 1984 gewann er den grossen deutschen Fussballer Günter Netzer als Mitarbeiter. Lange, bevor in den Stadien die Banden zu LED-Bildschirmen mutierten, erfand Lüthi die Drehbande, um mehr Logos zeigen zu können. 1999, drei Jahre vor seinem Tod, verkaufte Lüthi seine Sportrechteagentur an die Kirch-Gruppe. Später ging daraus die global agierende Agentur Infront Sports & Media hervor.
Globale Daten aus St.Gallen
Nicht nur Werberechte lassen sich im Sport vergolden, auch Daten sind ein riesiger Schatz, wenn man ihr Potenzial erkennt. Das global führende Sportdaten-Unternehmen heisst Sportradar, hat über 4000 Mitarbeiter in weltweit 30 Büros – und den Hauptsitz in St.Gallen. Das Unternehmen geht auf zwei norwegische Studenten zurück, die im Jahr 2000 einen Daten-Crawler entwickelten, um Daten für Sportwetten bereitzustellen. Daraus wurde Betradar.com. 2007 stieg Carsten Koerl ein, die Eigentümer gründeten die Sportradar AG. Koerl ist heute Mehrheitsaktionär.
Schon 1997 hatte Carsten Koerl 1997 im Vorarlberg den Internet-Wettanbieter Betandwin gegründet und drei Jahre später an die Börse gebracht. «Bwin» ist heute ein Teil des zum Glücksspielkonzerns Entain von der Isle of Man.
Das an der amerikanischen Technologie-Börse Nasdaq gelistete Unternehmen Sportradar erzielte 2023 einen Umsatz von 878 Millionen Euro. 2019 hielt Carsten Koerl das Keynote-Referat am ersten Leader Digital Award im Einstein Congress. 2022 wurde Koerl von EY als «Entrepreneur Of The Year» ausgezeichnet.
Sportradar analysiert immer detaillierte Daten während eines Sportevents und liefert sie fast in Echtzeit an Wettanbieter, Medien und Sportvereine. Die intelligente Verknüpfung von Daten hilft zudem, Versuche von Wettbetrug und Wettmanipulation zu entdecken. Das St. Galler Unternehmen ist unter anderem der von der Uefa autorisierte exklusive Sammler und Verteiler von Daten für Wettzwecke.
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Schub für den Frauenfussball
2025 kann Carsten Koerl der Uefa und den rund 900 angeschlossenen Wettanbietern spannende Daten direkt aus St.Gallen liefern. Die Fussball-Europameisterschaft der Frauen, oder eben die Uefa Women’s Euro 2025, gastiert in der Schweiz, drei Gruppenspiele werden in St.Gallen angepfiffen.
Im Sport gilt es, Chancen zu nutzen: Céline Bradke, selbst Fussballerin, will als Chefin des Organisationskomitees der Host-City St.Gallen im nächsten Juli ein Fussballfest erleben, das St.Gallen von seiner besten Seite zeigt. Die Frauen-EM soll aber auch ein Anlass sein, der lange nachwirkt und dem Frauenfussball in der Ostschweiz nachhaltig Schub verleiht.
Text: Philipp Landmark
Bild: Adrian Ehrbar, Pixabay