Sport als Business

«Sponsoring ist keine milde Gabe, sondern ein Gegengeschäft»

«Sponsoring ist keine milde Gabe, sondern ein Gegengeschäft»
Hans-Willy Brockes
Lesezeit: 7 Minuten

Wenn sich im deutschsprachigen Raum Manager bedeutender Sportvereine und Marketingchefs grosser Unternehmen treffen, hat oft die St.Galler Firma ESB Marketing Netzwerk AG von Hans-Willy Brockes die Finger im Spiel.

Es gibt kaum eine einigermassen bekannte Firma, die nicht regelmässig Sponsoring-Anfragen erhält: Unzählige kulturelle Anlässe und sportliche Wettkämpfe benötigen finanzielle Unterstützung und buhlen deshalb um die Gunst potenzieller Sponsoren. Die meisten erhalten eine Absage.

Wer die Sponsoren verstehen will, muss sich in die möglichen Sponsoren hineindenken können: Welche Interessen und Ziele haben die eigentlich? «Sponsoring ist keine milde Gabe, sondern ein Gegengeschäft», betont Hans-Willy Brockes, der seit 30 Jahren aus St.Gallen Sponsoring-Know-how im deutschsprachigen Raum vermittelt.

Das Tagesseminar «So findet man Sponsoren» ist der Klassiker im Programm von ESB Marketing Netzwerk AG. «Früher waren wir die Einzigen überhaupt, die solche Inhalte anboten», sagt Hans-Willy Brockes, «inzwischen hat jede Uni und jede Fachhochschule Sponsoring-Themen im Lehrplan.» Die Zahl der Seminare ist deshalb etwas kleiner geworden, die ESB Academy ist aber nach wie vor der einzige professionelle Anbieter in diesem Bereich. Das Seminar kann auch individuell angepasst für einen Verband oder einen einzelnen Athleten gebucht werden.

Kunden solcher Seminare sind naheliegenderweise Leute, die in Sponsoring-Abteilungen grosser Sportvereine arbeiten, darunter Fussballklubs aus der deutschen Bundesliga oder der Schweizer Super League. Interessiert an diesem spezifischen Know-how sind aber auch Veranstalter und Agenturen, und wenn es um Vertiefungen wie «Sponsoring aktiviert Marke und Vertrieb» geht, natürlich auch die Sponsoren selbst. Wenn ein Verband oder ein Klub seine Marketing- oder Sponsoringstrategie überarbeiten möchte, bietet die ESB zielgerichtete ein- oder zweitägige Workshops dafür an.

Gutscheine schenken  Administration und Vertrieb  

«Kultur funktioniert grundsätzlich gleich, aber die Bereitschaft zu professionellem Sponsoring ist nicht vorhanden.»

Bettelbriefe statt Konzepte

Der Mönchengladbacher Hans-Willy Brockes entschied sich nach einem Jahr in der Bundeswehr für ein Studium an der HSG und damit gegen eine mögliche Profi-Karriere als Radrennfahrer. Nach dem BWL-Studium arbeitete er als Doktorand in einer Unternehmensberatung, die für die seinerzeitige Schweizerische Kreditanstalt eine Frage klären sollte: Was bringt es, Kunden zu einem Event einzuladen? Die Studie war so fundiert und die Ergebnisse so klar, dass die SKA umgehend systematisch schweizweit Kunden zu Hospitality einladen wollte. Hans-Willy Brockes untersuchte, wo es geeignete Veranstaltungen gab, zu denen die SKA als Sponsor Kunden einladen könnte. «Das war eine Riesen-Recherche», erinnert sich Hans-Willy Brockes, «deshalb sagten wir uns: Wir müssen den Spiess umdrehen, wir müssen eine Art Sponsoring-Börse machen.» Alle Veranstalter, Vereine, Sportler oder Künstler, die Sponsoren suchen, sollten sich bei der Unternehmensberatung melden. «Die Firma hiess Team Informations Center AG, das war eine sehr datengetriebene Geschichte.» Der Aufbau der Sponsoring-Börse zeigte dann aber rasch ein anderes Manko auf: «Statt dass uns die Veranstalter gescheite Angebote schickten, waren das mehr oder weniger Bettelbriefe», sagt Hans-Willy Brockes. «Also haben wir angefangen mit Aus- und Weiterbildung: Wie macht man ein ordentliches Sponsoring-Konzept? Wie macht man auf der Unternehmensseite eine strategische Selektion?»

Zur Selbstständigkeit gezwungen

Die Unternehmensberatung löste sich dann allerdings auf, die Partner gingen verschiedener Wege: «Da war ich mehr oder weniger zur Selbstständigkeit gezwungen», sagt Hans-Willy Brockes. Seine Dissertation blieb ungeschrieben, dafür gründete er die «Europäische Sponsoring-Börse», aus der die heutige Firma ESB Marketing Netzwerk AG wurde. Aus- und Weiterbildung für Sport- und Entertainment waren die ersten Tätigkeitsfelder.

Der Fokus lag zu Beginn also nicht nur auf dem Sport, sondern auch auf der Kultur. Doch: «Kultur funktioniert grundsätzlich gleich, aber die Bereitschaft zu professionellem Sponsoring ist nicht vorhanden», musste Hans-Willy Brockes lernen. «Die Entwicklung im klassischen Kultursektor ist sehr limitiert, da läuft man immer noch gegen die gleichen Wände wie vor 30 Jahren.» Brockes erkennt auch ein Muster, warum das so ist: «Die ganzen öffentlichen Förderungen sorgen dafür, dass da kein Druck ist, Drittmittel zu akquirieren.» Er schlägt vor, dass Kulturbetriebe von öffentlichen Zuwendungen zwangsweise mindestens 20 Prozent ins Marketing stecken sollten, «Besuchermarketing ist ein vernachlässigtes Thema. Welche Kulturstätte macht denn Performance-Marketing übers Handy, über Social Media? Heute sterben die Besucher vom Opernhaus einfach aus. Wenn sogar die Premiere in Bayreuth nicht ausverkauft ist, dann brennt der Busch.»

Andere Kulturbereiche hätten die Lektion längst gelernt: «Wenn wir jetzt über die Taylor Swifts dieser Welt reden: Der Markt funktioniert genau wie im Sport», erklärt Hans-Willy Brockes, «auch bei allen grossen Open Airs gibt es Sponsoring.» Während im klassischen Kulturbereich Sponsoring eher dahindümpelt, gibt es im Sport-Sponsoring jedes Jahr ein zweistelliges Wachstum. Das Volumen im DACH-Raum beläuft sich auf einige Milliarden Franken im Jahr, «die Abgrenzung ist allerdings extrem schwierig» sagt Hans-Willy Brockes und nennt als Beispiel den Hauptsponsor Lidl bei der Fussball-Euro 2024 in Deutschland: «Wie viel von diesem Engagement ist für Deutschland, wie viel für die Schweiz, wie viel für Österreich? Es ist nicht möglich, diese Zahlen sinnvoll zu erheben.»

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«Wir bringen Themen auf die Bühne, die spannend sind.»

Arbeitgeber präsentieren sich

«Es geht im Sponsoring immer um fünf, sechs Themen, die man abarbeiten kann. Oft sind es dieselben Ziele, die man auch mit normalem Marketing erreichen möchte: Bekanntheit erreichen, dann ein Image aufbauen. Firmen, die noch niemand kennt, haben mit dem Sport-Sponsoring ein sehr gutes Instrument mit grossen Reichweiten. «Werbung wird weggezappt, beim Sport ist die Marke sichtbar im Bild.» Darauf aufbauend wird Verkaufsförderung, auch für direkte Absätze, gemacht.

Tatsächlich werden manche Produkte schon unmittelbar beim Kontakt mit Kunden verkauft. Hans-Willy Brockes nennt das Beispiel einer Online-Apotheke: Mit Einblendungen während eines Bundesliga-Spiels generiert sie bis zu 3000 neue Leads, also Kunden, die sich erstmals anmelden. «Der Kranke sitzt vor dem Fernseher, sieht fünfmal einen Einblender der Versandapotheke, klickt auf dem Handy und bestellt sein Medikament online.»

Vermehrt tauchen inzwischen aber auch Unternehmen auf, deren Produkte einzelne Zuschauer gar nicht erwerben können. «Borussia Dortmund hat die heisse Kartoffel angenommen: Rheinmetall. Das ist ein Panzer-Hersteller, der nicht unbedingt Absatzförderung auf diesem Kanal betreiben will», sagt Hans-Willy Brockes. Das Unternehmen hat ein anderes Interesse: «Rheinmetall macht Employer Branding. Die suchen händeringend Mitarbeiter – in einer Zeit, in der Fachkräfte Mangelware sind.» Employer Branding soll einerseits das Recruiting unterstützen, aber bestehende Mitarbeiter stolz machen. «Wir merken, dass dieses Thema inzwischen bei mehr als 50 Prozent der Sponsoren eine wichtige Rolle spielt.»

«Werbung wird weggezappt, beim Sport ist die Marke sichtbar im Bild.»

Sport-Sponsoring ist ein Chamäleon

Vor 30 Jahren war Hospitality das grosse Thema im Sponsoring, also wurde dieser Bereich schnell vergrössert; Sportanlässe wurden zu Kunden-Events der Sponsoren. «Sponsoring ist ein Chamäleon. Die Leistung wird an das angepasst, was von den Unternehmungen gefragt ist», sagt Hans-Willy Brockes. Das Thema heute sei Performance-Marketing, «ganz viele Leistungen sind digital.»

Der deutsche Branchen-Primus Bayern München bespielt 40 digitale Kanäle, «darunter Social-Media-Kanäle aus China, die wir hier gar nicht kennen», erklärt Hans-Willy Brockes.  «Da gibt es dann auch chinesische Sponsoringpartner, die nur dort digital ausgespielt werden.»

Die Möglichkeiten und die Themen im Sponsoring verändern sich laufend; «auch wir müssen ständig rennen, um auf dem aktuellen Stand zu sein», sagt Hans-Willy Brockes, «wir als ESB haben uns innerhalb dieses Feldes schon sehr spezialisiert.» Insbesondere der technische Fortschritt eröffnet neue, virtuelle Möglichkeiten, um einen Sponsor zu präsentieren. Schon angewandt wird die Overlay-Technik: An der Fussball-Europameisterschaft in diesem Jahr sah man je nach Land in der Fernseh-Übertragung Bandenwerbung, die digital über die im Stadion sichtbare Bandenwerbung gelegt wird. Eine Entwicklung, die nicht Halt machen wird, wie Hans-Willy Brockes prognostiziert: «Bald kann man die Werbung nicht nur für einzelne Länder ausspielen, sondern auf einzelne Rechner individuell anpassen.»

Wirtschaftsportal  TGE Swiss Edition  

Gewachsen mit Kongressen

Um ihr Know-how zu vermitteln, begann die ESB Marketing Netzwerk AG schon früh, Kongresse und Seminare zu organisieren. Das Sport-Forum Schweiz war der erste dieser Kongresse. Es findet dieses Jahr zum 30. Mal statt; erwartet werden wieder gegen 700 Teilnehmer. Im Laufe der Zeit kamen etliche weitere jährliche Events in Deutschland, Österreich und der Schweiz dazu.

«Wir waren und sind der führende Aus- und Weiterbildner für Sponsoring, doch dieses Thema allein wurde uns langsam zu eng», sagt Hans-Willy Brockes. Deshalb deckten die Anlässe des Unternehmens sukzessive verwandte Themen ab; in Deutschland wurde der breiter angelegte Sportkongress ins Leben gerufen, in Österreich der Event Sport und Marke.  «So sind wir gewachsen», sagt der ausgebildete Marketing-Experte und fast Profi-Sportler. In allen drei Ländern etablierte die ESB Marketing Netzwerk AG Marketing-Kongresse, die alle Markenthemen und nicht nur speziell Sponsoring abdecken, das Markenfestival in Düsseldorf, den Schweizer Marken-Kongress in Zürich, Sport & Marke in Wien. Nicht nur für den Sport interessant ist das Fan-Commerce-Forum in Hamburg, wo es unter anderem um Merchandising geht. Arena Summit in Frankfurt a. M. oder 360° Entertainment in Andermatt sind Kongresse, die sich primär an die Veranstalterbranche richten. Seit einiger Zeit bietet die ESB Marketing Netzwerk AG auch Know-how für die Tourismusbranche an; aktuell wird Gamification im Tourismus heiss debattiert.

«Wir bringen Themen auf die Bühne, die spannend sind», betont Hans-Willy Brockes, «Inhalte mit einem Mehrwert für unsere Partner, keine Werbebotschaften.» All diese gut eingeführten Kongresse haben sich zu Branchentreffs entwickelt, auch das Netzwerken zwischen den Referaten der Top-Speaker hat einen grossen Stellenwert.

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Netzwerk mit 570 Partnern

Der heutige Name des Unternehmens, ESB Marketing Netzwerk AG, ist ein Hinweis darauf, dass die Community von Sportmanagern, Sponsoring-Verantwortlichen, Marketing-Spezialisten, Programm-Planern von Medien oder Verbandsfunktionären das zentrale Asset ist. Zum ESB-Partnernetzwerk zählen rund 570 Unternehmen, Sportvereine, Verbände oder Agenturen, deren Vertreter dann an den einzelnen Kongressen oder Webinaren zu speziellen Themen teilnehmen können. Dafür zahlen sie eine Mitgliedergebühr von 3600 Franken oder mehr, abhängig von der Anzahl Kongress-Tickets. Die Mitglieder des Netzwerks steuern so über zwei Millionen Franken zum Umsatz bei.

Die richtigen Leute zusammenzubringen hat sich zum Kern-Business entwickelt, «wir pflegen das wie wild», sagt Hans-Willy Brockes. Das Unternehmen hat einen Stock von 80'000 Adressen relevanter Personen, davon werden gut 30'000 Adressen im Jahr aktualisiert.

Die ESB Marketing Netzwerk AG besteht aus 15 Mitarbeitern in St.Gallen sowie einem Dutzend Freelancer, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz für das Unternehmen arbeiten. Der wöchentliche Newsletter erreicht etwa 15'000 Empfänger und hat eine bemerkenswerte Öffnungsrate von 30 Prozent.

In der Region kennt man ESB Marketing Netzwerk AG wohl nur, wenn man selbst mit Sport und Marketing zu tun hat. Dazu zählen etwa Raiffeisen oder der FC St.Gallen – die sind auch Mitglieder im Netzwerk. Hier treffen sie unter anderem auf Migros, Porsche, den Deutschen Fussballbund, UBS, Volkswagen, Eurosport oder Bayer 04 Leverkusen. «Wer uns kennen muss, kennt uns», sagt Hans Willy Brockes, der sich in St.Gallen wohlfühlt. «Ich liebe St.Gallen, ich liebe das Unaufgeregte hier.»

Bild: Philipp Landmark

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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