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Wirtschaftlichkeit als höchstes Gebot

Wirtschaftlichkeit als höchstes Gebot
Lesezeit: 12 Minuten

Unternehmer Roland Gutjahr hat das Stadion des FC St.Gallen 1879 mitgebaut und ist heute einer der Aktionäre der FC St.Gallen Event AG. Im Gespräch mit Natal Schnetzer und Philipp Landmark erläutert der Thurgauer die Gemeinsamkeiten eines Fussballklubs mit Unternehmen.

Roland Gutjahr, haben Sie eine Ahnung vom Fussballgeschäft?
Ich dachte immer, dieses Fussballgeschäft sei sehr komplex und geheimnisvoll. Doch geheimnisvoll ist es höchstens, wenn man nur auf das Geschehen auf dem Platz schaut und nicht auf die betriebswirtschaftlichen Aspekte. Sonst würde man merken, dass es hier eigentlich gleich läuft wie in der Wirtschaft.

Von Wirtschaft haben Sie definitiv eine Ahnung.
Ich würde mich als einen industriellen Handwerker bezeichnen. Aber es ist wohl so, dass wir als Unternehmerfamilie wie viele Tausende andere auch in den vergangenen Jahrzehnten dank harter Arbeit, Schweiss und Tränen einiges richtig gemacht haben. Hier im FC St.Gallen betrachte ich die Dinge ganz klar aus der Perspektive eines Unternehmers.

Welche Erkenntnis bringt diese Perspektive?
Ich habe die Eignerstrategien von einigen herausragenden Klubs wie Manchester United, Bayern München, Juventus Turin oder Ajax Amsterdam studiert. Diese Klubs florieren,  weil sie wirtschaftlich wie sportlich erfolgreich sind. Das ist in der Wirtschaft genau gleich: Wenn eine Firma wirtschaftlich nicht funktioniert, dann kann sie noch so gut sein, höchstes Know-how haben und beste Qualität produzieren – ohne Geld ist der Ofen aus. In Schönheit sterben ist keine gute Idee in der Wirtschaft, und es darf auch kein Konzept für einen Fussballklub sein.

Beste Qualität zu produzieren, ist kein Erfolgsrezept?
Nur wenn auch die Rechnung aufgeht. Ich habe schon öfter Firmen für etwas bewundert, das sie spitzenmässig machen – und eines Tages gab es sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr. Ich wüsste durchaus, wie wir unsere Firma wirklich perfekt aufs Letzte organisieren könnten. Nur gäbe es uns dann vermutlich nicht mehr, weil diese Kosten meist nicht erwirtschaftet werden können. Es ist die Kunst, einen guten Mix zu finden. Sonst wäre ja jeder Theoretiker auch ein gewiefter Unternehmer.

Im Fussball gelten oft andere Gesetzmässigkeiten.
Noch gibt es Klubs, in denen der Präsident Geld einschiesst und seine Fantasien finanziert. Das sind oft Leute, die einen Kult um sich machen, die über ihr Geld Macht ausüben wollen. Wenn einer Geld bringt, dann will er meistens auch bestimmen. Das kommt vielfach verkehrt raus. Bei uns kann das nicht passieren, weil wir keine solche Figur haben: Wir sind eine Reihe von gleichgestellten Eignern ohne spezifische Interessen, mit Aktienpaketen in ähnlichen Grössenordnungen. Wir alle sehen eine gute sportliche und eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung im Zentrum. Wenn man sich die Posse in Luzern anschaut, stellt man fest, dass es nach wie vor Mäzene mit ausgewachsenem Ego gibt. Dieses in der Schweiz tatsächlich noch verbreitete Mäzenatentum wird aussterben. Es muss aussterben.

 

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«Darum habe ich unsere Belegschaft gefragt: Würde es euch gefallen, dieses Stadion zu bauen?»

Wieso?
Weil der Sinn und Zweck von Profi-Fussball ein anderer ist. Es kann doch nicht sein, dass wir mit dem FC St.Gallen 1879 100´000 Menschen in der Region Freude bereiten, das aber kein Geschäft sein darf. Wenn 150´000 Menschen nach Frauenfeld pilgern, wo ein paar Branchengrössen singen und rappen, zahlen sie 250 Franken nur für den Eintritt. An einem Wochenende generieren diese Gäste etwa 32 Millionen Franken Umsatz. Wir beim FC St.Gallen mit all den hoch engagierten Mitarbeitern rennen ein ganzes Jahr lang herum, um auch 32 Millionen zu erwirtschaften.

Die Begeisterung eines Mäzens muss wirtschaftlichem Denken weichen?
Man darf Freude an einer Unternehmung haben, genau so darf man Freude an seinem Fussballklub haben. Aber beides muss in sich rentieren. 

Wie sieht es denn mit Ihrer Fussball-Begeisterung aus? Stimmt die Beobachtung, dass Sie erst mit dem neuen FCSG-Stadion, dem heutigen Kybunpark, aufgetaucht sind?
Das ist richtig. Vorher hatte mich Fussball überhaupt nicht interessiert. Ich konnte nicht begreifen, wenn Kollegen einen Termin nicht wahrnehmen konnten – mit der Begründung «es ist dann ein Match in St.Gallen».

Im Espenmoos waren Sie nie?
Doch, ein Mal. Ich wurde zu einer Veranstaltung eingeladen.

Das neue Stadion aber haben Sie mit Ihrer Stahlbau-Firma mitgebaut.
Als das Stadion vor der Realisierung stand, haben wir gerade ein Projekt auf der anderen Strassenseite umgesetzt, für die BP und den TCS. Das war seinerzeit das erste Puzzleteil, dass überhaupt der Platz für die Stadion-Überbauung frei wurde – der TCS hatte seine Anlage vorher auf dem heutigen Stadion-Areal.

 

Ein logischer Folgeauftrag also?
Nein. Als die Ausschreibungen für die Stadion-Überbauung kamen, haben wir nicht offeriert. Unser Betrieb musste in 50 Jahren nie Kurzarbeit beantragen; wir hatten immer genug Aufträge, darauf sind wir sehr stolz. Aber als erfahrener Unternehmer weiss man: Das kann sich morgen schon wieder ändern; das Geschäft ist wie der Fussball sehr, sehr fragil. Hier dachte ich zuerst, das ist eine Nummer zu gross für uns. Wir hatten damals auch schon den Auftrag für den Ikea-Teil.

Aber Sie haben sich umentschieden.
Die Bauherrschaft bat mich, auch zu offerieren. Darum habe ich unsere Belegschaft gefragt: Würde es euch gefallen, an diesem Stadion mitzubauen? Die Antwort war ein einhelliges Ja. Also haben wir offeriert und nach den üblichen Nachdiskussionen den Auftrag bekommen. Mit dem Bau des Stadions bin ich wie viele andere Unternehmer auch Aktionär der Stadion-AG geworden; das war Teil des Deals. Gleichzeitig übernahm ich auch ein Paket Aktien vom FC St.Gallen.

Sie haben auch Aktien der Event-AG. War das auch Teil des Deals?
Nein, die Stadion-AG und die Event-AG sind zwei komplett getrennte Unternehmungen. Der damalige Präsident Dölf Früh war zufälligerweise Nachbar meines Schwiegersohns; mit ihm hatte ich einen guten Kontakt. Ich hatte ihm gegenüber zwischen Tür und Angel erwähnt, dass ich an einem kleinen Teil seiner Aktien interessiert wäre, wenn er einmal verkaufen möchte. Zu diesem Zeitpunkt war der FC St.Gallen im Thurgau kaum präsent. Als Dölf tatsächlich seine Event-AG-Aktien verkaufte, hat er seine Käufer handverlesen ausgesucht. Er hat die Aktien nicht meistbietend, sondern zu reellen Preisen an uns neue Eigner verkauft. Die Event-AG hält 49,8 Prozent der FC St.Gallen AG. Es wurde darauf geachtet, dass der Anteil unter 50 Prozent bleibt, damit Entscheidungen immer demokratisch offen bleiben.

Entscheidend ist aber, dass Sie sich in der Event-AG einig sind. Kannten Sie denn die neuen Mitbesitzer vorher schon?
Am Tag der Generalversammlung 2017 erhielt und bezahlte ich die Aktien. Damals sah ich meine Aktionärskollegen zum ersten Mal; ich kannte sie vorher nicht. Aber ich habe sofort gespürt: Das wird hinhauen.

An dieser Generalversammlung wurde dann ein Verlust von zweieinhalb Millionen Franken präsentiert.
Da bin ich schon etwas erschrocken und habe zu meinen Mitaktionären gesagt: «Wir müssen sofort etwas unternehmen, das kann so nicht weitergehen.»

 

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«Dölf müsste man vor dem Stadion eine Statue errichten!»

Und was haben Sie unternommen?
Als Erstes haben wir zusammen eine einfache Eignerstrategie formuliert: Was wollen wir eigentlich erreichen? Und wie soll das geschehen? In Absprache mit den anderen Aktionären gingen Martin Jäger und ich zum damaligen Verwaltungsratspräsidenten Stefan Hernandez. Wir haben mit ihm in aller Ruhe die Situation und Zukunft gemäss Ideen und Vorgaben der Mitaktionäre des FCSG besprochen.

Die Vorstellungen vom Verwaltungsrat und den neuen Besitzern deckten sich nicht.
Uns wurde schnell klar, dass vieles nicht mehr richtig zusammenpasste. Es gab viele kleine Königreiche, was eine fruchtbare Zusammenarbeit störte. Wir Aktionäre haben in einigen Nachteinsätzen definiert, über welche Fähigkeiten die einzelnen Verwaltungsräte verfügen müssen. Dann haben wir innerhalb eines Monats dank des grossen Netzwerkes einzelner Aktionäre einen neuen Verwaltungsrat zusammengestellt. Im Oktober haben wir uns an der GV zum ersten Mal gesehen; im November hatten wir die Leute, die unseren hohen Vorgaben entsprachen, glücklicherweise gefunden: Jeder ist in seinem Ressort ein ausgewiesener Spezialist. Wenn beispielsweise jemand einen Sportchef rekrutieren soll, dann muss er ja selbst viel über diesen Sport und die dazu notwendigen Fähigkeiten wissen.

Für das Präsidium haben Sie Fernseh-Mann Matthias Hüppi gewonnen – ahnten Sie, wie sehr er in seiner grün-weissen Mission aufgehen wird?
Es war uns bewusst, dass wir an der Spitze einen gewieften PR-Mann benötigen. Einen, den man kennt und der grosse Ausstrahlung besitzt. Matthias füllt diesen Job prima aus. Und hinter ihm braucht es ein erstklassiges Team, das managt, nachfasst und entwickelt.

Das Einsetzen des neuen Verwaltungsrats lief nicht ohne Nebengeräusche ab.
Im Dezember lud der alte Verwaltungsrat, der schon einige Abgänge zu verzeichnen hatte, uns Besitzer ein, um seine möglichen Strategien vorzustellen – im Hotel One66 gleich neben dem Stadion. Zu jenem Zeitpunkt wussten wir aber schon, dass wir den Verwaltungsrat für den neuen Kurs mit einer neuen Crew besetzen werden.

Sie hatten einen ziemlich turbulenten Einstand als Mitbesitzer eines Fussballklubs.
Am Anfang, als wir diese Umstellung machten, bin ich wie auf Nadeln gesessen; das war ein unglaublich hektischer Monat. Aber wir Aktionäre hielten von der ersten Minute an zusammen, weil wir wussten: Wenn wir das Steuer nicht herumreissen, gehen wir alle unter. 

 

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Wusste Dölf Früh, dass seine Nachfolger Tabula rasa machen werden?
Dölf lag der FCSG am Herzen, er hatte klare Ideen, wie es mit dem FCSG weitergehen müsse. Das ist sicher auch der Grund, weshalb er die neuen Aktionäre handverlesen aussuchte. Nur dank ihm konnten wir einsteigen und zusammen den Umschwung bewirken.

Ohne Dölf Früh wäre der Verein vermutlich Konkurs gegangen.
Dölf müsste man vor dem Stadion eine Statue errichten!

Wie haben Mitarbeiter und Mannschaft reagiert?
Am selben Tag, als wir den alten Verwaltungsrat verabschiedeten, fand auch die Weihnachtsfeier der Mitarbeiter und der Mannschaft statt. Wir stellten dort den neuen Verwaltungsrat vor, und entgegen der düsteren Prognose der alten Crew hatten alle Anwesenden – ausser einzelnen Mitarbeitern im Staff – grosse Freude.

Zwei prominente Mitarbeiter waren es; die blieben dann auch nicht mehr lange beim FCSG. Alle anderen haben Sie für sich gewonnen?
Als wir übernahmen, gab es keinen Sportchef im Klub. Im Januar wurde Alain Sutter als Sportchef auserkoren, da war die Mannschaft im Trainingslager. Wir Aktionäre flogen zusammen mit Alain hin, und er stellte sich der Mannschaft vor. Am selben Abend hat er vor Mannschaft und Trainer-Staff etwa zwei Stunden lang referiert. Es war eine eindrückliche, für alle Teilnehmer sehr motivierende Vorstellung.

Der Verwaltungsrat rekrutierte einen Sportchef – und die Eigner? Haben Sie ein sportliches Ziel vorgegeben?
Ich bin kein Fussballexperte. Aber uns allen war klar: Für den wirtschaftlichen Erfolg ist es auch wichtig, dass auf dem Platz keine Tristesse herrscht.

 

Wären Sie gerne einmal an einer grün-weissen Meisterfeier?
Selbstverständlich! Dafür braucht es Glück, dann kann der FCSG auch Meister werden. Aber ich bin eher einer der, der sagt: Realistisch bleiben! Darum lieber Saison für Saison als Dritter oder Vierter und europäisch spielen – und der Klub hat eine vernünftige Bilanz. Das ist meine ganz persönliche Meinung. Wenn wir die nötigen Mittel und Rücklagen haben, könnten wir bei einem drohenden Abstieg das Glück auch etwas zwingen.

Also keine Meister-Ambitionen.
Wenn’s chunnt, denn chunnt’s. Aber wir wollen keinen wirtschaftlich unvernünftig erkauften Meistertitel. Oft sieht man, dass nach Meisterehren schwierige Zeiten folgen; deren Ursachen sind allerdings vielfältig.

Gerade der FC St.Gallen lebt von der Begeisterung.
Mich freut es, wenn ich abends durch Amriswil fahre und Kinder auf dem Fussballplatz sehe – und Trainer, die ihnen die wesentlichen Dinge beibringen. Diesen Breitenfussball gibt es so nur, wenn es eine Spitze gibt. Vor zehn Jahren trugen diese Kinder Messi- oder Ronaldo-Shirts. Heute rennen sie mit einem Görtler-Trikot herum. Die neu geschaffene grün-weisse Bewegung hat in der Ostschweiz auch eine wichtige soziale Funktion. Am Schluss funktioniert aber auch das nur, wenn die Wirtschaftlichkeit gegeben ist.

Hat denn der FCSG eine soziale Verantwortung?
Ja, und auch das ist eigentlich gleich wie in der Wirtschaft, auch ein Unternehmen trägt eine sehr hohe soziale Verantwortung. Leider wird dies in der Bevölkerung bewusst oder unbewusst viel zu wenig wahrgenommen. Das wurmt mich manchmal schon etwas.

Gehört die Nachwuchsförderung zur sozialen Verantwortung?
Wir setzen im Jahr ungefähr dreieinhalb Millionen Franken für den Nachwuchs ein; diese Investition müssten wir eigentlich kostendeckend refinanzieren können. Also sollten wir jedes Jahr Spieler in der Grössenordnung dieser Investition verkaufen können – das ist heute noch nicht der Fall, selbst wenn wir noch einen grösseren Betrag als soziales Engagement abbuchen.

 

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Wenn Sie die Wirtschaftlichkeit so betonen, dann müsste die Strategie des Klubs eigentlich sein, junge Spieler zu entwickeln und mit Gewinn zu verkaufen.
Das ist ein Geschäft, darum liebäugeln amerikanische oder chinesische Investoren zunehmend mit Fussballklubs in der Schweiz. Sie sind an Farmteams interessiert, um junge Talente zu fördern und mit einer strategischen Karriereplanung zu halten, damit sie in eigenen Top-Teams eingesetzt oder gewinnbringend verkauft werden können. Hier hat der Fussball übrigens bessere Möglichkeiten als ein Unternehmen: Ich wünschte mir manchmal, ein anderer Betrieb würde eine Ablöse für junge Leute bezahlen, die wir in unserem Betrieb ausgebildet haben … Beim FCSG gilt: Die Wirtschaftlichkeit ist das höchste Gebot. Andere Aspekte dürfen auch mal kurzfristig darunter leiden.

Auch der sportliche Erfolg?
Ein Trainer wird an Punkten gemessen, darum setzt er ungern junge, unfertige Spieler ein. Sport und Kommerzielles dürfen nicht getrennt betrachtet werden. Wenn ein Unternehmensführer einem Bereichsleiter nicht sagen darf, wie er mit dem Personal umgehen und es fördern soll, dann stimmt etwas nicht. Man muss dem Fachmann nicht vorschreiben, wie er einen Bohrer oder einen Hammer führen muss. Aber woran er an sich arbeiten soll, die Strategie und die zu verfolgende Ziele, dazu muss die Unternehmensleitung selbstverständlich etwas sagen dürfen.

Auch in sportlichen Fragen?
Wollen wir einen Trainer, der sich nichts sagen lassen will? Die Unternehmer oder in diesem Falle die Führungsriege sollten selbstverständlich Einfluss nehmen dürfen. Die Besitzer und der Verwaltungsrat haben das Recht zu wünschen: «Wir wollen, dass dieser junge Spieler spielt. Und das nicht erst in der 85. Minute.» Nur so entwickelt man Werte. Die Aktionäre müssen aber eine Risikoabwägung machen und die Verantwortung für solche Entscheide übernehmen. 

Die Interessen verlagern sich somit mehr in den wirtschaftlichen Bereich.
Bis 2030 wird sich Fussball noch einmal stark in diese Richtung verändern. Grundsätzlich funktionieren Unternehmen und Fussballklubs aber schon heute genau gleich. Bei Spielern wollen wir die technischen Fähigkeiten am Ball verbessern, genauso bilden wir Mitarbeiter im Unternehmen aus und weiter. Der Klub hat ein Scouting, um Talente zu entdecken; im Unternehmen hat eine gute HR-Abteilung mögliche neue Mitarbeiter auf dem Radar. Die Unterschiede sind gar keine Unterschiede, manche Dinge haben nur einen anderen Namen.

Der FC St.Gallen soll also genau wie ein Unternehmen geführt werden?
Der FC St.Gallen 1879 ist ein Unternehmen. Sogar ein für die Ostschweiz wichtiges Unternehmen. Daher war es entscheidend, das Führungsgremium mit allen Facetten auf seine Aufgaben auszurichten. Gemeinsam müssen wir uns auch Gedanken machen, wie die Führung in drei, vier Jahren aussehen soll. In den Unternehmungen rechnet man mit einer Ablöseprozesszeit von rund fünf Jahren. Wie im Unternehmen ist auch eine gestaffelte Neubesetzung der Führung und des Verwaltungsrats enorm wichtig, um einen reibungslosen, verzahnten Übergang und Kontinuität zu erreichen. So können wir gleichzeitig Bestehendes erhalten und für Innovation Platz schaffen. 

Sie sind als Unternehmer zum FCSG gekommen und mussten als Miteigentümer sofort handeln. Jetzt sitzen Sie während der Matches auch auf der Tribüne. Geht Ihr Puls hoch?
Ich verstehe auch heute noch nicht so viel vom Tschutten, aber selbstverständlich bin ich Fan! Wenn wir am Sonntag auswärts spielen und verlieren, weiss ich, dass am Montag im Betrieb alle darüber sprechen. Und wenn wir gewinnen, ist die Freude natürlich nicht nur bei mir gross. Wenn ich geschäftlich in die Westschweiz fahre, reden die Leute zuerst über Fussball mit mir, weil jeder weiss: Der ist mit dem FC St.Gallen verbandelt. Das Leben hat sich für mich stark geändert – zum Positiven. Ich würde dieses Abenteuer sofort wieder wagen. Wir sind ein tolles Aktionärskollektiv, jeder bringt spezifisches Wissen ein. Es ist meinen Kollegen zu verdanken, dass wir 2017 entschieden und mit gezielten Massnahmen eine Wende zum Guten herbeiführen konnten.

Text: Philipp Landmark

Bild: Rebekka Grossglauser

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