Kurzfristige Entscheide, langfristige Verantwortung
Die Anforderungen an das Wirtschaften und damit an den langfristigen Kapitaleinsatz sind gestiegen. Für den nachhaltigen unternehmerischen Erfolg wird vermehrt eine ganzheitliche Orientierung an wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Kriterien gefordert. Treiber dieser Entwicklung sind insbesondere ein gestiegenes Klimabewusstsein oder die digitale Transformation – und nicht zuletzt die Wertehaltung und -prägung der Millennials. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft finden sich somit in einem Spannungsfeld zwischen kurzfristigen Entscheidungsanreizen und langfristiger Verantwortung.
Mit dem Thema «Capital for Purpose» forderte das Organisationskomitee des 49. St.Gallen Symposium vom 8. bis 10. Mai 2019 heutige und künftige Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft auf, Lösungsansätze zur Überwindung dieses Spannungsfelds zu entwickeln. «Der Zweck von Unternehmen ist nicht, Geld zu verdienen, sondern Probleme zu lösen – und dies auf eine Art und Weise, dass man damit auch Geld verdient», sagte Professor Colin Mayer von der University of Oxford während seines Auftritts am vergangenen St.Gallen Symposium.
Grosse Fragen unserer Zeit mit regionalem Bezug
Zeitlich nachgelagert beleuchtete die neue Veranstaltung «EcoOst St.Gallen Symposium» das Symposiumsthema «Capital for Purpose» oder «Nachhaltigkeit» im weiteren, unternehmerischen Sinn aus Sicht der regionalen Wirtschaft und Bevölkerung in zwei Veranstaltungsteilen: Im ersten Teil fanden Unternehmer-Workshops statt, im zweiten Teil stand eine hochkarätige Podiumsdiskussion im Zentrum. Treibende Kräfte hinter der neuen Veranstaltung sind die beiden Industrie- und Handelskammern St.Gallen-Appenzell und Thurgau, das St.Gallen Symposium, die Universität St.Gallen, das St.Galler Tagblatt und die Ria & Arthur Dietschweiler Stiftung.
Ziel ist es, die Beziehung der Universität St.Gallen und des St.Gallen Symposium zur Region und zum Wirtschaftsstandort Ostschweiz zu stärken, den Generationendialog zu ermöglichen sowie die Erkenntnisse aus dem St.Gallen Symposium in einen regionalen Bezug zu setzen.
Nachhaltig wirtschaften
Die Teilnehmer des ersten Teils wählten zwischen drei Unternehmer-Workshops aus und besuchten zwei davon. Die Unternehmerpersönlichkeiten wurden dabei jeweils von Studenten der Universität St.Gallen unterstützt.
Andrea Berlinger Schwyter, Inhaberin und Verwaltungsratspräsidentin des Familienunternehmens Berlinger & Co. AG, leitete gemeinsam mit Dominic Germann den Workshop «Walk the talk – GeschäftsführerInnen mit Nachhaltigkeits-Vorbildfunktion?». Ein Thema, das zweifellos zu ihr passte. Schliesslich existiert das Toggenburger Unternehmen bereits seit 150 Jahren, befindet sich seit sechs Generationen in Familienbesitz und hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt: von der Baumwollweberei zum innovativen Hersteller von Elektronik- und Softwareprodukten.
Ein weiteres Beispiel langfristig ausgerichteter Unternehmensführung ist die Wagner AG in Waldstatt. Silvan Halter führt das Unternehmen in dritter Generation und leitete zusammen mit Nicole Brühwiler durch den Workshop «Strahlkraft des Unternehmenszwecks auf die junge Generation». Darin wurde aufgezeigt und diskutiert, wie sich junge Mitarbeiter von früheren Generationen unterscheiden und wie es gelingt, auch für Junge ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.
Der dritte Workshop «Technologischer Fortschritt – Von der Forschungseinrichtung in die Privatwirtschaft» stand unter der Leitung von Roger Stadler, Geschäftsführer der icotec ag in Altstätten. In seiner Session ging er gemeinsam mit Slaven Malinovic und Dario Isenring der Frage nach, was technologisches Kapital ist – ein passendes Thema für den Geschäftsführer eines Unternehmens, das innovative Implantatsysteme zur Behandlung von Wirbelsäulentumoren entwickelt.
EcoOst St.Gallen Symposium – öffentliche Podiumsdiskussion
Wie gelingt es Unternehmen, das kurzfristige Profitdenken zu überwinden? Dieser Frage widmete sich der zweite, öffentliche Teil, der dank der Unterstützung der Ria & Arthur Dietschweiler Stiftung für alle Interessierten kostenlos war. Dabei stand die Hypothese im Zentrum, dass familien- oder inhabergeführte Unternehmen im Vergleich zu börsennotierten Firmen wirkungsvolle Lösungsansätze haben, um kurzfristige Entscheidungsanreize zu überwinden.Roger Dudler, Gründer von Frontify, Hans-Dietrich Reckhaus, Gründer von Insect Respect, Barbara Senn, Mitglied der Konzernleitung von Conzzeta, sowie Susan Müller, Assistenzprofessorin für Unternehmertum an der Universität St.Gallen, gingen unter der Moderation von Arthur Honegger, Schweizer Radio und Fernsehen SRF, in einer Podiumsdiskussion dem Zweck des Wirtschaftens und des Unternehmertums auf den Grund.