«KKS» weibelt gegen KVI

«KKS» weibelt gegen KVI
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Anlässlich einer Podiumsdiskussion zum Thema Konzernverantwortungsinitiative besuchte Bundesrätin Karin Keller-Sutter St.Gallen. Der LEADER hat «KKS» zum Gespräch getroffen.

Am 29. November stimmt das Schweizer Stimmvolk über die Konzernverantwortungsinitiative ab. Während die Befürworter in aktuellen Umfragen gewinnen, setzen die Gegner alles daran, das Ruder noch herumzureissen. Doch wie steht der Bundesrat zur Initiative? Karin Keller-Sutter besuchte die Podiumsdiskussion des «St.Galler Tagblatts» am Dienstag. Miryam Koc von der LEADER-Redaktion hat die Bundesrätin vorab getroffen.

Frau Bundesrätin, Gegner und Befürworter der Initiative streiten sich darüber, ob auch KMU von der Initiative betroffen wären. Wie sieht das der Bundesrat?

KMU wären von der Initiative ebenfalls betroffen. Man spricht zwar immer von Konzernen, aber massgeblich ist der Initiativtext - und im Text steht lediglich «Unternehmen». Das Kleingedruckte bei der Initiative ist entscheidend. Wir stimmen über einen verbindlichen Verfassungstext ab.

Die Initianten wollen, dass Schweizer Unternehmen für ihre Handlungen in anderen Ländern haften. Das ist doch eigentlich eine gute Sache. Weshalb gehen Ihnen die Forderungen zu weit?

Unternehmen haften schon heute für Schäden im Ausland - und zwar in den Ländern, in denen sie Schaden anrichten, und nach dem Recht des Landes, wo der Schaden entstanden ist. Die Initiative möchte aber, dass ein Schweizer Unternehmen neu für seine ausländischen Tochterfirmen und wirtschaftlich abhängigen Lieferanten haftet. Das ist, wie wenn ich für Sie haften würde ... Diese Regelung wäre weltweit einmalig.

Wie gross wäre der Aufwand für Unternehmen, ihre ganze Lieferkette auf Menschenrechts- und Umweltverletzungen zu überprüfen, das will ja diese Sorgfaltsprüfungspflicht?

Der administrative Aufwand wäre enorm! Die Sorgfaltspflicht verlangt, dass über jeden Lieferanten in der Lieferkette genaustens Bescheid zu wissen ist. Kommt dazu: Beispielsweise ein St.Galler Regionalgericht müsste nach Schweizer Recht beurteilen, ob ein Kakaolieferant in der Elfenbeinküste die Menschenrechte verletzt hat. Solche Prozesse in der Schweiz wären eine Überforderung für das hiesige Gericht und eine Anmassung für diese Länder. Die Umsetzung der Initiative wäre sehr schwierig. 

Könnte es nicht auch ein Wettbewerbsvorteil sein, wenn man weiss, dass Schweizer Firmen zu so hohen Standards wirtschaften?

Auch ohne Initiative wirtschaften heute die allermeisten Schweizer Unternehmen nach hohen Standards, sonst droht ein Reputationsschaden. Das Problem ist: Mit der Umkehr der Beweislast droht auch Unternehmen, die sich vorbildlich verhalten und dies beweisen können, ein Reputationsschaden, wenn sie in einen Gerichtsprozess gerate. Allein schon die Androhung einer Klage wäre medienwirksam.

 

Der Gegenvorschlag
Die Konzernverantwortungsinitiative kommt mit einem indirekten Gegenvorschlag an die Urne: Der Bundesrat räumt der Einhaltung der Menschenrechte und dem Schutz der Umwelt einen hohen Stellenwert ein. Die Forderungen der Initianten gehen ihm jedoch insbesondere im Bereich der Haftungsregelung zu weit. Deshalb unterstützt er den indirekten Gegenvorschlag des Parlaments. Dieser will neue Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten einführen, aber auf die umstrittene Konzernhaftung verzichten. Der Gegenvorschlag tritt bei einer Ablehnung der Volksinitiative in Kraft.

Die wichtigsten Merkmale des Gegenvorschlags sind:

  • deutlich weniger Unternehmen erfasst (im Grundsatz KMU ausgeschlossen)
  • Klarheit, welche Menschenrechte und Umweltstandards zu respektieren sind
  • kein «Swiss Finish»: Sorgfaltsprüfung erfolgt gemäss internationalem Standard
  • stark eingeschränkte Konzernhaftung (insbesondere Haftung für Zulieferer ausgeschlossen)
  • differenzierte Regelung des anwendbaren Rechts im Einklang mit den Prinzipien des Internationalen Privatrechts (kein «Rechtsimperialismus»)
  • gezielte und präzise Rechtsetzung (Rechtssicherheit)