Goldener Schemel für Bossart und Knill
Bruno Bossart, 1950 in Flawil geboren, ist Architekt HBK/BSA/SIA in St.Gallen, Dozent und Berater. 2003-2015 Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur ZHAW (Departement Architektur Gestaltung und Bauingenieurwesen). Vorstandsmitglied des 2006 gegründeten Vereins Südkultur, dem 16 Gemeinden der Regionen Obertoggenburg, Werdenberg und Sarganserland sowie das Amt für Kultur des Kantons St.Gallen angehören. Raumkünstlerisch hat sich Bruno Bossart auch bei zahlreichen Kirchenumbauten, insbesondere durch die Gestaltung zahlreicher neuer Altarräume, einen Namen gemacht. Seine Studien an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf 1971-74 sowie an der Gesamthochschule in Kassel 1974-78 prägen bis heute das baukünstlerische und zeichnerische Talent des vor allem im Kanton St.Gallen praktizierenden Architekten.
„Kann Bauberatung zur Baukultur beitragen?“ Unter diesem fragenden Titel formulierte Bruno Bossart 2013 im Auftrag des Amtes für Kultur des Kantons St.Gallen ein Positionspapier. Eine bejahende Antwort liess der Autor offen, um dann aus seiner Tätigkeit als Bauberater an konkreten Beispielen über Erfahrungen, Prozesse und Resultate zu informieren.
Was Bruno Bossart im Hinblick auf Engagement um baukulturelle Interessen besonders auszeichnet, ist einerseits seine Kompetenz für analytisches und ästhetisches „Durchwandern“ von Orten und Ortsstrukturen, andererseits seine meist von Zeichnungen begleitete Vermittlung von Entwürfen und Visionen an Interessierte und Behördenmitglieder. Seine umgesetzten Resultate bilden ein breites Werk im Kanton St.Gallen.
Spricht man von Umfeld oder Umgebung, so ist meist ein zentraler Ort oder ein Gebäude Anlass erweiterter Betrachtung. Bauen und Entwickeln im offenen Betrachtungsperimeter sind nichts Neues, wurden in vergangenen Jahrzehnten oftmals aber nicht ernsthaft praktiziert und haben entsprechend Forderungen nach mehr „Baukultur“ zur Selbstverständlichkeit werden lassen. Was ist Baukultur und wie mache ich dies Bauwilligen und Behörden bewusst? Bruno Bossart, in zahlreichen gemeinderätlichen Baukommissionen vertreten, ist kompetenter und geduldiger Vermittler, Planer und Begleiter. Analytisches Zeichnen ist ebenso sein grosses Talent. Seine räumlichen Argumente erläutert er in abstrahierender Form über zeichnerische Darstellungen. Bosshart beherrscht diese Grammatik des Visualisierens, die der Vermittlung und Schärfung baukultureller Anliegen zugutekommt. Das Ineinandergreifen historischer Baukultur und aktueller Entwurfskultur von Architektur ist zentrales Anliegen in der Arbeit von Bruno Bossart. Der Kanton St.Gallen verdankt seinem Engagement und seiner Fachkompetenz einen reichen Ertrag im Umgang mit Baukultur.
Paul Knill, Architekt BSA, Herisau
Paul Knill, 1956 geboren in Herisau, wandte sich nach einer Maurerlehre der Bluesrock-Musik zu. Nach Arbeitsjahren in verschiedenen Architekturbüros studierte er 1983-1988 an der Kunstakademie in Düsseldorf. 2003-2008 Obmann des BSA (Bund Schweizer Architekten), Sektion Ostschweiz, 2008-2016 Zentralpräsident des BSA Schweiz. Das eigene Architekturbüro befindet sich in Herisau. Im Architekturschaffen von Paul Knill gibt es wichtige Referenzen, u. a. das Raiffeisenzentrum St.Gallen, Etappen 1 + 2 (mit Bruno Clerici) sowie Schul- und Wohnbauten. Knill ist Fachexperte zahlreicher Ostschweizer Gemeinden und auch Bundesexperte der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege.
Die Auszeichnung „Goldener Schemel“ an Paul Knill würdigt insbesondere seinen engagierten Einsatz für die Baukultur im Wirkungsgebiet Kanton Appenzell-Innerrhoden. Bauinteressierte suchen in Appenzell die Sprechstunden des Baukultur-Arztes Knill mit Neugierde und gewinnendem Vorteil auf. Die Instanz „Baukultur“ im Innerrhodischen verbindet sich mit der Person und dem Engagement von Paul Knill.
Nach der Restaurierung Roothuus in Gonten wurde Knill vom Innerrhoder Landammann und Ständerat Carlo Schmid zum Präsidenten der behördlichen Fachkommission Heimatschutz AI gewählt. Da, wo Baugesuche ausserhalb der Bauzonen, in Ortsbildern und an Siedlungsrändern vorliegen, reichen Reglemente für eine qualitative Bewertung oft nicht. Das auf die Leute Zugehen ist das vielversprechende und auch erfolgreiche Vorgehen von Knill. Wo es um die Befindlichkeit und Beurteilung der appenzell-innerrhodischen Baukultur geht, ist er sozusagen der „Hausarzt“ der Siedlungsentwicklung. Die von ihm eingeführten Sprechstunden im Alten Zeughaus Appenzell werden nicht nur von Interessierten an traditioneller Architektur rege genutzt, sondern auch von Bauwilligen mit wenig Kenntnis und Erfahrung von Baukultur und Kulturlandschaft. Knill hat im Innerrhodischen, wo leider wie im Ausserrhodischen zu häufig alte Baukultur verloren geht, dennoch einen eigentlichen produktiven Lernprozess in Gang gebracht. Aktuell steht das von Knill entwickelte Baukulturelle Leitbild Appenzell Innerrhoden zur Diskussion und Verabschiedung. Instanz Baukultur ist im Innerrhodischen mit dem Namen Paul Knill sehr eng verbunden.
Für was steht der Goldene Schemel?
Kathrin Hilber, frühere Regierungsrätin und heute Präsidentin des Heimatschutzes St.Gallen / Appenzell Innerrhoden, setzt Förderung von Baukultur aktiv um. Mit der 2015 ins Leben gerufenen Auszeichnung „Goldener Schemel“ findet der Prozess für gute Gestaltung in Architektur sowie im landschaftlichen wie ortsbildlichen Kontext Anerkennung und Auszeichnung. Was in benachbarten Regionen (u. a. in Vorarlberg, Fläsch, Glarus Süd, Uster) als beispielhafte Entwicklung in Gang gekommen ist, soll auch in der Ostschweiz verstärkt lesbar und erlebbar werden. Baukultur ist aber nicht nur ein Erfahrungsprozess, sondern in der Umsetzung auch ein politischer Prozess. Die Verleihung des Goldenen Schemels hat zum Ziel, Baukultur und den Umgang damit im weitesten Sinne lokal und regional zu stärken.
Die Jury, der Schemel, die Empfänger
Ziel der Präsidentin und des Vorstandes ist es, den Heimatschutz als unabhängigen, kompetenten Partner in komplexen Fragen in die Diskussion um Baukultur einzubinden. Damit dies in der ganzen Sektion möglich ist, muss der Heimatschutz weiter an Bekanntheit gewinnen.Gegenüber Golden Bridge und dem Golden Eye 007 wartet der Heimatschutz SG/AI mit dem „Goldenen Schemel“ auf, nur schuhschachtelgross, aber aus starker Bronze. Entworfen und gegossen wurde die Baukultur-Trophäe von der bekannten Bildhauerin und Fotografin Katalin Deér (1965 geboren in Palo Alto, Kalifornien) im Sitterwerk in St.Gallen. Mit dem alltäglichen Schemel erreicht man physisch, was sonst vielleicht zum Greifen unerreichbar bleibt. Die schillernde Auszeichnung kommt dank des Sponsorings der Karl-Zünd-Stiftung zustande.
Die Auswahl der jährlich zu vergebenden symbolischen Auszeichnung trifft eine eigens konstituierte Jury. Ihr gehören neben Kathrin Hilber an: Christa Köppel, Gemeindepräsidentin Widnau und Historikerin, Carlos Martinez, Architekt, Agatha Nisple, Kulturvermittlerin, Appenzell, Natalia Bezzola, Mitglied Vorstand Heimatschutz SG/AI, und Peter Röllin, Kultur- und Kunstwissenschaftler, Rapperswil.
Ausgezeichnet werden können Einzelpersonen, aber auch Gruppen. Den Weg der Bewerbung für den Preis gibt es nicht, doch sind Hinweise willkommen. Goldene Zeiten stehen also für die Ostschweiz bevor, falls das Leuchten der Auszeichnung neue Baukultur in der Landschaft, in Dörfern und Städten sichtbar macht.