Digitale Finanzierung: Sinn oder Unsinn?
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Digitale Finanzierungsinstrumente werden medial immer häufiger als Alternativen zu den klassischen Bankkrediten oder zur «normalen» Kapitalerhöhung diskutiert. So können beispielsweise bei einer Finanzierung über digitale Vermittlungsplattformen mit Crowdinvesting (Aktienemissionen) und Crowdlending (Darlehen) deutlich mehr potentielle Geldgeber angesprochen werden als auf die traditionelle Art.
Auch haben Unternehmen die Möglichkeit, für die Deckung des Finanzbedarfs blockchainbasierte Aktien auszugeben oder Kredite aufzunehmen. Diese bieten u.a. den Vorteil, dass mit den Instrumenten verbunden Rechte und Pflichten automatisiert und effizient abgewickelt werden können (z. B. Dividenden- oder Zinszahlungen oder Erteilen von Nutzungsrechten an Applikationen).
Diese neuen Formen von Finanzierungsinstrumenten stehen nicht nur technologiegetriebenen Unternehmen offen, sondern auch Firmen aus traditionelleren Branchen. Dank diesen digitalen Technologien und der allgegenwärtigen Vernetzung kann selbst ein kleines, lokales Unternehmen weltweit Kapitalgeber finden und damit sehr leicht beispielsweise Wachstum finanzieren.
Vorausgesetzt, die Geschäftsidee wird als erfolgsversprechend beurteilt: «So verzeichnete beispielsweise Crowdinvesting von 2020 auf 2021 in der Schweiz ein Wachstum von 29 Prozent (auf 147 Millionen Franken), während das Crowdlending im gleichen Zeitraum sogar um 35 Prozent stieg (auf 607 Millionen Franken), erklärte Ernesto Turnes, Professor am Kompetenzzentrum Banking & Finance der OST – Ostschweizer Fachhochschule, am Mittwochabend am «13. Unternehmensspiegel Appenzellerland».
Über 120 Unternehmer hörten den Vorträgen zu, die vom Ausserrhoder Regierungsrat Alfred Stricker mit der provokativen Frage «Wann hat ein Geldbetrag überhaupt einen Wert, was ist der ‹Humus› der Finanzwelt?» eingeleitet wurde.
«Zeddel» oder digitale Wertmarken?
Der «Humus» der Finanzwelt sei die Emotion, erläuterte Sepp Manser, Wirt des Berggasthauses Meglisalp. Für den Umbau des Berggasthauses vor zwei Jahren setzte er nicht auf digitale Finanzierungsinstrumente; Manser gab sogenannte «Meggelin-Zeddel» aus, eine emotional mit der Meglisalp verbundene, spezielle Form von verzins- und rückzahlbaren Darlehen.
«Das war ein grosser Erfolg», sagte Manser, «weil die Leute mit dem ‹Zeddel› etwas in der Hand haben.» Doch so gross ist der Unterschied der Zeddel zur digitalen Aktienemission mit Blockchaintechnologie nicht, wie Béla von Mérey vom Unternehmen Aktionariat aus dem zürcherischen Erlenbach aufzeigte.
Am Beispiel von «Dilly Socks» erläuterte er, wie das erfolgreiche Jungunternehmen seine Community zu Mitinhabern machte und in nur zwei Wochen knapp 500’000 Aktien verkaufte. Anstatt einen Zeddel bzw. einer Aktie in Papierform bekämen die neuen Teilhaber eine digitale Wertmarke, die man im «Wallet» aufbewahre, dem digitalen Portemonnaie.
Appenzellerland bleibt beim traditionellen Weg
Über Sinn oder Unsinn dieser digitalen Finanzinstrumente für die Appenzeller KMU-Betriebe diskutierten im Anschluss an die Inputreferate Ueli Manser, Direktor der Appenzeller Kantonalbank, Michael Koller, Präsident des Gewerbeverbands Appenzell Innerrhoden, und René Rohner, Präsident des Ausserrhoder Gewerbeverbands.
Bei der Kantonalbank verfolge man die Diskussion intensiv. Kryptowährungen und digitale Assets werde es in Appenzell aber nicht so schnell geben: «Wir bleiben auf dem traditionellen Weg», so Bankdirektor Ueli Manser im Gespräch mit Andreas Löhrer, Professor am Institut für Unternehmensführung der OST. Auch die beiden Gewerbeverbandspräsidenten gaben sich zurückhaltend.
«In Appenzell Ausserrhoden haben wir viele Familienunternehmen. Das sind Kleinstbetriebe. Da ist es wichtig, dass man einen guten Draht zur Bank hat, die einem bei allen wichtigen Entscheidungen berät», erläuterte René Rohner, und Michael Koller betonte, er setze bei seinem Unternehmen – ein Appenzeller Marketing-Unternehmen – auf eine möglichst hohe Eigenfinanzierung.