Den Wolf zähmen

Den Wolf zähmen
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«Homo homini Lupus»: Der Mensch sei dem Menschen ein Wolf, so der Philosoph Thomas Hobbes. Sein natürlicher Instinkt würde zu Anarchie und Zerstörung führen. «Nicht in meinem Unternehmen», antwortet spontan mancher Leader. Wirklich?

Text: Louis Grosjean (Bild), Partner altrimo

«Wir brauchen Führung. Wir brauchen Gesetze. Wir brauchen Grenzen in unserem Handeln, zum eigenen Schutz. Ohne zentrale Steuerung droht eine ausartende Katastrophe.»

Diese Worte stammen nicht vom Bundesrat in der Corona-Krise. Sie stellen den sinngemässen Kern des politischen Gedankengutes vom britischen Philosophen Thomas Hobbes dar. In seinem Werk «Der Leviathan» stellt er die These auf, dass der Mensch zu folgenden Haltungen neigt: Konkurrenz, Misstrauen und Ruhmsucht. Wenn er keine Grenzen gesetzt bekommt, so Hobbes, führe sein Selbsterhaltungstrieb kurzfristig zur Ausschaltung des schwächeren Nachbarn. Mittelfristig führt er gar zur eigenen Zerstörung. Denn in dieser ständigen kriegsähnlichen Auseinandersetzung findet der Einzelne immer einen Stärkeren als sich selbst. Aus diesem Grund, denkt Hobbes, sollen die Mitglieder einer Gesellschaft die Macht der Gesetzgebung und Rechtsdurchsetzung einer zentralen Instanz übertragen – dem Staat. Sonst drohen Anarchie und Zerstörung.

Die betriebliche Realität

Das Menschenbild von Thomas Hobbes ist pessimistisch. Es ist aber nicht realitätsfremd: Es gibt viele Unternehmen, die unter ungehemmten hobbesianischen Zuständen leiden. Dort, wo Ego und Eigeninteressen die Team- und Unternehmensziele überragen, sind hobbesianische Zustände zu beobachten. Gerade wenn die Führung schwach oder egomanisch ist, droht Ungemach. Lesen Sie einmal den Blog «Inside Paradeplatz», der genüsslich alle kleinen und grossen Sünden der Finanzmenschen inszeniert. Er trieft von Konkurrenz, Misstrauen und Ruhmsucht, den drei Grundübeln nach Hobbes. Das Bild ist überzeichnet; erbauend ist es nicht. Betriebsinterne Machtkämpfe sind leider Realität und kosten den Unternehmen viel Energie.

Muss ich weiter argumentieren, warum solche Zustände im Betrieb schädlich sind? Wohl kaum. Interessanter ist die Frage, wie wir diese Zustände als Leader verhindern können.

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Dein Erfolg ist unser Erfolg

Negativ ausgedrückt: Leader achten darauf, dass keine destruktive Konkurrenz in ihrer Einflusssphäre entsteht. Sie tolerieren es nicht, dass sich jemand zum Schaden anderer profiliert. Erfolg wird nur belohnt, wenn das Team als Ganzes davon profitiert. Und er wird hoffentlich proaktiv belohnt – nicht erst, wenn ein Mitarbeiter durch Selbstprofilierung auffällt. «Teile und herrsche», ein alter lateinischer Führungsgrundsatz, gehört in die Geschichtsbücher und nicht ins Repertoire moderner Leader.

Mich interessieren vielmehr drei Testfragen:

Ist die Konkurrenz innerhalb meiner Organisation produktiv oder destruktiv? Beispiel: Ein Team-Mitglied optimiert (mit Hilfe Anderer) einen Prozess und schafft dadurch einen gemeinsamen Nutzen. Wird dies von ihm als Team-Leistung präsentiert und von den anderen Team-Mitgliedern als Ansporn verstanden, weiter auf diesem Weg zu machen, ist dies ein gutes Zeichen.

Wie baue ich horizontales Vertrauen innerhalb meines Einflussbereichs auf? Beispiel: Die Bildung von temporären Tandems oder die gegenseitige Offenlegung der eigenen Schwächen inkl. Formulierung von Unterstützungsbedarf durch das Team sind vertrauensbildende Massnahmen.

Welche Mitarbeiter stelle ich in nächster Zeit proaktiv ins Rampenlicht? Beispiel: Ich überlege mir nicht nur, wen ich als erfolgreiches Team-Mitglied wahrnehme. Ich suche auch bewusst den Leistungsausweis eher diskreter Team-Mitglieder und wertschätze diesen unter Betonung des dadurch geschaffenen gemeinsamen Nutzens.

Wenn ich diese drei Fragen klar beantworten kann, bin ich auf gutem Weg. Und ich halte Hobbes mit seinem wölfischen Menschenbild ganz weit weg.