Fokus Consulting/Leadership

Emotionen als Erfolgsfaktor

Emotionen als Erfolgsfaktor
Paul Beerli
Lesezeit: 4 Minuten

Paul Beerli hat den Führungskräfte-Ratgeber «Emotionen, Erfolg und ein Hauch von Chaos» geschrieben. Der ehemalige Verwaltungsratspräsident und CFO der Grass-Gruppe und heutige selbstständige Coach analysiert darin die Bedeutung emotionaler Intelligenz in der Führung. Der Niederteufener zeigt auf, warum Führungskräfte oft scheitern – und wie sie es schaffen können, ihre Mitarbeiter zu Spitzenleistungen zu motivieren.

Paul Beerli, in aller Kürze: Wovon handelt Ihr neues Buch?
Von der Führung aus Sicht der menschlichen, nicht aus Sicht der unternehmerischen Anforderungen. «Emotionen, Erfolg und ein Hauch von Chaos» beschreibt das Gefühlsmanagement in verschiedenen Führungsszenarien, von der Rekrutierung über die Führung von schwierigen Mitarbeitern bis zu Changevorhaben im Unternehmen. Wer führt, muss sich auf menschliche Regungen einstellen und darauf gefasst sein. Diesem Umstand wird in der Führungsausbildung, bei der Personalrekrutierung, in der Mitarbeiterbeurteilung sowie in der Kommunikation zwischen Chef und Angestellten oft zu wenig Beachtung geschenkt. Dabei umfasst dieser Bereich die massgeblichen Aspekte einer Führungsarbeit bzw. -erfolgs.

Und was möchten Sie mit dem Buch erreichen?
Mein Ziel ist es, dass jede Führungskraft dieses Buch liest. Vor allem solche, die neu in eine Führungsrolle kommen oder den nächsten Schritt auf der Karriereleiter machen können – bis zum CEO oder Geschäftsführer. Aus meiner Sicht ist es auch für Verwaltungsräte als Wahlgremium der Geschäftsleitungsmitglieder interessant.

Sie sprechen davon, dass ein beträchtlicher Teil der Führungskräfte nicht mehr in der Lage sei, seine Mitarbeiter so zu leiten, dass das beste Ergebnis für das Unternehmen erzielt wird. Was läuft bei der Führung falsch?
Viele Führungskräfte sind nicht ausreichend darauf vorbereitet, mit den menschlichen Regungen und Emotionen ihrer Angestellten umzugehen. Dieser Aspekt wird oft vernachlässigt, trägt jedoch wesentlich zum Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens bei. Unter den etwa fünf Millionen Arbeitnehmern in der Schweiz gibt es ungefähr 500´000 Chefs. Ein beträchtlicher Teil dieser Führungskräfte ist tatsächlich nicht mehr fähig, ihre Leute so zu führen, dass das beste Ergebnis für das Unternehmen erzielt wird. Das ist die Perspektive der Unternehmen. Aus Sicht der Arbeitnehmer möchten viele Menschen dem Arbeitsdruck nicht länger standhalten und suchen stattdessen nach einer freieren, selbstbestimmten Arbeitswelt. In einer solchen Situation stellt sich die Frage: Was ist der Heilige Gral – oder das Patentrezept?

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«Wer führt, muss sich auf menschliche Regungen einstellen und darauf gefasst sein.»

Die Antwort lautet oft: Hierarchien abbauen und eine agile Organisation einführen, die es den Mitarbeitern ermöglicht, flexibler und autonomer zu arbeiten, mitzudenken und Vorschläge einzubringen.
Auf den ersten Blick: Ja. Zunächst applaudieren alle:Führungskräfte werden die lästige Aufgabe der direkten Führung los, und Mitarbeiter können freier entscheiden, wie und wo sie arbeiten. Der Grossteil dieser fünf Millionen Angestellten und ein beträchtlicher Teil dieser 500’000 Führungskräfte benötigen oder wünschen jedoch einen Kristallisationspunkt, an dem sie sich festhalten und ausrichten können. Dieser nennt sich klare, unaufgeregte Führung.

Sie sprechen in Ihrem Buch auch über die Leistung von Mitarbeitern. Warum ist Ihnen das Thema wichtig?
Nicht alle Mitarbeiter und Vorgesetzten haben die Einstellung eines Spitzensportlers. Ich möchte dazu beitragen, realistische Erwartungen zu setzen und die Bedeutung von individuellen Stärken und Schwächen anzuerkennen. Es ist ratsam, anzunehmen, dass nur etwa 20 Prozent der Mitarbeiter und Vorgesetzten auf Top-Niveau arbeiten; von den restlichen sollte man keine Spitzenleistungen erwarten. Bedauerlicherweise betrachten sich einige aus diesem 80-Prozent-Pool selbst als herausragende Leistungsträger und stellen dementsprechende Ansprüche an ihre Vorgesetzten. Lassen Sie sich davon jedoch nicht beeindrucken.

In Ihrem Buch erwähnen Sie das Phänomen der Führung. Was meinen Sie damit?
Die Frage, ob die Leistung eines Mitarbeiters tatsächlich direkt vom Führungsverhalten des Chefs abhängt oder ob es auch andere Faktoren gibt, die diese beeinflussen können. Diese Dynamik ist komplex und verdient eine genauere Betrachtung. Mehr dazu finden Sie im Buch, hier nur kurz: Es gibt andere Faktoren!

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«Die wichtigste Eigenschaft eines Chefs ist, intuitiv zu erkennen, ob seine Führung wirksam ist.»

Und warum ist Zeit ein wichtiger Faktor bei der Führung in einer Turnaround-Situation?
In einem Turnaround-Prozess ist Zeit von entscheidender Bedeutung, da Verzögerungen oft nicht akzeptabel sind. Es ist wichtig, die Mitarbeiter schnell und effektiv auf Veränderungen vorzubereiten und sie emotional mitzunehmen, um den Erfolg des Turnarounds sicherzustellen. Es sollte berücksichtigt werden, dass in einem Turnaround das Risiko besteht, dass ein Drittel der Belegschaft sehr aktiv und positiv mitwirkt, ein Drittel neue Anweisungen der Chefs erwartet und versucht, diese umzusetzen – und ein Drittel der Belegschaft Angst hat, unsicher ist, sich zurückzieht und aktiven oder passiven Widerstand leistet.

Was empfehlen Sie also für die Zukunft?
Ich empfehle Führungskräften, eine Kultur der emotionalen Akzeptanz zu fördern, in der Mitarbeiter frei ihre Gefühle äussern können. Ferner sollten Führungskräfte intuitiv erkennen können, ob ihre Führung wirksam ist – und sie entsprechend anpassen. Das ist für mich die wichtigste Eigenschaft eines Chefs: Dass er intuitiv erkennt, ob seine Führung wirksam ist oder nicht. Dies sieht man an der Aufmerksamkeit der Mitarbeiter und an ihren leuchtenden Augen – und an der Aufmerksamkeit des Chefs und an seinen Augen! Wenn Sie die Aufmerksamkeit und die leuchtenden Augen sehen und spüren, erleben Sie positive Emotionen und grossen Erfolg in der Führungsbeziehung. Dann entsteht eine gegenseitig positive Resonanz. Wenn Sie jedoch diese Aufmerksamkeit und das Leuchten nicht wahrnehmen, erleben Sie einen Hauch von Chaos in der Führungsbeziehung.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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