Klartext statt Käse

50´000 Liter Milch werden in Oberbüren zu Frischkäse verarbeitet – pro Tag, 365 Tage im Jahr, im Dreischichtbetrieb. 170 Millionen Liter sind das jährlich, das entspricht etwa der Hälfte dessen, was der Kanton St.Gallen an Milch produziert; das Resultat sind rund 27´000 Tonnen Frischkäse für den Schweizer und den europäischen Markt.
Letzter Ausbauschritt geplant
Der Betrieb läuft also gut, die Frischkäsespezialitäten sind nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland gefragt – so gefragt, dass Züger ausbauen muss; in rund einem Jahr sollen die letzten Landreserven überbaut, 60 Prozent mehr können dereinst am Standort Oberbüren produziert werden. «Dann ist Schluss, mehr geht hier nicht mehr», sagt Christof Züger. Zu tun gibt es also genug, und trotzdem: Vor einem Jahr ist er der FDP beigetreten, mit dem Ziel, diesen Oktober nach Bundesbern gewählt zu werden – er, der Unternehmer, der es sich gewohnt ist, Entscheidungen selbstständig und vor allem schnell zu fällen.
Nach der Zweitwegmatura hat der gelernte Käser – heute sagt man: Milchtechnologe – an der ETH Lebensmittelingenieur studiert und vor der Übernahme der Verantwortung in der Frischkäserei den väterlichen Schweinezucht- und Futtermittelbetrieb in Niederbüren geführt. In den 1980er-Jahren wurde die Schweinezucht aber eingeschränkt; Ausnahmen gab es nur für Käsereien: Sie mussten die Schotte verwerten, die beim Käsen entsteht. Edwin «Edi» Züger hätte auch Appenzeller produzieren können, oder? «Klar. Davon gab es aber damals schon zu viel. Mozzarella schien ihm ein Trendprodukt – bei uns öffneten die ersten Pizzerien, und ein Cousin produzierte in den USA bereits Mozzarella.» Züger Senior setzte damit instinktiv aufs richtige Pferd, heute ist Züger die grösste Käserei der Ostschweiz.
Weniger «Experten», dafür mehr Entscheider
Und nun will Christof Züger also in die Politik. Hat er sich das gut überlegt? «Absolut, ich bin mir bewusst, was auf mich zukommt.» Züger als Lebensmittelbetrieb, aber auch seine Lieferanten, sprich die 430 Bauern, die ihm Milch liefern, sind von der Bundespolitik stark abhängig, prioritär in Landwirtschafts- und Ernährungsfragen. «Ich will KMU eine Stimme mehr auf nationaler Ebene geben.» Im Bundeshaus brauche es mehr Mut, Pioniergeist und Entscheidungsfreude, mehr Menschen, die nahe an der Praxis sind, nahe am Bodenpersonal. Weniger «Experten», dafür mehr Entscheider.
Ein Entscheider ist Züger zweifelsohne, einer, der es sich gewohnt ist, vorwärtszumachen, denn: «Stillstand bedeutet Rückschritt.» So kommen immer wieder neue Produkte aus Oberbüren – aktuell etwa das Schweizer Pendant zum «Philadelphia»-Frischkäse, hier «Filona» genannt – und werden neue Märkte erschlossen – Subway England hat sich kürzlich für die Mozzarella-Stangen aus Oberbüren entschieden. Seither fährt jede Woche ein Lastzug nach England. Dazu kommt: In der Schweiz ist Frischkäse das einzige Segment im Käsemarkt, das stetig wächst.
«27'000 Tonnen Frischkäse jährlich.»
Ins zweite Glied zurück
Für eine Politkarriere ist Christof Züger aber bereit, ins zweite Glied zurückzutreten, sozusagen – 2024 will er den CEO-Posten abgeben, sich auf die Gruppenleitung und auf seine Verwaltungsratsmandate konzentrieren. «Ich werde nächstes Jahr 60; habe fast drei Jahrzehnte operativ fürs Unternehmen gearbeitet. Damit ist es Zeit für eine Veränderung.» Er will sich in Bern einbringen, will der Jugend eine funktionierende Infrastruktur übergeben können – also nicht nur im Betrieb, sondern auch auf die Schweiz bezogen.
Denn eine stabile Infrastruktur sei zentral, um Neues zu erschaffen, ist Züger überzeugt. «Die Schweiz verfügt über eine der am besten ausgebauten Infrastrukturen weltweit. Als Unternehmer erlebe ich dies Tag für Tag.» Aber diese sei nicht in Stein gemeisselt, teilweise gar gefährdet. «Ein Beispiel: Fast nichts ist wichtiger als die stabile Versorgung mit elektrischer Energie. Darum müssen die alten Kraftwerke erneuert und neue für die Elektrifizierung der Mobilität und für die zukünftigen Wärmepumpen zum Heizen gebaut werden.» Auch Atomkraftwerke? «Ja, zweifelsohne.»
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Leistung soll belohnt werden
Ganz wichtig sind dem «Chrampfer» – er hat nach der Käserlehre die Matura gemacht, dann an der ETH Lebensmittelingenieur studiert und dazu immer gearbeitet – auch das duale Bildungssystem, «einer der Erfolgsfaktoren der Schweiz, den wir nicht aufs Spiel setzen dürfen. Es wird Zeit, dass auch die Berufslehre das Ansehen und die Stellung in der Gesellschaft erhält, die sie verdient». Höhere Maturitätsquoten? Dieser Forderung kann Züger wenig abgewinnen.
Trotzdem: Bildung ist für Züger «der Rohstoff unseres Landes, der Fachkräftemangel zeigt dies eindrücklich». Daher sei es wichtig, jungen Menschen uneingeschränkten Zugang zu Bildung zu geben. «Ich will, dass die Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen verbessert wird.» Für ihn ist klar: Leistung soll belohnt werden; die «Starken» sollen vorangehen und die «Schwächeren» mitnehmen. Gelebter Gemeinsinn sei für die Erhaltung unseres Wohlstandes und unserer Demokratie genauso wichtig wie liberale Prinzipien.
Eigenverantwortung statt staatliche Bevormundung
Züger ist ein Liberaler durch und durch, ihm ist es egal, woher jemand kommt, wie alt er ist oder welches Geschlecht er hat. «Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft vorausgesetzt, erhält bei Züger Frischkäse jeder eine Chance. Unabhängig von Nationalität, Geschlecht und Alter. Weil Wohlstand durch Leistung entsteht, soll die Chance auf einen Arbeitsplatz allen offenstehen.» Er will, dass diese Chancengleichheit nicht nur für seinen Betrieb, sondern für alle Menschen in der Schweiz gelten.
«Damit der Wohlstand auch morgen Bestand hat, will ich mich dafür einsetzen, dass kommende Generationen dieselben Chancen erhalten, wie wir sie hatten.» Was heisst das im Klartext (Zügers Werbeslogan lautet «Klartext statt Käse»)? «Basis dafür bilden die liberalen Prinzipien Eigenverantwortung statt staatliche Bevormundung, Anreize statt Verbote, Marktwirtschaft statt staatlicher Eingriffe, selbst effizient herstellen, was zur Versorgungssicherheit gehört, statt importieren.» Apropos Eigenverantwortung: Seit 2019 setzt Züger auf Strom aus seiner Photovoltaikanlage, schon seit 2011 auf Wärme aus einer Holzschnitzelheizung; insgesamt hat er seit dem Bezug des Standortes Oberbüren 1993 über 150 Millionen dort investiert.
Führung und Eigentum trennen
Züger hat vier Kinder, sein Bruder Markus – den beiden gehört die Züger Frischkäse AG – ebenfalls. Also wird einer der Zügers der neue CEO, von dem oben gesprochen wurde? «Nein, sie sind alle noch zu jung», sagt der Patron. Er freut sich zwar, dass mehr als die Hälfte der Jungmannschaft Interesse an einer Position im Familienbetrieb bekundet hat, ist aber überzeugt, dass sie sich noch die Sporen abverdienen soll – wie er es einst auch gemacht hat. «Die Firma kommt vor den Genen. Deshalb werden wir erst einen externen CEO einsetzen und Führung und Eigentum klar trennen.»
Die Suche läuft; der «Neue» wird das Ruder übernehmen, wie auch immer die Wahlen im Herbst für Christof Züger ausgehen. «Langweilig würde es mir auch ohne Nationalratsmandat nicht», sagt der ehemalige Fallschirmgrenadier. Aber nur Sport machen oder im Garten arbeiten? Man kann es sich kaum vorstellen. Züger würde mit Sicherheit ein neues Projekt in Angriff nehmen, denn eben: «Stillstand bedeutet Rückschritt.»
Text: Stephan Ziegler
Bild: Thomas Hary