Sicherheit ohne Mauern
Der offene Vollzug in Gmünden verfolgt das Ziel, Insassen auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. «Wir fördern die Reintegration der Insassen, indem geschultes Fachpersonal sie bei der beruflichen und sozialen Eingliederung begleitet», betont Schindler. Besonders wichtig ist dabei die Förderung der Selbstverantwortung: Die Insassen erhalten mehr Freiheiten und müssen gleichzeitig mehr Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Ein strukturierter Tagesablauf, gepaart mit festen Arbeitszeiten und Bildungsangeboten, schafft dabei die nötige Stabilität. Die Insassen arbeiten in Bereichen wie der Schreinerei, Metallwerkstatt oder Küche, um ihre Fähigkeiten zu erweitern.
Resozialisierung durch Arbeit und Verantwortung
In Gmünden sind Insassen gesetzlich zur Arbeit verpflichtet. Schindler erklärt: «Die Arbeitsleistungen werden regelmässig bewertet und beeinflussen direkt das Arbeitsentgelt.» Mit dem verdienten Geld können die Insassen persönliche Ausgaben wie Telefonate oder Einkäufe im Anstaltskiosk tätigen. Ein Teil des Lohns wird jedoch für die Zeit nach der Entlassung gespart – als Startkapital für ein eigenständiges Leben.
Einbindung in regionale Netzwerke
Die Strafanstalt bietet vielfältige Arbeitsbereiche, um möglichst vielen Interessen und Fähigkeiten gerecht zu werden. Unter anderem werden Aufträge von externen Firmen bearbeitet; eigene Produkte werden über den Webshop strafarbeit.ch vertrieben. Dies eröffnet den Insassen die Möglichkeit, praxisnahe Erfahrungen zu sammeln und ihre Fertigkeiten weiterzuentwickeln. Zusätzlich können sie im Schulprogramm «Bildung im Strafvollzug» (BiSt) ihre Bildung verbessern und so ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.
Gmünden gehört dem Ostschweizerischen Strafvollzugskonkordat an und profitiert von einer engen Zusammenarbeit mit den Kantonen Zürich, Glarus, St.Gallen und weiteren Partnern. Regelmässige Fachaustausche tragen zur kontinuierlichen Optimierung der Abläufe bei. «Die Zusammenarbeit mit den einweisenden Behörden ist hervorragend», bestätigt Schindler. Dies sichert eine hohe Belegungsrate und stärkt das Vertrauen in die Institution.
Auch auf die Bedürfnisse der Insassen eingehen
Ein besonderer Aspekt des offenen Vollzugs in Gmünden ist der Verzicht auf hohe Mauern und Zäune. Dennoch wird die Sicherheit ernst genommen: «Die Insassen bewegen sich auf dem Areal selbstständig, aber unter Beobachtung», so Schindler. Das Prinzip der dynamischen Sicherheit bedeutet, dass die Mitarbeiter nicht nur überwachen, sondern aktiv das Gespräch suchen und auch mal gemeinsam Freizeitaktivitäten wie Tischfussball unternehmen. «Der Freiheitsentzug ist ein schwerer Eingriff. Umso wichtiger ist es, auf die Bedürfnisse der Insassen in einem gesunden Mass einzugehen», betont Schindler.
Die Insassen haben einen geregelten Tagesablauf. Der Arbeitstag beginnt um 6 Uhr mit dem Aufschluss und endet um 16.40 Uhr. Nach Feierabend steht ihnen Freizeit zur Verfügung, die sie im Fitnessraum, beim Gesellschaftsspiel oder beim Fernsehen verbringen können. Auch die sozialen Kontakte werden gepflegt: Alle 14 Tage dürfen Angehörige nach vorheriger Anmeldung und Sicherheitsprüfung zu Besuch kommen. Zudem sind Urlaube und Ausgänge für berechtigte Insassen möglich.
Zukunftsaussichten und Entwicklungen
Der Kanton Appenzell Ausserrhoden plant derzeit einen Neubau für die Gefängnisse Gmünden sowie das Strassenverkehrsamt und die Verkehrspolizei. Schindler sieht hierin eine wichtige Chance, die Institution weiterzuentwickeln und den offenen Strafvollzug zu optimieren. Ein besonderer Fokus liegt auf der Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen, um Insassen auch nach ihrer Entlassung berufliche Perspektiven zu bieten.
«Unsere Aufgabe ist es, die Insassen so gut wie möglich auf ein deliktfreies Leben in der Gesellschaft vorzubereiten», fasst Schindler zusammen. Durch gezielte Förderung, eine enge Betreuung und das Prinzip der Normalität wird dieser Anspruch in Gmünden konsequent verfolgt.
Text: Patrick Stämpfli
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer