Lebensmittel für die Welt von morgen

Die Ernährungswirtschaft deckt im wahrsten Sinn des Wortes lebensnotwendige Bedürfnisse der Menschen ab – und weil sich diese Bedürfnisse wandeln, ändert sich auch die einschlägige Industrie. Zwei Faktoren sind es insbesondere, die den Wandeln befeuern: die wachsende Zahl an Menschen auf diesem Planeten, und der Klimawandel.
Weniger CO₂, mehr pflanzliche Alternativen
Seit 2022 leben über acht Milliarden Menschen auf der Erde, 2050 werden es dann zehn Milliarden sein. Der Bedarf an Nahrungsmitteln steigt, doch die traditionelle Nahrungsmittelproduktion ist ein Treiber des Klimawandels. Also müssen neue, nachhaltigere Produkte mit einem geringeren CO₂-Fussabdruck auf unserem Teller landen. Dass fast zwei Drittel der weltweiten Landwirtschaftsflächen direkt oder indirekt für die Fleischproduktion verwendet werden, ist tatsächlich nicht nachhaltig.
Ein schönes Steak durch eine pflanzliche Alternative zu ersetzen, war aber lange keine Option: Die ersten Fleischersatzprodukte haben wirklich fürchterlich geschmeckt, wie auch Hardcore-Veganer einräumen. Ein Grund dafür: Die verwendeten pflanzliche Proteine wurden eigentlich für Tierfutter hergestellt, Geschmack war gar kein Thema. Weil es nun einen Markt gibt, werden die Rohstoffe, die pflanzlichen Proteine, inzwischen gezielt für den Einsatz als Lebensmittel designt. Damit verbessern sich die Qualität und der Geschmack.
Inzwischen haben die Produzenten pflanzlicher Alternativen riesige Fortschritte gemacht. Sie haben erkannt, dass Essen ein sinnliches Erlebnis ist und sie beim Geschmack keine Kompromisse machen dürfen. Kürzlich erklärte Pascal Bieri, der Mitgründer des vor vier Jahren gegründeten Unternehmens Planted, am KMU-Tag in St.Gallen, warum solche Produkte überhaupt noch als «Fleischersatz», also etwa als «pflanzliches Chicken», bezeichnet werden: Weil das Denken der Konsumenten noch stark in der Kultur verwurzelt ist. Die Leute haben Lust auf «Pouletgeschnetzeltes», sind aber bereit, dafür ein nicht tierisches Produkt zu verwenden. Planted jedenfalls hat den Nerv der Konsumenten getroffen und wächst rasant.
Dünne Margen trotz hoher Preise
Dennoch sind viele alternative Produkte vergleichsweise teuer und damit bislang nicht massentauglich. Neue Nahrungsmittel müssen eben nicht nur nahrhaft sein und gut schmecken, sie müssen auch erschwinglich sein, damit eine Ernährungsumstellung gelingt. Im Lebensmittelbereich sind die Margen ohnehin dünn – und Fleischersatzprodukte, die teure Rohstoffe verwenden, lassen diese geringe Marge noch zusätzlich schmelzen.
Wandel löst immer auch Ängste aus, bei den Rohstoff-Produzenten ebenso wie bei den Verarbeitern – beides in der Ostschweiz sehr bedeutende Branchen. Gerade im Thurgau hat die Landwirtschaft die doppelt so grosse Bedeutung wie im Schweizer Durchschnitt. Aber auch die Verarbeiter haben hier bedeutende Standorte, etwa in Gossau, wo sowohl Coop als auch Migros grosse Produktionsbetriebe entlang der Bahnlinie angesiedelt haben.
Die Liste der Ostschweizer Lebensmittelproduzenten ist lang
Darunter finden sich viele klangvolle Namen wie Biotta, Kägi Fret, Maestrani oder Gottlieber Hüppen. Der Namen Züger steht für Frischkäse in vielen Variationen – der Betrieb verarbeitet immerhin rund die Hälfte der Milchproduktion im Kanton St.Gallen. Manche Unternehmen wie der Suppen- und Würze-Hersteller Hügli gehören zu einer grösseren Gruppe, Hügli gehört zu Bell und damit zu Coop. Auch der grosse liechtensteinische Convenience-Food-Hersteller Hilcona mit seinen 2000 Mitarbeitern gehört mehrheitlich Bell.
Andere wie der Poulet-Produzent Frifag vereinen weitere Unternehmen in ihrer Gruppe, darunter zwei Mühlen und die Bäckerei Schwyter. Bedeutende Getränke-Hersteller finden sich in der Ostschweiz ebenfalls, die Mineralquelle Goba liefert auch Süssgetränke, und Flüssiges aus Hopfen und Malz gibt es unter anderem von Schützengarten, Locher oder Sonnenbräu und etlichen kleineren Brauereien.
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Landwirtschaft als Basis
All diese Betriebe müssen sich im Sinn des Wortes nach dem Geschmack ihrer Kunden richten und stets mit Innovationen aufwarten. Einer der Megatrends dürfte auf eine sinkende Bedeutung der Tierhaltung hinauslaufen, doch auch alternative Produkte benötigen letztlich Rohstoffe aus der Landwirtschaft. Dass etwa Hafermilch aus Schweden importiert wird, liegt wohl vor allem am pfiffigen Marketing, aber auch an einem Know-how-Vorsprung.
Klar ist aber auch: Nicht jede hügelige Kuhweide im Appenzellerland eignet sich für den Anbau von Hafer oder Soja. Verarbeiter wie auch Landwirte sind also herausgefordert, mit ihren jeweiligen Möglichkeiten ihre Nische zu finden. Immerhin dürfen die Unternehmer davon ausgehen, dass die Menschheit auch weiterhin Hunger hat.
Text: Philipp Landmark
Bild: Pixabay