Ein Dach ist ein potenzielles Kraftwerk
Die Eigenmann-Geschichte reicht ins Jahr 1900 zurück, «mein Urgrossvater hat damals als Dachdecker angefangen», sagt Andreas Eigenmann, der heute die Geschicke des Unternehmens leitet. Vor 124 Jahren musste ein Dach primär eines sein: dicht. «Isolationen waren noch lange Zeit kein Thema», weiss der Urenkel.
Hundert Jahre später, nach dem Millennium, begann die Schweiz ernsthaft über Energie-Sparen nachzudenken. Andreas Eigenmann, der 1999 die Meisterprüfung als Dachdecker abgelegt hatte, besuchte 2007 eine Ausbildung zum Energieberater. Es war der Pilotkurs vom Branchenverband Polybau, die Absicht war klar, wie sich Andreas Eigenmann erinnert: «Die Leute, die an der Gebäudehülle arbeiten, müssen zum Thema Energie etwas sagen können.»
Solartechnik für warmes Wasser
Zu jener Zeit wurde auch die Idee, die Energie der Sonne zu nutzen, populär. Allerdings ging es damals noch nicht um die Stromproduktion, sondern darum, mithilfe der Sonnenenergie warmes Wasser zu produzieren. «Solarthermie war eine grosse Geschichte», sagt Andreas Eigenmann, der 2008 selbst in dieser Nische tätig wurde. «Oben auf dem Dach zwei Sonnenkollektoren zu installieren, war kein Problem», erklärt der Dachdeckermeister, «aber unten im Keller, bei der Heizung, fehlte mir teilweise das Wissen.
Die Fragezeichen liess die Unternehmerfamilie nicht lange unbeantwortet. Seit die Brüder Andreas und Christian Eigenmann im Jahr 2000 die Firma von ihrem Vater übernahmen, war das Unternehmen bereits in die beiden Bereiche Haustechnik/Sanitär und Gebäudehülle mit Bedachung und Spenglerei aufgeteilt. Nun holten sie sich zusätzliches Know-how an Bord und gliederten dem Sanitärbereich noch eine Sparte Heizung an.
Boom der Photovoltaik
Eine Zäsur war kurz darauf die Nuklearkatastrophe in Fukushima 2011. «Dann ging der Solarboom los», sagt Andreas Eigenmann, «die Solarthermie war vorbei, dafür ist die Photovoltaik rasant angestiegen.» Das Unternehmen hatte da schon erste Erfahrungen mit Solarmodulen für die Stromproduktion gemacht.
Andreas Eigenmann hatte sich ab 2007 mit Solarstrom auseinandergesetzt, «ein Kollege in meiner Erfa-Gruppe hat mich mit dem Thema Photovoltaik angesteckt.» Die Solarthermie ist inzwischen weitgehend verdrängt worden – «was nicht heisst, dass Solarthermie nicht sinnvoll ist, etwa bei einem Hotel mit grossem Warmwasser-Verbrauch.» Für Privathaushalte sei aber insbesondere seit dem Aufkommen der Elektromobilität die Produktion von Solarstrom sinnvoller. «Man könnte auch beides machen», erklärt Andreas Eigenmann, «aber dafür sind die Dächer eines Einfamilienhauses zu klein.»
... sonst macht es ein Anderer
Als die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen anstieg, sind die meisten Elektriker nicht auf den Zug aufgesprungen. «Die hatten Angst vor der Arbeit auf dem Dach, vorrangig bei In-Dach-Anlagen», vermutet Andreas Eigenmann. Das Dach eines Gebäudes ist ein sensibler Bereich, sowohl ein Flachdach als auch ein Steildach. Man muss wissen, wie man sich auf einem Dach bewegt und wie dort etwas befestigt werden kann. «Ich habe keine Angst vor der Anforderung, eine solche Anlage zu installieren, ich weiss, was dicht heisst. Aber für mich war die Elektro-Installation im Keller ein Buch mit sieben Siegeln.»
Der Berufsverband Gebäudehülle Schweiz sensibilisierte seine Mitglieder schon früh, dass die Dächer auf der Südseite künftig mit Solarmodulen gedeckt werden könnten, die klassischen Dachdecker würden dann nur noch die Nordseite mit Ziegeln eindecken. Die Hälfte des Dachs würde jemand anderes machen, wenn es die Dachdecker nicht tun. «Wir merkten, dass wir nicht abseitsstehen können, sondern uns weiter entwickeln müssen», erinnert sich Andreas Eigenmann. «Die Nachfrage der Kunden nach Photovoltaik war da, also stellte sich für uns die Frage, ob wir diese Leistungen extern einkaufen oder selbst anbieten.»
Strom intelligent selbst brauchen
Den Umgang mit Strom mussten Dachdecker wie Andreas Eigenmann erst lernen. Den Löwenanteil machten Ableitungen vom Dach bis in den Keller aus, dort musste der Dachdecker dann aber einen Elektriker beiziehen. Diese Arbeiten sind heute auch wesentlich komplexer als zu Beginn des Solarbooms. «Bis vor ein paar Jahren war es simpel, da hat man einfach Photovoltaik-Strom produziert und ins Netz eingespiesen», sagt Andreas Eigenmann. «Heute geht es zuerst darum, den selbst produzierten Strom im Haus intelligent zu brauchen.»
Gerade die Diskussion um eine mögliche Mangellage habe die Leute etwas eingeschüchtert, beobachtet Andreas Eigenmann, darum sei der Wunsch, autark zu sein, stärker geworden. Heute werden oft Stromspeicher im Haus verbaut und auch die Möglichkeit vorgesehen, ein Haus zwischenzeitlich vom Netz abzukoppeln, um den eigenen Strom direkt nutzen zu können.
Um die Verkabelung auf dem Dach bis und mit dem Anlageschalter im Wechselrichter nicht jedes Mal an einen Elektriker vergeben zu müssen, hat sich Andreas Eigenmann erneut weitergebildet und 2013 die nach dem Artikel NIV 14 benannte Bewilligung im Bereich der Niederspannungsinstallationen für Installationsarbeiten an besonderen Anlagen erlangt.
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Eigene Einheit für Energie
Anfangs lief die Photovoltaik noch nebenher, heute ist Energie ein eigenes Standbein des Unternehmens, das eigentlich eine Gruppe aus mehreren Firmen ist. Die Eigenmann AG Bedachungen Spenglerei ist mit rund 30 Mitarbeitern der grösste Bereich, er wird von Andreas Eigenmann geführt, der gleichzeitig auch der Gruppe vorsteht. Bei der Eigenmann AG Sanitär und Heizung mit zehn Köpfen leitet Alexander Schnetzer die Geschäfte. Für die Anfang 2023 gegründeten Eigenmann AG Energie wurden Mitarbeiter mit grosser Expertise beim Strom an Bord geholt: Geschäftsleiter Fabian Felix, sein Stellvertreter Thomas Oehler, und Fabrizio Di Benedetto, der Service und Beratung des Bereichs Energie leitet. Total sind hier elf Mitarbeiter beschäftigt: «Fünf sind Elektriker, sechs arbeiten auf dem Dach», sagt Andreas Eigenmann.
Die Unterteilung in verschiedene Einheiten betont die Firmengruppe nicht, nach aussen tritt sie als Eigenmann auf, «wir haben einen Brand und eine Website», sagt Andreas Eigenmann, «das ist im Marketing einfacher, als wenn wir mit verschiedenen Gesellschaften auftreten.»
Mit Erfahrung punkten
Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, nahm der Photovoltaik-Zug nochmals Fahrt auf, und nun versuchten viele Leute, auch noch aufzuspringen. Es wurden etliche neue Firmen aus dem Boden gestampft, die jetzt am Markt um Kunden buhlen. Die Offerten verschiedener Anbieter können heute erstaunlich grosse Preis-Differenzen aufweisen. Ein Grund ist, dass nicht überall die gleichen Leistungen ausgewiesen werden und etwa die Wechselstrominstallationen oder das Baugerüst in der einen oder anderen Aufstellung fehlen.
«Wir haben die Entwicklung schon länger mitgemacht und haben die Erfahrung», sagt Andreas Eigenmann. Das gut ausgelastete Unternehmen kann heute eine Wärmepumpe und eine Photovoltaikanlage als «perfektes Traumpaar» anbieten, das Know-how dafür wurde über Jahre aufgebaut. «Wir haben kurze Wege: Wenn die Abteilung Energie eine Frage zum Dach hat, holen sie die Expertise hier bei mir im Büro. Und wenn die Leute von der Gebäudehülle ein Anliegen haben, fragen sie die Kollegen in der Sparte Energie.» Die Gebäudehülle ist heute nicht nur ein warmer Pulli fürs Haus, sondern auch ein Kraftwerk.
Kompetente Planung
Wird eine Photovoltaikanlage projektiert, machen Profis wie Thomas Oehler basierend auf den Unterlagen des Architekten einen Plan, um die Module auf einem Dach optimiert für eine maximale Ausbeute anzuordnen. Die Ausrichtung und die Anzahl der Module und damit auch die zu erwartende Leistung werden so festgelegt. Fehlt ein Plan vom Architekten, fliegt Oehler mit einer Drohne übers Dach und nimmt neben den Massen auch alle Hindernisse wie Ausstiege, Belüftungsrohre, Gitter oder Abläufe auf.
Die saubere Planung ist nicht nur Grundlage für die Arbeit der eigenen Firma, sie ist auch Teil des Baubewilligungsverfahrens sowie Grundlage für Fördermittel des Bundes. Bevor solche Gelder gesprochen werden, muss ein unabhängiger Kontrolleur bestätigen, dass die angegebene Leistung wie geplant auf dem Dach installiert wurde. «Der bürokratische Aufwand pro Anlage ist gross, unabhängig von der Grösse», sagt Thomas Oehler.
Investieren und profitieren
Steht eine Gebäudesanierung an, dann rät Andreas Eigenmann Hausbesitzern, zuerst die Gebäudehülle fit zu machen, «das ist der Königsweg». Wenn neue Fenster eingesetzt und die Fassaden und das Dach isoliert werden, könne der Energieverbrauch um fast die Hälfte reduziert werden. Danach können allenfalls ein neues Heizsystem und eine Photovoltaikanlage installiert werden. In Summe können sich die Investitionen bei einem Einfamilienhaus schnell auf mehrere hunderttausend Franken belaufen. Für Andreas Eigenmann ist es deshalb verständlich, dass Hausbesitzer Investitionen aufschieben oder etappieren. Damit würden Hausbesitzer aber auch erst später von Einsparungen für fossile Brennstoffe oder von Vergütungen für eingespeisten Solarstrom profitieren. «Steigende Energiepreise helfen uns», erklärt Andreas Eigenmann, «bei steigenden Strompreisen lohnt es sich, selbst Strom zu produzieren, und wenn die Öl- und Gaspreise klettern, wird es interessanter, mit einer Wärmepumpe zu heizen.»
Bei Wärmepumpen empfiehlt Eigenmann Erdwärme, obwohl die Investitionen höher sind: «Von der Wirtschaftlichkeit her gesehen ist eine Bohrung für eine Erdsonde sinnvoller.» Eine Bohrung sei zwar teuer, aber bei einer Erdsonde müsse man weniger Strom zuführen, um Heizenergie zu erhalten, als bei einer Luft-Wärmepumpe. «Man kann aber aus geologischen Gründen nicht überall bohren, dann bleibt als Alternative die Wärmegewinnung aus der Umgebungsluft.» Bei allen Sanierungsvorhaben sei es wichtig, dass das Big Picture stimme, betont Andreas Eigenmann, «die Investitionen sollen wirkungsvoll sein». Dort, wo man wenig erreiche und der Nutzen teurer Investitionen bescheiden bleibe, dürfe man auch auf eine Massnahme verzichten.
Text: Philipp Landmark
Bild: Thomas Hary